VwGH 2008/04/0164

VwGH2008/04/016429.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, in der Beschwerdesache des Anton Leitner in St. Pölten, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Rathausplatz 18, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 8. August 2008, Zl. Senat-AB-08-0087, betreffend Anzeige der Wiederinbetriebnahme einer Betriebsanlage gemäß §§ 81 Abs. 3 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: G GmbH in P, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1014 Wien, Tuchlauben 17), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
GewO 1994 §345 Abs5 idF 2008/I/042;
GewO 1994 §345 Abs6 idF 2008/I/042;
GewO 1994 §345 Abs8 Z8;
GewO 1994 §345 Abs9;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359b;
GewO 1994 §69a;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §81 Abs2 Z9;
GewO 1994 §81 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §345 Abs5 idF 2008/I/042;
GewO 1994 §345 Abs6 idF 2008/I/042;
GewO 1994 §345 Abs8 Z8;
GewO 1994 §345 Abs9;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359b;
GewO 1994 §69a;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §81 Abs2 Z9;
GewO 1994 §81 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt St. Pölten vom 1. April 2008 wurde die Anzeige der Mitbeteiligten über die Wiederinbetriebnahme einer bei einem Brand zum Teil beschädigten Betriebsanlage "im Teilschritt 1" (nur teilweise Inbetriebnahme der beschädigten Abluftreinigungsanlage bei gleichzeitig verringerter Produktionskapazität) unter mehreren Auflagen betreffend die Messung der Luftschadstoffemissionen gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 iVm. § 345 Abs. 6 GewO 1994 zur Kenntnis genommen (Spruchpunkt I).

Gleichzeitig wurde die Anzeige über die Wiederinbetriebnahme der Betriebsanlage "im Teilschritt 2" (Produktionserhöhung gegenüber Teilschritt 1 bei gleichzeitiger Hinzunahme einer biologischen Reinigungsanlage) gemäß § 345 Abs. 5 GewO 1994 untersagt (Spruchpunkt II) und gemäß § 79 GewO 1994 nachträglich Auflagen betreffend die Betriebsanlage vorgeschrieben (Spruchpunkt III). Außerdem wurde unter Spruchpunkt IV festgestellt, dass näher genannten Nachbarn der Betriebsanlage, darunter der Beschwerdeführer, im gegenständlichen Anzeigeverfahren gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 GewO 1994 keine Parteistellung zukomme und der Mitbeteiligten unter Spruchpunkt V die Kosten des Verwaltungsverfahrens vorgeschrieben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid von der belangten Behörde auf Grund der Berufung sowohl der Mitbeteiligten als auch u.a. des Beschwerdeführers im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG "ersatzlos behoben". Die belangte Behörde vertrat in der Begründung die Auffassung, dass der Antragsgegenstand des vorliegenden Falles nicht teilbar und daher ein getrennter Abspruch über den Antrag (Spruchpunkte I bis III des Erstbescheides) unzulässig sei.

Zur Frage der Parteistellung des Beschwerdeführers im gegenständlichen Anzeigeverfahren nach § 81 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 iVm. § 345 Abs. 5 und 6 GewO 1994 meinte die belangte Behörde, dass bei verfassungskonformer Interpretation analog zum vereinfachten Verfahren gemäß § 359b GewO 1994 (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 2001, G 98/01) dem Nachbarn auch im gegenständlichen Anzeigeverfahren insoweit Parteistellung zukomme, als es um die Frage gehe, ob die Voraussetzungen für das (bloße) Anzeigeverfahren (anstelle des Genehmigungsverfahrens) vorliegen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Entscheidung über seine Berufung in der Sache im Sinne einer Untersagung jeglicher Betriebstätigkeit verletzt und befürchtet durch den Betrieb der Anlage (vgl. in diesem Zusammenhang den hg. Beschluss vom 2. September 2008, Zl. AW 2008/04/0050) eine Gefährdung des Grundwassers.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2008 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Nach § 81 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. ist eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 für Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen, jedenfalls nicht gegeben. Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind solche Änderungen der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen.

Gemäß § 345 Abs. 6 GewO 1994 in der zitierten Fassung sind Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 binnen zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, wenn die geforderten Voraussetzungen gegeben sind; dieser Bescheid bildet einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Wenn die jeweils geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, so hat die Behörde, bei der die Anzeige erstattet worden ist, - unbeschadet eines Verfahrens nach den §§ 366 ff - dies gemäß § 345 Abs. 5 leg. cit. mit Bescheid festzustellen und die Maßnahme oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, zu untersagen.

Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Rechtsvorschriften sind daher im Wesentlichen mit jenen Bestimmungen der GewO 1994 ident, die dem hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Zl. 2006/04/0091, zugrunde lagen. Insbesondere wurde § 356 Abs. 3 GewO 1994 seither nicht geändert. In diesem Erkenntnis wurde ausgeführt:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 3. September 1996, Zl. 96/04/0042, und vom 22. März 2000, Zl. 2000/04/0062), von der abzugehen im Beschwerdefall kein Anlass besteht, ist die Parteistellung der Nachbarn im Folgeverfahren in § 356 Abs. 3 GewO 1994 abschließend geregelt. Eine Parteistellung der Nachbarn in einem Verfahren nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 (iVm § 345 Abs. 8 Z. 8 und Abs. 9 leg. cit.) ist dort nicht vorgesehen. In diesem Verfahren hat vielmehr die Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Verantwortung ohne diesbezügliche Parteistellung der Nachbarn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Abs. 2 Z. 9 GewO 1994 zu klären. Den Nachbarn ist kein Recht eingeräumt, geltend zu machen, die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle seien von der Behörde zu Unrecht als gegeben angenommen worden."

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Ansicht der belangten Behörde, eine verfassungskonforme Interpretation verlange in einem Fall wie dem vorliegenden ein Abgehen von dieser Rechtsprechung und ähnlich wie bei § 359b GewO 1994 das Bejahen der (beschränkten) Parteistellung der Nachbarn, nicht zu teilen.

Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich im Erkenntnis vom 11. März 2004, G 124/03 u.a. (VfSlg. 17.165), unter Bezugnahme auf sein Erkenntnis VfSlg. 14.512/1996 zum vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß § 359b GewO 1994 klargestellt, dass die dort genannten Bedenken nicht bestünden, wenn gewährleistet sei, dass zusätzlich zum Vorliegen der sonstigen (abstrakten) Voraussetzungen (Nichtüberschreiten der Messgrößen, Aufzählung in einer Verordnung) für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens "im Einzelfall auf Grund der Ergebnisse des Verfahrens zu erwarten ist", dass Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs. 2 GewO 1994 oder Belastungen der Umwelt (§ 69a leg. cit.) vermieden werden, sohin "der Behörde eine Einzelfallprüfung (wenngleich ohne diesbezügliche Mitwirkung der Nachbarn als Parteien) zur Pflicht gemacht wird" (vgl. Punkt 3.1. des Erkenntnisses).

Ein derartiger Fall der Einzelprüfung ohne diesbezügliche Mitwirkung der Nachbarn liegt auch hier vor. Eine Einzelfallprüfung im genannten Sinn ist nämlich bereits Tatbestandsvoraussetzung des § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 - die Behörde darf von der Erfüllung des Tatbestandes nur dann ausgehen, wenn im konkreten Fall feststeht, dass sich das Emissionsverhalten durch die Änderung der Anlage gegenüber dem bestehenden Konsens nicht nachteilig ändert, wodurch von vornherein sichergestellt ist, dass die Schutzgüter des § 74 Abs. 2 GewO 1994 nicht schlechter gestellt werden; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2001/04/0047 -, sodass eine verfassungskonforme Interpretation des § 356 Abs. 3 GewO 1994 im Fall des § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 nicht angezeigt ist.

Der Beschwerdeführer, dem nach dem Gesagten schon im gegenständlichen Anzeigeverfahren keine Parteistellung und kein subjektiv-öffentliches Recht auf Untersagung der angezeigten Änderung der Betriebsanlage zukam, kann daher in einem solchen Recht auch durch den angefochtenen Bescheid im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG nicht verletzt sein. Daran ändert nichts, dass ihm die belangte Behörde unzutreffend die Parteistellung im Verwaltungsverfahren zuerkannt hat (vgl. dazu die bei Mayer, B-VG, 2007, unter II.2. zu Art. 131 referierte Judikatur).

Die Beschwerde war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 29. Oktober 2008

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