Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §38;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs2;
BDG 1979 §95 Abs3;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
StGB §35;
VStG §3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §38;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs2;
BDG 1979 §95 Abs3;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
StGB §35;
VStG §3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Strafausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Der im Jahr 1961 geborene Beschwerdeführer stand als Amtsoberverwalter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und war vom 1. Jänner 1999 bis zu der (mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 4. Juli 2001 gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979) ausgesprochenen Suspendierung vom Dienst Leiter des Postamtes in G.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. November 2002 (bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 7. August 2003) wurde der Beschwerdeführer des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs. 1 StGB auf drei Jahre bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt.
Nach dem Schuldspruch dieses rechtskräftigen Strafurteiles wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof)
"in G. bzw. W. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Österreichischen Postsparkasse Wien, durch die Vorspiegelung, eine Kundin wolle Wertpapiere verkaufen sowie unter Vorspiegelung, zur Abhebung nachstehender Beträge vom Konto der A. S. berechtigt zu sein, also durch Täuschung über Tatsachen zur Freigabe von Wertpapieren zum Verkauf veranlasst, also zu Handlungen verleitet, welche die Postsparkasse in einem EUR 2.000,00 übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte und zwar
- 1. am 10.02.2000; Schaden EUR 2.252,86;
- 2. am 19.04,2000; Schaden EUR 523,24;
- 3. am 05.04.2000; Schaden EUR 394,68;
- 4. am 05.04.2000; Schaden EUR 1.760,88;
- 5. am 17.04.2000; Schaden EUR 4.597,60;
- 6. am 17.04.2000; Schaden EUR 10.697,40;
- 7. am 10.05.2000; Schaden EUR 4.573,80."
In der Begründung des Strafurteiles wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in den Aufgabenbereich des Beschwerdeführers unter anderem der Ankauf und der Verkauf von Privat-Bons gefallen sei, wobei er durch postinterne Aufzeichnungen die Nummern der Privat-Bon-Hefte sowie die Losungsworte gekannt habe. Bei PSK-Privat-Bons handle es sich um anonyme Sparpapiere, die mittels Losungswort behoben werden können. Der Sparer könne mit Hilfe einer Depotnummer und eines Losungswortes Einkäufe und Verkäufe tätigen.
Zu seiner Vorgangsweise bei der Tatbegehung wurde festgestellt, dass er ein neues Privat-Bon-Auftragsheft lautend auf die jeweilige Nummer ausgestellt und in der Folge einen Beleg mit Losungswort und Depotnummer ausgefüllt habe. Dann habe er in W. bei der Postsparkasse angerufen und dort das jeweilige Losungswort bekannt gegeben sowie wie viele Privat-Bons verkauft werden sollten. Für die Angestellten der Postsparkasse W. sei es so erschienen, als ob berechtigte Kunden Privat-Bons verkaufen wollten. Daraufhin sei ihm der entsprechende Geldwert mitgeteilt worden, welchen er dann auf einen Rückzahlungsbeleg geschrieben habe. Den Beleg habe er in den Ausgang gelegt und die jeweilige Summe wie einen normalen Sparbuchausgang verrechnet, indem er das Geld zu seinem eigenen Vorteil aus der Kassa genommen habe.
Der Beschwerdeführer habe durch seine Stellung als Leiter des Postamtes auch Zugang zu dem jeweiligen Losungswort gehabt und von den PSK-Privatbons der A. S. gewusst. Durch die zuvor geschilderte Vorgangsweise habe er zu den im Spruch des Strafurteiles genannten Zeitpunkten Barabhebungen des Verkaufserlöses von insgesamt 154 Stück PSK-Rent in der Gesamthöhe von EUR 10.089,32 sowie von insgesamt 193 Stück PSK-EURO-Rent in der Gesamthöhe von EUR 14.711,14 zu Lasten von A. S. durchgeführt. Dadurch habe die Postsparkasse W. einen Schaden in der Gesamthöhe von EUR 22.280,53 und den Zinsverlust in Höhe von 4 % seit 1. Mai 2000 erlitten, weil sie deren Kundin A. S. den von ihr erlittenen Schaden ersetzt habe.
