VwGH 2008/08/0049

VwGH2008/08/004918.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der S in Wien, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 21, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Jänner 2008, Zl. 2007-0566-9-001999, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §56 Abs3;
AlVG 1977 §56 Abs4;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs3;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z41;
AlVG 1977 §56 Abs3;
AlVG 1977 §56 Abs4;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs3;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z41;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 erhielt die im Bezug von Notstandshilfe stehende Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Hietzinger Kai (in der Folge: AMS Hietzinger Kai), eine "Mitteilung über den Leistungsanspruch". Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen sowie deren Angaben und der gesetzlichen Bestimmungen das AMS die Leistung für die Beschwerdeführerin mit täglich EUR 10,24 (Anfallstag 1. Oktober 2007; bis voraussichtlich 9. Mai 2008) bemessen hat.

In einem Schreiben vom 5. November 2007 an das AMS Hietzinger Kai mit dem Betreff "Berufung gg Bescheid über Mitteilung des Leistungsanspruchs vom 22. Oktober 2007" führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sie das Schreiben vom 22. Oktober 2007 als "Bescheid iS § 62 AVG" qualifiziere. Dagegen erhebe sie Berufung. Nach mehrseitigen Darlegungen stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, ihren Notstandshilfebezug ab 1. Oktober (2007) wieder mit EUR 22,99 (täglich) festzusetzen und die bislang noch nicht ausbezahlte Notstandshilfe für Oktober 2007 an sie anzuweisen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt:

"Bescheid

Ihre Berufung vom 05.11.2007 (Poststempel) gegen die Mitteilung über den Leistungsanspruch des Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai vom 22.10.2007 betreffend die Gebührlichkeit von Notstandshilfe ab 01.10.2007 in der Höhe von EUR 10,24 täglich wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (BGBl. Nr 51/1991 - AVG)

als unzulässig zurückgewiesen ."

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Mitteilung gemäß § 47 Abs. 1 AlVG kein Bescheid sei. Ein Begehren auf Bescheidausstellung habe die Beschwerdeführerin bis dato nicht gestellt. Da kein Bescheid des Arbeitsmarkservice vorliege, sei eine Berufung unzulässig.

Der angefochtene Bescheid ist "Für die Landesgeschäftsführerin" von einem stellvertretenden Abteilungsleiter gefertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 47 Abs. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 47/1997 lautet:

"(1) Wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe anerkannt, so ist dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen, aus der insbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. Wird der Anspruch nicht anerkannt, so ist darüber dem Antragsteller ein Bescheid auszufolgen. Ausfertigungen, die im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung erstellt wurden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."

§ 66 Abs. 4 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:

"(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern."

Über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels hat gemäß § 66 Abs. 4 AVG nur die als Rechtsmittelinstanz in Betracht kommende Behörde zu entscheiden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seiten 1253 f, bei E 51 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 56 Abs. 1 AlVG ist gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle die Berufung an die Landesgeschäftsstelle zulässig. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung trifft die Landesgeschäftsstelle die Entscheidung in einem Ausschuss des Landesdirektoriums. Gemäß Abs. 4 hat das Landesdirektorium bei jeder Landesgeschäftsstelle einen Ausschuss zur Behandlung von Berufungen gemäß Abs. 1 einzurichten (Ausschuss für Leistungsangelegenheiten).

Die genannten Bestimmungen des Artikels III des AlVG sind gemäß § 58 AlVG auf das Verfahren in Angelegenheiten der Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach den gemäß Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG auch auf das Verfahren der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anzuwendenden Bestimmungen des § 58 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 18 Abs. 4 AVG muss jede Ausfertigung eines Bescheides unter anderem die Bezeichnung der Behörde, die die Entscheidung getroffen hat, enthalten. Ist diese Behörde eine Kollegialbehörde, so ist diesem Erfordernis auch dann durch ihre Bezeichnung im Bescheid Rechnung zu tragen, wenn der auf einem Beschluss der Kollegialbehörde beruhende Bescheid durch eine andere Behörde mitgeteilt (intimiert) wird. Fehlt im Bescheid jeder Hinweis darauf, dass er auf einem Beschluss eines Kollegialorgans beruht, so ist die Frage der Zurechnung dieses Bescheides auf der Grundlage des äußeren Tatbestandes zu beantworten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, Zl. 2008/08/0019, mwN).

Aus dem angefochtenen Bescheides geht nicht hervor, dass der zuständige Ausschuss für Leistungsangelegenheiten entschieden hat. Ganz im Gegenteil deutet der äußere Anschein eher darauf hin, dass über die Zurückweisung der Berufung gerade nicht vom zuständigen Ausschuss entschieden worden ist. Gefertigt ist der angefochtene Bescheid "Für die Landesgeschäftsführerin". Der Bescheid ist daher mangels Hinweises auf eine Entscheidung des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten der Geschäftsführerin der Landesgeschäftsstelle als monokratischer Behörde zuzurechnen, auch wenn sich aus der vorgelegten Kopie eines Protokollauszugs der Sitzung des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten vom 18. Jänner 2008 zu ergeben scheint, dass er auf einem Beschluss des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten beruht.

Da sich der angefochtene Bescheid nach dem Gesagten aber als ein Bescheid der Geschäftsführerin der Landesgeschäftsstelle als monokratischer Behörde darstellt, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. wiederum das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, Zl. 2008/08/0019, mwN).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Dezember 2008

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