VwGH 2007/21/0329

VwGH2007/21/032917.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Nikolaus Schirnhofer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Aspernbrückengasse 4/8a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. August 2006, Zl. Fr 438/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung führte sie aus, der 1974 geborene Beschwerdeführer, der sich seit Juni 2003 in Österreich aufhalte, habe am 14. August 2003 die 1954 geborene österreichische Staatsangehörige M. nur zu dem Zweck geheiratet, um für Österreich einen Aufenthaltstitel sowie eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung zu erhalten. Die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK sei nicht geplant gewesen. Tatsächlich sei ihm eine Niederlassungsbewilligung mit einer Gültigkeit bis 11. Dezember 2004 erteilt worden.

Das Fehlen eines Familienlebens und der Absicht, ein solches zu führen, ergebe sich aus der - wenn auch später widerrufenen - Aussage der M. vom 18. November 2004, die damals das Vorliegen einer Scheinehe ausdrücklich eingeräumt habe. M. habe zudem dargelegt, sie hätte für das Eingehen einer Scheinehe vom Beschwerdeführer, den sie nur auf Grund einer finanziellen Notlage geheiratet habe, insgesamt EUR 10.000,-- erhalten. Außerdem wolle sie nicht, dass der Beschwerdeführer nunmehr seine drei Kinder aus erster Ehe - für die sie selbst entsprechende Verpflichtungserklärungen abgegeben habe - aus der Türkei nach Österreich kommen lasse.

Der Beschwerdeführer habe sich, so führte die belangte Behörde weiter aus, betreffend finanzielle Gegenleistungen durch ihn widersprüchlich verantwortet. So habe er bei seiner Einvernahme am 4. Februar 2005 angegeben, M. nie Geld bezahlt zu haben. In seiner Berufung an die belangte Behörde habe er dagegen dargelegt, ein von ihm an M. geleisteter Vermögensvorteil sei zwar im Zusammenhang mit der Eheschließung gestanden, aber kein Entgelt für eine Scheinehe gewesen; "es (sei) im Kulturkreis (des Beschwerdeführers) heutzutage durchaus üblich, dass (auch bzw. insbesondere) der Ehemann zum Beginn einer Ehe einen größeren Vermögensbetrag zwecks Anschaffung gemeinsamer Gebrauchsgüter, Ausstattung bzw. Absicherung der Ehefrau etc. aufbring(e)".

In seiner Aussage vom 26. November 2003 habe der Beschwerdeführer angegeben, bei der Hochzeit bzw. der Hochzeitsfeier wären u.a. die drei Kleinkinder der M. anwesend gewesen. Die (einzige) Tochter der M. sei damals jedoch bereits 14 Jahre alt gewesen. Der Beschwerdeführer habe anscheinend die zur Hochzeit mitgekommenen vier Kleinkinder der Cousine von M. dieser zugeordnet, wogegen zu erwarten wäre, dass bei einer Eheschließung "unter normalen Umständen" (also zumindest bei gegenseitiger Zuneigung) dem Ehegatten die "in die Ehe mitgebrachten Kleinkinder" bekannt wären.

Dazu komme, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 26. November 2003 eingeräumt habe, über keinen gemeinsamen Haushalt mit M. zu verfügen. Er habe jedoch angegeben, es gäbe wechselseitige Besuche. Dazu habe er in seiner Berufungsschrift näher ausgeführt, er würde mit M. in seiner Wohnung in T. dienstags und samstags Zeit verbringen. Dagegen habe M. am 16. Juni 2006 ausgesagt, ihr wäre unbekannt, wo sich die genannte Wohnung befunden hätte. Es erschiene ungewöhnlich, dass ein Ehepartner nach mehrmaligen Besuchen nicht mehr wüsste, in welchem Ort eine solche Wohnung gewesen sei. Weiters habe M. eingeräumt, dass sie die nunmehrige Wohnung des Beschwerdeführers noch nie gesehen habe. Sie habe vielmehr am 16. Juni 2006 ausgeführt, gemeinsame Zeit mit dem Beschwerdeführer in ihrer eigenen Wohnung verbracht zu haben, der hingegen am 26. November 2003 angegeben habe, nicht einmal die Adresse dieser Wohnung zu kennen. Hieraus sei zu schließen, dass nicht einmal die behaupteten wechselseitigen Besuche stattgefunden hätten. Insgesamt erscheine daher die Aussage der M. vom 18. November 2004 betreffend das Vorliegen einer Scheinehe als glaubwürdig. Ihren späteren Aussagen, in denen sie davon abgewichen sei und die ersten Angaben mit einem Streit begründet habe, könne dagegen nicht gefolgt werden.