Zur Persönlichkeit und zum psychischen Zustand des Beschwerdeführers führte das Landesgericht Salzburg zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer neurotische Störfaktoren zeige, welche jedoch keinen Krankheitswert erreichten. Er leide unter wiederkehrenden, depressiven Episoden, welche einen mittelschweren Ausprägungsgrad erreichen können. Seine Realitätskontrolle sei zwar mitunter störanfällig, eine Neigung zur wahnhaften Fehlinterpretation der Realität im Sinne der Geisteskrankheit bestehe beim Beschwerdeführer nicht. Seine intellektuelle Ausstattung sei ausreichend gut, sodass eine Intelligenzminderung (Schwachsinn) auszuschließen sei. Im Rahmen seiner depressiven Zustandsbilder habe der Beschwerdeführer eine erhöhte "Gier nach Dingen" verspürt und dabei massive Einkäufe getätigt, die eine Art "Selbstzuwendung" bzw. "Selbstbehandlung" dargestellt hätten. Durch sein wahlloses Kaufverhalten sei der Beschwerdeführer in eine finanzielle Notlage geraten und auf die Idee gekommen, sich seine Einkäufe dadurch zu ermöglichen, dass er vorgegeben habe, Kunden würden PSK-Privatbons verkaufen wollen.
Zu den Tatzeiten habe der Beschwerdeführer ein hoch manipulatives und intelligentes Manipulationsverhalten gehabt, wobei er durchaus fähig gewesen sei, gezielt zu handeln. Eine psychosewerte Depression habe bei ihm jedoch nicht vorgelegen. Der Ausprägungsgrad der Depression des Beschwerdeführers zu den Tatzeiten sei mittelschwer im Sinne der psychotischen Depression gewesen. Es habe beim Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt ein Unrechtseinsichtsvermögen bestanden; es habe bei ihm ein ausgeprägtes Schuldbewusstsein vorgelegen. Die neurotischen und depressiven Störfaktoren beim Beschwerdeführer, wie etwa seine "Gier nach Dingen", habe zu den Tatzeiten noch keinen Krankheitswert gehabt, sodass er zu den jeweiligen Tatzeiten auch nicht arbeitsunfähig gewesen sei. Er habe zu den jeweiligen Zeitpunkten der Tatbegehung sowohl das Unrecht einsehen können und auch die Fähigkeit gehabt, danach zu handeln. Das Unrechtseinsehungsvermögen des Beschwerdeführers sei weitgehend ungestört vorhanden gewesen; danach zu handeln sei durch depressive Mechanismen, wie seine "Gier nach Dingen", durch Enthemmung beeinträchtigt, aber nicht ausgeschlossen gewesen.
Der Beschwerdeführer sei zum gesamten Sachverhalt geständig gewesen, habe jedoch die Ansicht vertreten, zu den Tatzeitpunkten nicht zurechnungsfähig gewesen zu sein. Die Feststellungen hinsichtlich des psychischen Zustandes des Beschwerdeführers im Allgemeinen und zu den Tatzeitpunkten im Speziellen stützte das Strafgericht auf das Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen Prof. Dr. M., welches vom Privatgutachten Dris. L. nicht erschüttert werden habe können, und nahm von der vom Beschwerdeführer beantragten Einholung eines Obergutachtens Abstand.
Bei der Strafbemessung wertete das Gericht als erschwerend die oftmaligen Angriffe sowie den durch den Beschwerdeführer als Postamtsleiter herbeigeführten Vertrauensbruch; als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das Geständnis des Beschwerdeführers, seine beeinträchtigte Dispositionsfähigkeit sowie sein ernstliches Bemühen um Schadensgutmachung.
In dem sachgleichen, dieselbe Vorgangsweise des Beschwerdeführers betreffenden Disziplinarverfahren erkannte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen den Beschwerdeführer nach mündlicher Verhandlung mit Disziplinarerkenntnis vom 7. Dezember 2004 für schuldig, er habe - über seine strafgerichtliche Verantwortlichkeit hinaus - dadurch gegen die im § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 festgelegten Dienstpflichten, nämlich seiner dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu und gewissenhaft mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen. Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 126 Abs. 2 iVm § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Disziplinarerkenntnis vom 18. August 2005 hat die belangte Behörde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Disziplinarerkenntnis abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
In der Begründung stützte die belangte Behörde diese Entscheidung - im Anschluss an eine zusammenfassende Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung sowie neben Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen und Darlegung der von ihr als im vorliegenden Fall relevant erachteten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:
Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Strafurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. November 2002 des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146 und 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt worden sei. An der Rechtskraft dieses Strafurteiles vermöge auch die vom Beschwerdeführer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebrachte Beschwerde nichts zu ändern. § 95 Abs. 2 BDG 1979 normiere, dass die Disziplinarbehörde an den einem rechtskräftigen Strafurteil zu Grunde liegenden Sachverhalt gebunden sei. Diese Bindung der Disziplinarbehörde erstrecke sich auch auf die Feststellungen zur subjektiven Tatseite und damit zur Frage eines schuldhaften Fehlverhaltens im Sinne des § 91 BDG 1979. Das gelte auch für die Frage der Schuldfähigkeit bzw. Verringerung der Zurechnungsfähigkeit und des Grades des Verschuldens des Beschwerdeführers. Die Disziplinaroberkommission habe sich daher weder mit Sachverhalts- noch mit Schuldfragen auseinanderzusetzen und demnach auch kein Beweisverfahren durchzuführen gehabt, sodass auch die Einvernahme des (vom Beschwerdeführer beantragten) Zeugen F. zu unterbleiben habe und nur noch auf die Strafbemessung einzugehen sei.
Die Respektierung fremden Eigentums durch die im Unternehmen der Österreichischen Post AG Beschäftigten, welche in sämtlichen Bereichen ihrer Tätigkeit mit fremdem Eigentum in Berührung kommen bzw. solches ihnen anvertraut wird, sei oberstes Gebot zur Aufrechterhaltung des Betriebes. Der Beschwerdeführer habe mit den ihm gegenständlich angelasteten Vorgangsweisen das ihm vom Dienstgeber und vom Unternehmen entgegengebrachte Vertrauen gröblich verletzt und damit gegen die ihm auferlegten Dienstpflichten in schwer wiegender Weise verstoßen.
Zutreffenderweise sei daher die erstinstanzliche Disziplinarkommission in Ansehung der Schwere der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat davon ausgegangen, dass durch das Verhalten des Beschwerdeführers das Vertrauen der Allgemeinheit in seine Dienstführung erschüttert wurde und damit diese Verfehlungen als Dienstpflichtverletzungen iSd § 43 Abs. 2 BDG 1979 zu werten seien. Entgegen der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers ergebe sich daher daraus die Notwendigkeit einer zusätzlichen disziplinären Bestrafung.
Ein Beamter, der bei der Ausübung seines Dienstes bei der Österreichischen Post AG einen schweren Betrug begehe, sei grundsätzlich als Beamter nicht mehr tragbar, weil durch eine derartige Straftat das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten und der Allgemeinheit zerstört werde. In diesem Fall könne die sich aus spezialpräventiven Erwägungen ergebende Wahrungs-, Besserungs- und Sicherungsfunktion einer Disziplinarstrafe nicht zum Tragen kommen.
Ausgehend davon, dass sich der Beschwerdeführer bereits auf Grund der Schwere der wiederholten Dienstpflichtverletzungen für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis untragbar gemacht habe, erübrige sich daher eine nähere Erörterung hinsichtlich des Vorliegens allfälliger Milderungsgründe. So könne auch der dem Beschwerdeführer eventuell zuzugestehende Milderungsgrund der Arbeitsüberlastung nicht zum Tragen kommen, weshalb die Einvernahme des Zeugen F. auch in dieser Hinsicht entbehrlich gewesen sei.
Die belangte Behörde sei sich durchaus bewusst, dass die Entlassung als schwerste Disziplinarstrafe - im Hinblick auf ihre Auswirkung - nur dann verhängt werden solle, wenn keine andere Strafart der Schwere der als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzung entspreche. Naturgemäß komme ihr, im Unterschied zu anderen Strafmitteln, keine Erziehungsfunktion in Bezug auf den Beschwerdeführer zu, sie sei vielmehr als Instrument des im Beamten-Dienstrechtsgesetz enthaltenen so genannten "Untragbarkeitsgrundsatzes" zu sehen. Zweck dieser Strafe sei somit, dass sich die Dienstbehörde von einem untragbar gewordenen Bediensteten unter Auflösung seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses trennen kann.
Von der (in der Berufung beantragten) mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission habe "gemäß § 125a Abs. 2 BDG" abgesehen werden können, da der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. November 2006, B 3263/05, für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor (ohne eine Gegenschrift zu erstatten) und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
II.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BDG 1979 lauten:
"Allgemeine Dienstpflichten
§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
...
Dienstpflichtverletzungen
§ 91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem ("Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.
§ 92. (1) Disziplinarstrafen sind
- 1. der Verweis,
- 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,
3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage,
4. die Entlassung.
...
Strafbemessung
§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
...
Zusammentreffen von gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen und Dienstpflichtverletzungen
§ 95. (1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
(2) Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
...
Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten und Absehen von
der mündlichen Verhandlung
§ 125a. (1) ...
(2) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.
(3) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn
- 1. die Berufung zurückzuweisen ist,
- 2. die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
- 3. ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint."
II.2. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, wurde von dem in der früheren Judikatur entwickelten "Untragbarkeitsgrundsatz" abgegangen und betont, dass § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 die Schwere der Dienstpflichtverletzung als "Maß für die Höhe der Strafe" festlegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der "Strafbemessungsschuld" des Strafrechtes. Für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR 14. GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der "Unrechtsgehalt") wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021). An dieser Auffassung hat sich auch durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, nichts Grundsätzliches geändert. Hinsichtlich des Grades des Verschuldens ist nach dem gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen können.
Für die Strafbemessung im engeren Sinn ist weiters zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe iS der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis. Wiegt die Dienstpflichtverletzung besonders schwer - insbesondere unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehalts der Tat - so kann von der Verhängung einer hohen (der höchsten) Disziplinarstrafe allerdings nur abgesehen werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen oder wenn keine spezialpräventiven Gründe die Verhängung einer Strafe in diesem Ausmaß gebieten.
Soweit es um eine Entlassung geht, ist die spezialpräventive Erforderlichkeit einer solchen (der disziplinarrechtlichen Tatschuld angemessenen) schweren Disziplinarstrafe nicht erst dann anzunehmen, wenn sich die Aussichten auf ein künftiges Unterbleiben von Dienstpflichtverletzungen - bei Beschränkung auf eine mildere Strafe - in einer vagen Hoffnung erschöpfen, und wird umgekehrt nicht nur bei besonderer Gewähr dafür zu verneinen sein. Abzustellen ist auf einen dazwischen liegenden Maßstab einer begründeten Wahrscheinlichkeit. Dabei ist freilich eine Entlassung schon nach der ersten schweren Dienstpflichtverletzung nicht ausgeschlossen, wenn auf Grund ihrer Eigenart und der Persönlichkeit des Täters die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser im Falle einer geringeren Sanktion weitere Dienstpflichtverletzungen begehen werde.
Das gänzliche Außerachtlassen von Versetzungsmöglichkeiten (oder gar von schon erfolgten Versetzungen) entspricht nach den Gesetzesmaterialien (vgl. die ErläutRV 500 BlgNR 14. GP 83) nicht dem Willen des Gesetzgebers. Sind geeignete Versetzungsmöglichkeiten - bei deren Inanspruchnahme die Begehung gleichartiger Disziplinarvergehen durch den Beamten mit ausreichender Wahrscheinlichkeit verhindert werden kann - offenkundig oder werden sie vom Beamten im Disziplinarverfahren konkret ins Treffen geführt, so kann diese Frage in der Begründung dafür, warum er dessen ungeachtet zu entlassen sei, nicht zur Gänze ausgeklammert bleiben. Das bedeutet freilich keinen Anspruch des Betroffenen auf Versetzung statt Entlassung, sondern verpflichtet die Behörde lediglich dazu, sich in der Begründung ihrer Entscheidung mit einem diesbezüglichen im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen des Disziplinarbeschuldigten auseinander zu setzen.
Ist nach einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verurteilung ein Schuldspruch zu fällen, ist gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 zu prüfen, ob und inwieweit es - zusätzlich zu den vom Gericht oder der Verwaltungsbehörde verhängten Sanktionen - einer Disziplinarstrafe bedarf, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (vgl. dazu im Einzelnen das schon erwähnte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die Verhängung einer Disziplinarstrafe zusätzlich zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafe ist daher nur zulässig, wenn und soweit dies aus spezialpräventiven Gründen erforderlich ist, oder anders gewendet: Wenn und soweit die gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Strafe für sich alleine nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass der Beamte keine weiteren Dienstpflichtverletzungen begehen wird. Diese Überlegungen gelten insbesondere auch, soweit es um die schwerste Disziplinarstrafe der Entlassung geht: Liegt eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung vor, die sich auf denselben Sachverhalt bezieht, so ist auch für die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 zu begründen, dass und aus welchen Gründen es ihrer Verhängung bedarf, um den Beamten - mit ausreichender Wahrscheinlichkeit - von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. An die nur teilweise - nämlich in Bezug auf weitere gerichtlich strafbare Handlungen - auf die gleiche Gefahr bezogene Prognose des Strafgerichts ist die Disziplinarbehörde dabei freilich, anders als hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts, nicht gebunden, geht es im Disziplinarverfahren doch um die Gefahr der Verletzung der spezifisch die öffentlichrechtlich Bediensteten treffenden aus dem Dienstrecht erfließenden Dienstpflichten.
II.3. Unter Anwendung dieser Grundsätze bedeutet dies für den konkreten Beschwerdefall:
Soweit sich die Beschwerde gegen die Bindung an die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung im Umfang der vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 3 VStG behaupteten Zurechnungsunfähigkeit richtet, verkennt sie, dass die Zurechnungsfähigkeit Voraussetzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Die Bindungswirkung strafgerichtlicher Verurteilungen umfasst auch die Feststellungen zum "inneren Tatbestand" (Schuldform) und zur "Zurechnungsfähigkeit", soweit sie dem Spruch zugrundegelegt wurden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 2000, Zl. 97/09/0199).
Die belangte Behörde ging im vorliegenden Fall zwar im Grunde des § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 zutreffend von einer beträchtlichen objektiven Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Dienstpflichtverletzung aus. Diese Schwere ist angesichts des großen objektiven Unrechtsgehaltes der Dienstpflichtverletzung so hoch, dass durchaus auch bei Vorliegen von Milderungsgründen grundsätzlich die Entlassung als Disziplinarstrafe in Betracht kommt. Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, sich gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit den geltend gemachten Milderungsgründen, insbesondere im Zusammenhang mit der (auch im Strafverfahren zugestandenen) eingeschränkten Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers und mit der Frage der Erforderlichkeit der Disziplinarstrafe der Entlassung überhaupt auseinander zu setzen. Ihren Ausführungen insbesondere hinsichtlich der "Untragbarkeit" des Beschwerdeführers lassen sich auch im Wege der Auslegung auch nur ansatzweise eine solche Bedeutung nicht entnehmen.
Die belangte Behörde ist weiters zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 in der gerichtlich strafbaren Handlung nicht erschöpfte, wegen welcher er rechtskräftig verurteilt worden war, und dass daher ein - erheblicher - "disziplinärer Überhang" vorlag. Sie hat aber in keiner Weise beurteilt, ob und inwieweit gegen den Beschwerdeführer angesichts der gegen ihn bereits vom Landesgericht Salzburg ausgesprochenen Strafe eine Disziplinarstrafe auszusprechen und ob die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen war, um ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (§ 95 Abs. 3 BDG 1979, vgl. auch dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, auf welches insoferne gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Bei der dabei anzustellenden Prognose wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nach einer Beurteilung seiner - auch in der Dienstpflichtverletzung zum Ausdruck gebrachten - Persönlichkeit (unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Situation) zu beurteilen haben.
II.4. Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Strafausspruch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am16. Oktober 2008
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