Normen
AVG §60;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §60;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 18. Dezember 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 iVm § 86 Abs. 1 und 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der (im November 2004 eingereiste) Beschwerdeführer habe am 5. April 2005 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Mangels Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen sei er nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen. Er sei jedoch Familienangehöriger einer österreichischen Staatsangehörigen im Sinne von § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG, weshalb für die Erlassung des Aufenthaltsverbots die §§ 86 Abs. 1 und 87 FPG heranzuziehen seien.
Die Behörde erster Instanz habe die Ehe des Beschwerdeführers auf Grund mehrerer Tatsachen als Scheinehe beurteilt. Diesen "Feststellungen", welche ausdrücklich zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhoben würden, könne nicht entgegen getreten werden. Die Ehegattin des Beschwerdeführers sei am 3. Februar 2006, der Beschwerdeführer am 28. April 2006 niederschriftlich einvernommen worden. Dabei hätten sich die Verdachtsmomente für das Vorliegen einer Scheinehe bestätigt. Die Behörde erster Instanz sei zum Schluss gekommen, dass ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht bestanden habe. Dies sei auch im Zusammenhang mit der (Zurückziehung der) Ehenichtigerklärungsklage nicht entkräftet worden. Die Gattin habe bei ihrer Einvernahme am 3. Februar 2006 ganz eindeutig das Vorliegen einer Scheinehe bestätigt und ausgeführt, dass die Ehe lediglich "wegen des Geldvorteils" eingegangen worden sei. Durch diese Niederschrift werde der Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe nicht nur erhärtet, sondern sogar ausdrücklich bestätigt. Die Glaubwürdigkeit der Gattin werde auch durch den Umstand, dass für sie ein Sachwalter bestellt worden sei, nicht entkräftet. Sämtliche niederschriftlichen Einvernahmen hätten keine Beweise dafür geliefert, dass es sich um eine "normale Ehe" gehandelt habe.
Angesichts der Feststellungen zum Vorliegen einer Scheinehe sei der - bei der Beurteilung gemäß § 86 Abs. 1 FPG als Orientierungsmaßstab heranzuziehende - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. erfüllt. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten bewiesen, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Durch das Eingehen einer Scheinehe werde das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens beeinträchtigt. Die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG seien daher erfüllt. Auf Grund des relativ kurzen Aufenthalts und der groben Missachtung der österreichischen Rechtsordnung könne keine positive Prognose für das künftige Verhalten des Beschwerdeführers erstellt werden. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte sei jedenfalls zulässig, weil das Aufenthaltsverbot unbedingt erforderlich sei, um die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenpolizeiwesens sicherzustellen. Eine intensive familiäre oder private Bindung zum Bundesgebiet sei nicht gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Da der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und im Hinblick darauf Familienangehöriger im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist, hat die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot zu Recht auf den gemäß § 87 FPG auch auf Familienangehörige von Österreichern anwendbaren § 86 Abs. 1 leg. cit. gestützt.
Weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe und er im Hinblick darauf ein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG sei. Es bestehen daher auch gegen die Zuständigkeit der belangten Behörde für die Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG keine Bedenken.
Gemäß § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Bei der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG zurückgegriffen werden (vgl. etwas das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0275). Gemäß § 60 Abs. 2 leg. cit. hat als bestimmte ein Aufenthaltsverbot rechtfertigende Tatsache insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 9) eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.
2. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, für das Vorliegen einer Scheinehe sei erforderlich, dass sowohl der Fremde als auch der Ehegatte die Ehe lediglich zum Zweck der Erlangung einer Niederlassungsbewilligung durch den Fremden geschlossen hätten. Dass dies jedenfalls bei seiner Ehegattin nicht der Fall gewesen sei, ergebe sich nicht nur aus der Zurückziehung der Ehenichtigkeitsklage durch die Staatsanwaltschaft, sondern auch aus den niederschriftlichen Angaben der Ehegattin.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil es für die Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG nur darauf ankommt, dass der Fremde eine Ehe geschlossen hat und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat, ohne ein gemeinsames Familienleben zu führen.
3. Zur Beweiswürdigung führte die belangte Behörde vor allem ins Treffen, dass die Gattin des Beschwerdeführers bei der Einvernahme am 3. Februar 2006 das Vorliegen einer Scheinehe ausdrücklich und eindeutig bestätigt habe. Die Gattin habe zugegeben, die Ehe nur wegen "des Geldvorteils" eingegangen zu seien.
In der bei den Verwaltungsakten erliegenden Niederschrift vom 3. Februar 2006 findet sich jedoch keine Aussage der Gattin, dass es sich bei der Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine "Scheinehe" gehandelt habe. Vielmehr hat die Gattin bei dieser Vernehmung ausgesagt, dass ihr der Beschwerdeführer anlässlich der Eheschließung versprochen habe, ihr laufend Geld für die Haushaltsführung zu übergeben. Unmittelbar nach der Eheschließung habe sie EUR 700,-- in bar erhalten. Sie glaube nicht, dass der Beschwerdeführer die Ehe nur geschlossen habe, um eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten. Die Ehe sei in Ordnung. Sie koche und wasche für den Beschwerdeführer. Diesem schmecke alles, was sie koche. Liebe gehe bekanntlich durch den Magen. Wenn er nicht bei ihr schlafe, rufe er sie vorher über eine Nachbarin an und frage sie, wie es ihr gehe. Nächste Woche bekomme sie ein Handy vom Beschwerdeführer. Es gebe Leute, die ihr nicht vergönnten, (mit dem Beschwerdeführer) verheiratet und dabei glücklich zu sein. Der Beschwerdeführer wohne seit Dezember 2005 wieder in der Wohnung der Beschwerdeführerin und habe dort auch seine persönlichen Gegenstände verwahrt. Die Beschwerdeführerin führe den Haushalt. Sie sei froh, dass es jetzt so laufe. Was sie brauche, bekomme sie vom Beschwerdeführer. Letzte Woche habe er ihr EUR 100,-- vorbeigebracht. Im Juni 2006 würden die Kinder des Beschwerdeführer zu Besuch kommen und bei ihr wohnen. Sie führe ein richtiges Familienleben mit dem Beschwerdeführer.
Aus dieser Aussage lässt sich entgegen der Ansicht der belangten Behörde keinesfalls ohne weiteres ableiten, dass die Ehe nur zum Schein geschlossen worden sei und es der Gattin dabei nur auf ihren finanziellen Vorteil angekommen sei.
Die belangte Behörde hat sich jedoch - zulässiger Weise (vgl die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E56 ff zu § 60 AVG angeführte hg. Judikatur) - auch auf die Ausführungen der Behörde erster Instanz berufen und diese ausdrücklich zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhoben.
Die Behörde erster Instanz hat ihre Beweiswürdigung vor allem auf die "krassen Widersprüche" zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers vom 28. April 2006 und der Gattin vom 3. Februar 2006 gestützt. Konkrete Feststellungen, um welche Widersprüche es sich hier bei handelt, fehlen jedoch zur Gänze. Weiters ist im Bescheid der Behörde erster Instanz die Aussage des Beschwerdeführers wiedergegeben, wonach seine geschiedene Gattin, mit der er zwei Kinder habe, an der von ihm als Heimatadresse angegebenen Anschrift wohnhaft sei und er seine Kinder im Jahr 2005 insgesamt fünf oder sechs Mal besucht habe. Aus dieser Aussage werden jedoch im Bescheid der Behörde erster Instanz keine Schlüsse gezogen. Überdies wird im erstinstanzlichen Bescheid darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer die Aussage seiner österreichischen Gattin, wonach die Gatten nie geschlechtlich miteinander verkehrt hätten, bestritten habe. Eine beweiswürdigende Auseinadersetzung, welcher dieser beiden Aussagen mehr Glaubwürdigkeit zukomme, fehlt allerdings. Schließlich führte die Behörde erster Instanz aus, der Beschwerdeführer habe als 33- jähriger Mann der 53-jährigen besachwalterten und in einem schlechten psychischen Zustand befindlichen Frau - unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers, weil er selber nicht ausreichend Deutsch spreche - Liebe und ehrliche Absichten vorgespiegelt, um sie so zur Eheschließung zu bewegen. Dazu ist auszuführen, dass mangelnde Sprachkenntnisse, der große Altersunterschied sowie die schlechte psychische Verfassung der Gattin zwar bei der Beweiswürdigung bedeutsame Umstände darstellen, jedoch die Beweiswürdigung der belangten Behörde - auch unter Berücksichtigung des Verweises auf den Bescheid der Behörde erster Instanz - auf Grund der dargestellten unzureichenden Begründung und der Missinterpretation der Aussage der Gattin insgesamt nicht als schlüssig angesehen werden kann.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. Mai 2008
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