VwGH 2007/21/0335

VwGH2007/21/033523.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der E in E, geboren 1984, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 26. Juni 2007, Zl. uvs- 2006/30/3530-17, betreffend u.a. Abschiebung, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §46 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §46 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der genannte Bescheid wird in seinem angefochtenen Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem - allein in Beschwerde gezogenen - Spruchpunkt II. ihres Bescheides vom 26. Juni 2007 wies die belangte Behörde die Maßnahmenbeschwerde der Beschwerdeführerin, einer seit 22. Dezember 2006 mit einem Österreicher verheirateten Staatsangehörigen von Nigeria, gegen ihre am 16. November 2006 erfolgte Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 Abs. 1 Z. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG als unbegründet ab.

Begründend stellte sie fest, die Beschwerdeführerin sei am 12. Jänner 2005 illegal nach Österreich eingereist und habe am selben Tag - unter bewusster Angabe eines falschen Asylgrundes - einen Asylantrag gestellt. Dieser sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. November 2006 abgewiesen worden. Zugleich sei festgestellt worden, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria - wohin die Beschwerdeführerin unter einem ausgewiesen wurde - zulässig sei. Ab der Zustellung dieses Bescheides (am 14. November 2006) habe sie sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Der Umstand, dass ihre Eheschließung mit einem Österreicher für den 25. November 2006 geplant und das Aufgebot bereits zum Zeitpunkt ihrer Festnahme, am 14. November 2006, bestellt gewesen sei, ändere daran nichts.

Weiters habe die Beschwerdeführerin - rechtsfreundlich vertreten - am 15. November 2006 einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit ihrer Abschiebung nach Nigeria gemäß § 51 Abs. 1 FPG eingebracht, der jedoch noch am selben Tag gemäß § 51 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 4 FPG zurückgewiesen worden sei. Die Beschwerdeführerin sei daher zu Recht am 16. November 2006 auf dem Luftweg nach Nigeria abgeschoben worden. Ihrer gegen den genannten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. November 2006 erhobenen (zur hg. Zl. 2006/20/0776 protokollierten) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die sie überdies in der Folge zurückgezogen habe, sei erst mit hg. Beschluss vom 12. Dezember 2006 (zu Zl. AW 2006/20/0583) die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Rechtlich erachtete die belangte Behörde die genannte Abschiebung, gestützt auf den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. November 2006, der die Zulässigkeit einer Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria festgestellt habe, für rechtmäßig.

Der am 15. November 2006 eingebrachte und noch am selben Tag zurückgewiesene Antrag nach § 51 FPG sei der Abschiebung rechtlich nicht im Wege gestanden. Ein solcher Antrag könne nämlich gemäß § 51 Abs. 2 FPG ausnahmslos nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; er entfalte nur dann seine die Abschiebung in ein bestimmtes Land hemmende Wirkung, wenn er nicht nach § 51 Abs. 1 oder 2 FPG zurückzuweisen wäre. Gegenständlich sei jedoch am Tag der Antragseinbringung (15. November 2006) das Ausweisungsverfahren nach den asylrechtlichen Bestimmungen bereits rechtskräftig abgeschlossen und nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen kein Ausweisungs- oder Aufenthaltsverbotsverfahren anhängig gewesen. Ein Abschiebungsaufschub nach § 46 Abs. 3 FPG sei "von der Beschwerdeführerin nicht eingebracht und von Amts wegen nicht erteilt" worden.

Auch die geplante Eheschließung der Beschwerdeführerin mache ihre am 16. November 2006 erfolgte Abschiebung nicht rechtswidrig, weil sie damals noch ledig gewesen sei und sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Eine Verletzung des Art. 8 EMRK sei nicht zu erkennen, weil die Beschwerdeführerin ihren - zudem lediglich knapp zweijährigen -

Aufenthalt in Österreich nur durch bewusst falsche Angaben in ihrem Asylverfahren erwirkt habe. Dazu komme, dass ihre Wiedereinreise nach Österreich und die geplante Eheschließung bereits im Dezember 2006 möglich gewesen und tatsächlich erfolgt seien. Der Eingriff sei daher zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere eines möglichst funktionierenden und geordneten Asyl- und Fremdenpolizeiwesens, notwendig und geboten gewesen. Andernfalls wäre es nahe gelegen, dass die massiv ausreiseunwillige Beschwerdeführerin schon im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wäre. Die Beschwerdeführerin sei daher durch die bekämpfte Abschiebung, die zur Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt sei, nicht in ihren Rechten verletzt worden, sodass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

§ 46 Abs. 1 Z. 3 FPG normiert, dass Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung (§§ 53, 54 FPG und § 10 Asylgesetz 2005) durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden können (Abschiebung), wenn auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen. Diese Bestimmung sieht keine unbedingte Abschiebeverpflichtung vor, sondern stellt die Abschiebung in behördliches Ermessen. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei zu berücksichtigen dass die Beschwerdeführerin, was der abschiebenden Behörde bekannt war, ihre Eheschließung für den 25. November 2006, also nur wenige Tage nach der von der belangten Behörde gebilligten Abschiebung, angesetzt hatte. Da Umstände, aus denen eine erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen gerade auf Grund eines weiteren Aufenthaltes bis zu diesem Termin abgeleitet werden könnte, weder (im angefochtenen Bescheid) angeführt wurden, noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich sind, erweist sich die Abschiebung der Beschwerdeführerin unmittelbar vor der geplanten Eheschließung - innerhalb der zeitlichen Grenzen eines Durchsetzungsaufschubes nach § 67 Abs. 1 FPG - als unverhältnismäßig.

Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war somit schon deshalb, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. Oktober 2008

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