VwGH 2007/08/0044

VwGH2007/08/004411.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Y in S, vertreten durch Dr. Stephan Messner, Rechtsanwalt in 4690 Schwanenstadt, Linzer Straße 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 23. Jänner 2007, Zl. LGSOÖ/Abt.4/05660915/2006-05, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §90 Abs2;
AlVG 1977 §12 Abs3 litd;
AlVG 1977 §12 Abs6 litd;
AlVG 1977 §25 Abs2 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §25 Abs2;
ABGB §90 Abs2;
AlVG 1977 §12 Abs3 litd;
AlVG 1977 §12 Abs6 litd;
AlVG 1977 §25 Abs2 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §25 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 erstattete das Zollamt Wels bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse Anzeige gemäß § 27 AuslBG. Aus diesem Schreiben geht im Wesentlichen hervor, dass der Kebab-Stand des Ehegatten der Beschwerdeführerin am 22. Juli 2006 gegen 18.20 Uhr von Organen der Kontrolle der illegalen Beschäftigung (KIAB) beim Kirtag V. kontrolliert worden sei und sowohl dieser als auch die Beschwerdeführerin in Arbeitskleidung beim Verkauf von Speisen und Getränken angetroffen worden seien. Dem Schreiben angeschlossen waren mehrere Lichtbilder, welche die Amtshandlung dokumentierten.

Dieses Schreiben übermittelte die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse am 21. November 2006 per Fax an das Arbeitsmarktservice Oberösterreich, Regionale Geschäftsstelle Vöcklabruck (in der Folge AMS Vöcklabruck).

Mit Bescheid des AMS Vöcklabruck vom 22. November 2006 wurde der Bezug der Notstandshilfe der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 8. Juli bis zum 22. Juli 2006 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und die Beschwerdeführerin gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in der Höhe von EUR 271,88 verpflichtet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin die Leistungen im genannten Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, da sie am 22. Juli 2006 eine Beschäftigung ausgeübt und dies nicht dem AMS Vöcklabruck gemeldet habe.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, ihr Mann habe, wie der Behörde bekannt sei, zur gegenständlichen Zeit einen Familienbetrieb geführt. Da sie es normal finde und ihm helfen habe müssen, habe sie sich am besagten Tag bei ihrem Mann befunden. Sie habe neben ihrer Notstandshilfe keine anderen Geldleistungen bezogen. Sie habe an diesem Tag ein einziges Mal ausgeholfen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht statt. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin vom 8. Juli bis zum 22. Juli 2006 in einem vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei ihrem Ehemann gestanden sei. Da sie durch Organe des Zollamtes Wels bei einer Tätigkeit betreten worden sei, welche sie nicht unverzüglich dem AMS gemeldet habe, gelte die unwiderlegliche Vermutung, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 3 AlVG gilt unter anderem nicht als arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a) oder wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist (lit. d).

Gemäß § 12 Abs. 6 AlVG gilt jedoch als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen kein Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt (lit. a) oder wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigen würde (lit. d).

§ 25 Abs. 2 AlVG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 (Arbeitsmarktreformgesetz) lautete auszugsweise:

"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b, d oder g betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest zwei Wochen ist rückzufordern.

..."

§ 25 Abs. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:

"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest zwei Wochen ist rückzufordern.

..."

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG sinngemäß auch auf

die Notstandshilfe anzuwenden.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sind Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen.

In seinem Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2003/08/0182, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage vor dem Arbeitsmarktreformgesetz ausgesprochen, dass die Verhängung der Rechtsfolgen des § 25 Abs. 2 zweiter Satz AlVG voraussetzt, dass die Organe des Arbeitsmarktservice selbst (oder allenfalls von diesem ausdrücklich mit der Überwachung des Arbeitsmarktes beauftragte, d.h. ihm in dieser Tätigkeit unmittelbar zuzurechnende Personen) die Tätigkeit des Dienstnehmers wahrgenommen haben. Auf Organe der Zollbehörden treffe dies etwa nicht zu.

Der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Arbeitsmarktreformgesetz (543 BlgNR 22. GP) nimmt ausdrücklich auf das genannte Erkenntnis Bezug und erklärt zur Änderung von § 25 Abs. 2 erster Satz AlVG, dass diese auf Grund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dringend erforderlich sei, um eine wirksame Bekämpfung der Schwarzarbeit sicherzustellen. Eine Betretung durch andere Organe als die des AMS sei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes völlig unbeachtlich. Es solle daher gesetzlich klar gestellt werden, dass jede Betretung durch ein Organ einer Behörde, ein Organ eines Sozialversicherungsträgers oder ein Exekutivorgan und nicht nur eine Betretung durch ein Organ des Arbeitsmarktservice entsprechende Rechtsfolgen nach sich ziehe.

Somit ist klargestellt, dass gemäß § 25 Abs. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 auch die Betretung durch ein Organ der Zollbehörden - wie im vorliegenden Fall - die in dieser Norm geregelten Rechtsfolgen auslösen soll, wobei der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des mit der erwähnten Novelle geänderten sprachlichen Zusammenhanges davon ausgeht, dass sich die Wendung "die er nicht unverzüglich ... angezeigt hat" weiterhin auf die Tätigkeit und nicht auf die Organe bezieht.

Die Beschwerdeführerin räumt in ihrer Berufung selbst ein, dass sie im Familienbetrieb ihres Ehemannes mitgearbeitet hat. Dies stellt jedenfalls eine Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG dar, welche sie gemäß § 50 AlVG unverzüglich hätte melden müssen.

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, dass sie für ihre Tätigkeit im Betrieb ihres Ehemanns kein Entgelt erhalten habe, weil sie nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, sondern im Rahmen einer unentgeltlichen Mitwirkung im Betrieb des Ehegatten tätig gewesen sei. Daher gelte sie weiterhin als arbeitslos.

Ob tatsächlich ein Entgelt bezahlt wurde, ist für die Frage, ob Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. d AlVG, welche Tätigkeiten betrifft, die außerhalb eines Dienstverhältnisses im Betrieb (unter anderem) des Ehegatten erbracht werden und damit auch die (allenfalls unentgeltliche) Mitwirkung am Erwerb des jeweils anderen Ehegatten aufgrund familienrechtlicher Verpflichtungen im Sinne des § 90 Abs. 2 ABGB erfasst, ausgeschlossen ist, schon deshalb irrelevant, weil es darauf ankommt, ob die Beschäftigung nach dem fiktiven Maßstab des § 12 Abs. 6 lit. d AlVG über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis 20. Dezember 2000, Zl. 95/08/0205).

Da der darüber hinaus hier anwendbare § 25 Abs. 2 AlVG ausdrücklich auch Tätigkeiten gemäß § 12 Abs. 3 lit. d AlVG erfasst, gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung der Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze auch für das fiktive Entgelt gemäß § 12 Abs. 6 lit. d AlVG.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. September 2008

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