VwGH 2008/02/0164

VwGH2008/02/01644.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, in der Beschwerdesache 1. der G & P KEG in S, und 2. des U L R & B W in K, beide vertreten durch Mag. Gerald Gerstacker, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Schrannenplatz 3/I, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. April 2008, Zl. RU6- AB-382/005-2007, betreffend Genehmigung von sportlichen Veranstaltungen auf Straßen (§ 64 StVO), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1332;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde wurde den Beschwerdeführern der Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. April 2008 am 28. April 2008 zu Handen ihres Rechtsvertreters zugestellt. Die gegen diesen Bescheid gerichtete vorliegende Beschwerde wurde am 23. Juni 2008 zur Post gegeben.

Zu Spruchpunkt 1:

Zur Begründung ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde tragen die Beschwerdeführer vor, in der Kanzlei des Beschwerdevertreters sei am 25. April 2008 die eingehende Post von einer Angestellten bearbeitet worden. Sie habe auf den Poststücken die Eingangsstempel angebracht und die jeweiligen Fristen und Termine eingetragen. Bei gegenständlichem Bescheid habe sie die Beschwerdefrist von sechs Wochen festgehalten, indem sie beim Hinweis nach der Rechtsmittelbelehrung die 6-wöchige Frist abgehakt und auf dem Eingangsstempel und im Kanzleikalender als Fristende den 16. Juni 2008 eingetragen habe. Bei der Fristberechnung habe sie sich eines Wochenkalenders mit jeweils einem Blatt pro Woche bedient und irrtümlich die Frist nach sieben Wochen enden lassen. Sie habe vermutlich zwei Kalenderblätter zusammen genommen, so sei ihr ein Irrtum um exakt eine Woche unterlaufen. Die mit der Postbearbeitung betraute Sekretärin weise eine Berufspraxis von 14 Jahren in Rechtsanwaltskanzleien auf und sei auch mit der verlässlichen und korrekten Wahrnehmung von Fristen bestens vertraut. Beim einschreitenden Rechtsvertreter sei sie seit 11. Februar 2008 beschäftigt und von Anfang an mit der Postbearbeitung befasst. Der Vertreter der Beschwerdeführer kontrolliere immer wieder stichprobenartig die Eintragung von Fristen und Terminen, überprüfe aber nicht jede einzelne. Im konkreten Fall habe er geprüft, ob die Beschwerdefrist ausgerechnet und in den Kalender eingetragen worden sei; es sei ihm aber der Irrtum der tatsächlich eingetragenen 7-Wochenfrist nicht aufgefallen. Sowohl ihm als auch seiner Dienstnehmerin sei ein Fehler wie der gegenständliche das erste Mal unterlaufen.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten ist dann ein Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenen Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt die Aufgaben, die ihm gegenüber seinen Klienten erwachsen, auch insoweit erfüllen muss, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muss gegenüber diesem Apparat alle Vorsorgen treffen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Insbesondere muss der Anwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen eine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0253, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof geht ferner in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen kann. Hingegen ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung (vgl. auch dazu den zitierten Beschluss vom 27. Jänner 1997, mwN). Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang gleichfalls wiederholt ausgesprochen hat, darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig einer Kanzleikraft überlassen und sich nur auf stichprobenartige Kontrollen beschränken (vgl. den hg. Beschluss vom 21. Oktober 1992, Zlen. 92/02/0247 bis 0249). Kommt der Rechtsanwalt im erwähnten Zusammenhang seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Jänner 1999, Zl. 98/02/0412, mwN).

Im Beschwerdefall hat der Rechtsanwalt nach den Darlegungen des Antrages die Berechnung der Beschwerdefrist nicht selbst vorgenommen, sondern dies einer seiner Angestellten überlassen. Damit hat er selbst weder auf die richtige Berechnung noch auf die richtige Eintragung des Endes der Beschwerdefrist im konkreten Einzelfall abzielende Maßnahmen gesetzt. Die Berufung auf das "Überblättern" durch die Kanzleiangestellte ist im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht zielführend, weil es nicht darauf ankommt, ob der Kanzleiangestellten ein Verschulden bzw. ein den minderen Grad eines Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung vorzuwerfen ist. Schon aus den Behauptungen des Antrages geht somit hervor, dass im Beschwerdefall der einschreitende Rechtsanwalt die Frist nicht selbst berechnete, sondern nur überprüft hat, ob die Beschwerdefrist ausgerechnet und in den Kalender eingetragen worden sei, wobei ihm die Unrichtigkeit der eingetragenen 7-Wochenfrist nicht auffiel. Daraus ergibt sich, dass auch kein auf die Überprüfung der Eintragung von richtig ermittelten Fristen gerichtetes (ausreichendes) Kontrollsystem bestand, sodass bei dieser Sachlage nicht davon gesprochen werden kann, dass nur ein Verschulden des Rechtsanwaltes vorlag, das den minderen Grad des Versehens nicht überstiegen hat.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war demnach nicht stattzugeben.

Zu Spruchpunkt 2: Wie aus der eingangs widergegebenen Sachverhaltsdarstellung ersichtlich, wurde die vorliegende Beschwerde erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 VwGG erhoben. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 4. Juli 2008

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