Es sei also der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt, der - so sind die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde zu verstehen - für die Prognosebeurteilung bei einem Aufenthaltsverbot gegen einen Familienangehörigen einer österreichischen Staatsbürgerin gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 87 FPG als Orientierungsmaßstab heranzuziehen sei. Danach legte die belangte Behörde dar, dass das Verhalten des Beschwerdeführers die Annahme rechtfertigte, sein Aufenthalt im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung (das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen), zumal seit der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung noch nicht fünf Jahre vergangen seien.

In den weiteren Überlegungen ging die belangte Behörde angesichts des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Juni 2003 und einer hier ausgeübten Berufstätigkeit von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in sein Privatleben aus. Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass dies dem Beschwerdeführer lediglich durch die missbilligte Scheinehe möglich gewesen wäre. Die Integration des Beschwerdeführers sei durch die von ihm gesetzten rechtswidrigen Täuschungshandlungen beeinträchtigt. Dem großen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung komme ein hoher Stellenwert zu, sodass das Aufenthaltsverbot im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG könnten die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht als schwer wiegender beurteilt werden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Dies gelte insbesondere deshalb, weil sich seine drei Kinder (aus erster Ehe) nach wie vor in der Türkei aufhielten. Allfällige Privatinteressen an einem Weiterverbleib in Österreich hätten hinter die genannten öffentlichen Interessen zurückzutreten. Diese Überlegungen hätten auch für die Beurteilung des Ermessensspielraums zu gelten. Für den Beschwerdeführer sprechende "günstige Parameter" seien nicht zu erblicken. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes "für die Dauer von fünf Jahren (sei somit) dringend geboten und daher vertretbar".

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2007, B 1632/06-12, ablehnte und sie mit gesondertem Beschluss vom 22. August 2007 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, zur Entscheidung über die von ihm erhobene Berufung wäre nicht die belangte Behörde, sondern der unabhängige Verwaltungssenat zuständig gewesen. Dies trifft nach dem Inhalt der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 FPG jedoch nicht zu. Es bestehen nämlich nach der Aktenlage weder Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer Rechte aus dem Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 EWG-Türkei vom 19. September 1980 für sich in Anspruch nehmen könnte, noch dass die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte. Der Beschwerdeführer ist daher nicht als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" anzusehen, für die § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG eine Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen begründet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Februar 2008, Zl. 2006/21/0342 und Zl. 2006/21/0377, mwN).

Im Übrigen bestreitet der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Schein- bzw. Aufenthaltsehe. Dazu rügt er als Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass die belangte Behörde zu Unrecht der - nach einem Ehestreit erfolgten und später widerrufenen - Aussage seiner Ehefrau vom 18. November 2004 gefolgt sei, während sie ihren späteren Aussagen ausschließlich mit der Bemerkung, diesen werde kein Glauben geschenkt, also auf Grund unschlüssiger Beweiswürdigung, nicht gefolgt sei. Gerade der Umstand, dass seine eigene Aussage mit der von M. keine "100 prozentige Überdeckung" aufweise, indiziere, dass diese nicht abgesprochen und daher richtig seien. Läge eine bloße Scheinehe vor, bei der kein Kontakt zwischen den Ehegatten bestehe, würde sich ein Beweggrund für Streitigkeiten deshalb, weil der Beschwerdeführer seine in der Türkei lebenden Kinder nach Österreich bringen wolle, "nicht abzeichnen". Vielmehr wären im Beschwerdefall "emotionale, partnerschaftliche Gründe maßgeblich" gewesen, weshalb sich M. zu einer derartigen - ihn belastenden - Aussage habe hinreißen lassen.

Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis - nämlich keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde den oben einzeln dargestellten Widersprüchen, auf die die Beschwerde mit keinem Wort Bezug nimmt, mehr Gewicht beigemessen hat als den in der Beschwerde angeführten Umständen. Dazu kommt, dass die Streitigkeiten zwischen den "Eheleuten" auf die von M. - aus welchen Motiven immer - abgegebene Verpflichtungserklärung für die Kinder des Beschwerdeführers zurückzuführen waren und daher in erster Linie wirtschaftlich motiviert erscheinen. Die Bejahung hierauf gegründete Kontakte nach einem nur zum Schein erfolgten Abschluss einer Ehe erweist sich keinesfalls als Ergebnis einer unschlüssigen Beweiswürdigung. Dazu kommt, dass das Beschwerdevorbringen, es fehle bloß eine vollständige Überdeckung beider Aussagen, den von der belangten Behörde überzeugend dargestellten erheblichen Widersprüchlichkeiten nicht gerecht wird.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe ist davon auszugehen, dass der - für die Gefährdungsannahme im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG als Orientierungsmaßstab maßgebliche - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht wurde (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/21/0047).

Die Beschwerde, die die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung und ihre Ausführungen zur Ausübung des Ermessens (zu Recht) unbekämpft lässt, war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Juli 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte