VwGH 2008/03/0164

VwGH2008/03/016417.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über den Antrag der S Verwertungsgesellschaft & Co in S, vertreten durch Liebscher Hübel und Lang, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Paris-Lodron-Strasse 19, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 31. Jänner 2008, Zl. BMVIT-820.271/0007-IV/SCH2/2007 (mitbeteiligte Partei: Ö AG, W), betreffend eisenbahnrechtliche Baubewilligung, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;
AVG §71;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit Bescheid vom 31. Jänner 2008 erteilte der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (u a) der mitbeteiligten Partei die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung zum Umbau des Hauptbahnhofes S und zur Errichtung einer provisorischen Containeranlage für die Dauer dieses Umbaus, verbunden mit der Bewilligung zur Inbetriebnahme der provisorischen Containeranlagen. Ferner wurde mit diesem Bescheid festgestellt, dass der durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung zum Umbau des genannten Hauptbahnhofs entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer ist als der Nachteil, der den Parteien durch die Genehmigung des Bauvorhabens erwächst. Die im Rahmen des Verfahrens betreffend den Umbau des Bahnhofes S Hauptbahnhof erhobenen Einwendungen, Anträge und sonstige Vorbringen wurden als unbegründet abgewiesen, zivilrechtliche Ansprüche wurden zurückgewiesen und auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtete die beschwerdeführende Partei zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 16. Juni 2008, B 550/08).

Mit hg Beschluss vom 23. Oktober 2008, Zl 2008/03/0102, wurde das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingestellt, weil die Beschwerdeführerin dem ihr nach der besagten Abtretung erteilten Verbesserungsauftrag nur zum Teil nachkam.

Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 18. November 2008 zugestellt. Mit dem am 25. November 2008 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte sie nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde gegen den genannten Bescheid.

Begründet wurde dieser Antrag im Wesentlichen damit, dass der Schriftsatz zur Mängelbehebung vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers fristgerecht am 9. September 2008 erstellt und auf der Rubrik der Beschwerde auch die zu übermittelnden Beilagen - unter anderem die Verfassungsgerichtshofsbeschwerde - angeführt worden sei. Letztlich sei der Schriftsatz zur Mängelbehebung auch fristgerecht am 11. September 2008 zur Post gegeben worden. Nach Erstellung dieses Schriftsatzes seien auf Anordnung des Rechtsanwalts von einer namentlich genannten Sekretärin auch die erforderlichen Beilagen für die Beschwerde vorbereitet worden. In der Folge sei der Schriftsatz vom Rechtsanwalt korrekturgelesen, unterfertigt und noch einmal bezüglich der vorbereiteten Beilagen kontrolliert worden. Auf Grund eines Versehens bzw Missgeschicks im Zusammenhang mit den zahlreichen zu kuvertierenden Schriftstücken unmittelbar vor dem Postaufgabezeitpunkt sei die Verfassungsgerichtshofsbeschwerde von der Sekretärin aber nicht als Beilage mitkuvertiert bzw mitgesendet worden. Vielmehr sei die an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde versehentlich im Akt der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin zurückgeblieben. Bei der Sekretärin handle es sich um eine äußerst zuverlässige, gewissenhafte und erfahrene Sekretärin, der ein derartiges Versehen (wie das Verabsäumen der Beifügung von notwendigen Unterlagen trotz vorangegangener Vorbereitung und Hinweise seitens des Rechtsanwaltes) noch nie unterlaufen sei. Vom Rechtsanwalt sei die Arbeitsweise der Sekretärin zuvor immer wieder regelmäßig und stichprobenartig überprüft worden, wobei jedoch bis zum nunmehrigen Versehen niemals irgendein erheblicher Fehler feststellbar gewesen sei. Die Sekretärin sei bereits sei mehr als 17 Jahren in der Kanzlei des Rechtsvertreters tätig, seit über zehn Jahren organisiere und nehme sie die Versendung der Schriftsätze samt Postaufgabe selbstständig vor, ohne dass ihr jemals ein derartiges Missgeschick, dass erforderliche Beilagen nicht mitgesendet worden seien, unterlaufen sei. Mit einem derartigen Versehen habe der Rechtsanwalt auf Grund der langjährigen Verlässlichkeit der Sekretärin sowie seiner vorangehenden Kontrollen nicht rechnen müssen. Vielmehr habe er davon ausgehen dürfen, dass die Sekretärin seinen Anweisungen Folge leisten und ein Schriftsatz samt allen Beilagen an den Verwaltungsgerichtshof übermitteln würde. Der Umstand, dass die Sekretärin entgegen der berechtigten Annahme des Rechtsanwalts den gegenständlichen Schriftsatz nicht vollständig mit den Beilagen an den Gerichtshof übermittelt habe, stelle ein unvorhergesehenes Ereignis dar, welches die Beschwerdeführerin letztlich an der fristgerechten Übermittlung der geforderten Beilage gehindert habe. Das bedauerliche und einmalige Versehen der Sekretärin sei dabei als solches minderen Grads zu bewerten, weil sie lediglich auf Grund einer Verkettung unglücklicher Umstände die vollständige Übermittlung des Schriftsatzes samt Beilagen an den Verwaltungsgerichtshof versäumt habe. Ein derartiges einmaliges Versehen könne auch einem ansonsten äußerst zuverlässigen und gewissenhaften Menschen unterlaufen, dieses einmalige Versehen stelle sich lediglich als leichte Fahrlässigkeit dar. Dieses Vorbringen wird durch Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung der in Rede stehenden Sekretärin bescheinigt.

Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein bevollmächtigter Vertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung und Wahrnehmung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, nach menschlichem Ermessen gesichert ist. So gehört es etwa zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrnehmung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt aber nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (vgl den hg Beschluss vom 14. November 2006, Zl 2006/03/0149).

Vor diesem Hintergrund erweist sich das bescheinigte Vorbringen der Beschwerdeführerin als zielführend: zur Versäumung der Beschwerdefrist ist es nur wegen eines Fehlers der Kanzleiangestellten ihrer Rechtsvertretung bei der Abfertigung gekommen (versehentliches Unterlassen der Kuvertierung der dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegenden Verfassungsgerichtshofsbeschwerde). Eine Verletzung der Organisations- oder Überwachungspflicht fällt den Organen der Beschwerdevertreterin nicht zur Last.

Im Hinblick darauf war dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 Abs 1 und 4 VwGG stattzugeben.

Wien, am 17. Dezember 2008

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