Normen
AVG §58 Abs2;
FrPolG 2005 §11 Abs1;
FrPolG 2005 §11 Abs2;
FrPolG 2005 §11 Abs6;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §58 Abs2;
FrPolG 2005 §11 Abs1;
FrPolG 2005 §11 Abs2;
FrPolG 2005 §11 Abs6;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine 1977 geborene Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, stellte am 14. November 2006 bei der Österreichischen Botschaft Sarajewo den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" zum Zweck des Besuchs von Familienangehörigen. Ein Aufenthalt sei in der Dauer von 90 Tagen beabsichtigt. Als einladende Person nannte sie den österreichischen Staatsangehörigen W.
Mit Erledigung vom 16. November 2006 trug die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Verbesserung folgender Mängel ihrer Eingabe auf: Es fehle der Nachweis familiärer, sozialer und wirtschaftlicher Bindungen an ihr Heimatland zur Dokumentation einer unzweifelhaften Rückkehrwilligkeit, weiters ein Nachweis "der Finanzierung des Lebensunterhaltes in BiH". Auch werde eine schriftliche Begründung "für 90 Tage Aufenthalt; genaue Angabe des Reisezwecks" gefordert.
Hiezu führte der Einlader W. am 28. November 2006 in einer Eingabe an die belangte Behörde aus, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um die Schwester seiner Ehefrau, einer in Bosnien/Herzegowina geborenen österreichischen Staatsbürgerin, handle. Eine weitere Schwester der Beschwerdeführerin habe "einen aufrechten Molkereivertrag (Ausstellung nur auf eine Person möglich)". Sie und die Beschwerdeführerin betrieben zusammen diese Milchwirtschaft, was ein kleines, "aber für Bosnien wenigstens ein eigenes Einkommen" bedeute. Es gäbe familiär keinen Grund, der eine Rückkehr nicht ermöglichte, insbesondere habe sie Grundeigentum. Ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich nach Ablauf des Visums wäre nicht möglich. Es läge ihr als rechtschaffene, gesetzestreue Staatsbürgerin fern, durch Gesetzesbruch eine Rückkehr bzw. eine Zukunft - in welchem Land auch immer - "zu verbauen". Nach mehreren Schicksalsschlägen (monatelanger Krankenhausaufenthalt seiner Frau, Tod eines Sohnes im Jahr 2005) hätten sie versucht, seiner Frau psychische Unterstützung zu geben, und zwar durch die Einladung von Familienangehörigen nach Österreich. Zusätzlich befinde sich nun "unser" Großvater im Krankenhaus (Sterbebett). Die Einladungen erstreckten sich deshalb über größere Zeiträume (90 Tage), weil sonst zu große - jedenfalls erwachsende - Kosten entstünden und sich auch ein größerer Unterstützungseffekt ergäbe. Nebenbei ermögliche es dem Gast, die fremde Kultur und Sprache besser kennen und verstehen zu lernen. Überdies gäbe es saisonbedingt in der Landwirtschaft einen geringeren Arbeitsaufwand, was "eine Auszeit" leichter ermögliche.
Am 10. Dezember 2006 wurde diese Mitteilung dahin ergänzt, dass der genannte Großvater mit gestrigem Tag verstorben sei. Zugleich erfolgte ein Hinweis auf mehrfache Einladungen von Familienangehörigen in der Vergangenheit, wobei stets alle Vorgaben erfüllt worden seien.
Ungeachtet dieser Stellungnahme wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen der dafür vorgesehenen Felder zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (die Wiederausreise des Fremden erscheine gesichert) als nicht erfüllt erachtete. Auch stünden öffentliche Interessen der Erteilung eines Visums entgegen, weil der Aufenthalt des Fremden die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen würde (§ 21 Abs. 5 Z 5 FPG).
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Wie dargestellt, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung nur mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 1 Z 2 und § 21 Abs. 5 Z 5 FPG begründet. Das allein stellt freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel dar, genügt es demnach doch (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG), dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0104).
Im erwähnten Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat sich der Verwaltungsgerichtshof näher mit § 21 Abs. 1 Z 2 FPG beschäftigt. Insbesondere wurde zum Ausdruck gebracht, es dürfe nicht ohne Weiteres (generell) unterstellt werden, dass Fremde - mag es auch einzelne Gesichtspunkte geben, die auf ein Naheverhältnis zu Österreich oder auf eine bloß "lockere" Verbindung zum Herkunftsland hinweisen - unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin in Österreich (unrechtmäßig) aufhältig bleiben werden. Es bedürfte vielmehr konkreter Anhaltspunkte in dieser Richtung; andernfalls werde davon auszugehen sein, dass die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheine. Liegen entsprechende Anhaltspunkte für den Verdacht eines Verbleibens in Österreich über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus vor, die die Behörde im Rahmen ihrer sich aus § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG resultierenden Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs gegenüber dem Fremden konkret darzulegen hat, so ist es dessen Sache, die sich daraus ergebenden Bedenken durch unter Beweis zu stellendes geeignetes Vorbringen zu zerstreuen.
Im Hinblick auf das dargestellte - von der belangten Behörde unwidersprochen gebliebene - Vorbringen, die Beschwerdeführerin betreibe gemeinsam mit ihrer Schwester eine Milchwirtschaft und verfüge in ihrem Heimatstaat über Grundeigentum, liegen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keine konkreten Indizien dafür vor, sie werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Visums in Österreich verbleiben. Insbesondere kann nicht gesagt werden, sie hätte keine festen wirtschaftlichen Bindungen zu ihrem Heimatstaat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0207).
Im Umfang des Tatbestandes nach § 21 Abs. 5 Z 5 FPG (der Aufenthalt der Beschwerdeführerin würde die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen) führte die Beschwerde aus, die Heranziehung dieses Versagungsgrundes sei "haltlos an den Haaren herbeigezogen und in keiner Weise nachvollziehbar". Die belangte Behörde räumt dazu in ihrer Gegenschrift ein, insoweit sei lediglich "irrtümlich ein nicht zutreffender Ablehnungsgrund angekreuzt" worden. Es ist demnach - jedenfalls im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof -
unstrittig, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der genannten Bestimmung nicht vorliegen.
Auf andere Bestimmungen, etwa die des § 21 Abs. 5 Z 3 FPG, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht gestützt, sodass auf die dazu in der Gegenschrift erstatteten Ausführungen nicht inhaltlich einzugehen war.
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 19. Juni 2008
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)