VwGH 2007/07/0040

VwGH2007/07/004029.5.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des W E in D, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer, Dr. Manuela Schipflinger und Mag. Stefan Ganahl, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 20. Juli 2006, Zl. VIe- 53.0006, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens in einer Angelegenheit des Altlastensanierungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Zollamt Wolfurt), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs4;
AVG §70 Abs1;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs4;
AVG §70 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.035,70 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.471,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das jeweilige Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D (BH) vom 25. August 1998 wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 16 Abs. 1 und 19 des Vorarlberger Abfallgesetzes, LGBl. Nr. 58/1998, die abfallrechtliche Bewilligung für die Aufschüttung der Grundstücke Nr. 12835/1, 12838/1 und 12838/2, alle KG D, mit Bodenaushubmaterial auf einer Fläche von 9250 m2 mit einer Schüttmenge von 35000 m3 bzw. mit sortiertem Ziegel- und Betonabbruch für die Baustraße zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Nutzung sowie zur Erweiterung der Parkplätze des Gasthauses S (10 m breiter Streifen) an der bergseitigen Grenze der Aufschüttung unter Auflagen erteilt.

Nachdem der Beschwerdeführer mit der Ausführung dieser Schüttungen begonnen hatte, wurde von Amtssachverständigen immer wieder festgestellt, dass die Schüttung nicht konsensgemäß erfolgte; insbesondere wurde auch die Aufbringung nicht konsensgemäßen Materials festgestellt.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes F vom 17. September 2001 wurde dem Beschwerdeführer ein Altlastenbeitrag für das langfristige Ablagern von Abfällen auf den Grundstücken Nr. 12835/1, 12838/1 und 12838/2, alle KG D, samt Säumniszuschlag in Höhe von EUR 43.248,98 vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2001 beantragte der Beschwerdeführer bei der BH gemäß § 10 des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG) die Feststellung

a) ob die (von ihm als Erd- bzw. Bodenaushub bezeichneten) Materialien Abfall im Sinne des ALSAG sind

b) ob bejahendenfalls dieser Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt bzw. ob nicht die Ausnahme des § 2 Abs. 5 Z 2 lit. a oder lit. b leg. cit. vorliegt

c) bejahendenfalls, welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 ALSAG oder welcher Deponietyp gemäß § 6 Abs. 4 leg. cit. vorliegt und

d) bejahendenfalls, ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 ALSAG nicht anzuwenden.

Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, dass es sich bei den von ihm geschütteten Materialien nicht um Abfall im Sinne des ALSAG handle.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2003 traf die BH gemäß § 10 Abs. 1 ALSAG "im Zusammenhang mit der Bauaushubdeponie auf den Gstn Nrn 12835/1, 12838/1 und 12838/2, alle KG D" folgende Feststellungen:

"1. Im Bereich der Deponie wurden unter anderem insgesamt 10.699,07 Tonnen Abfälle der Kategorie 'Baurestmassen' (§ 6 Abs. 1 Z 1 lit. a ALSAG) und 41,94 Tonnen Abfälle der Kategorie 'alle übrigen Abfälle' (§ 6 Abs. 1 Z 3 ALSAG) abgelagert.

2. Die unter Punkt 1 angeführten Abfälle unterliegen dem Altlastenbeitrag, eine Ausnahme im Sinne des § 2 Abs. 5 Z 2 lit. a oder b ALSAG liegt nicht vor.

3. Bei der Deponie handelt es sich um eine Bodenaushubdeponie gemäß der Ausnahmebestimmung des § 29 Abs. 1 Z 6 lit. a AWG, BGBl. 325/1990 idgF, welche gemäß den seinerzeit geltenden Bestimmungen des Vorarlberger Abfallgesetzes genehmigt wurde. Die Deponie verfügt über keine entsprechendes Deponiebasisabdichtungssystem. Ein Deponietyp gemäß § 6 Abs. 4 ALSAG liegt nicht vor.

4. Die Voraussetzungen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder Abs. 3 ALSAG nicht anzuwenden, liegen nicht vor.

5. Es handelt sich nicht um Geländeverfüllungen oder - anpassungen, die im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 ALSAG stehen."

In der Begründung stützte sich die BH auf die von ihr eingeholten Gutachten eines geologischen und eines abfalltechnischen Amtssachverständigen.

Der Beschwerdeführer berief.

Er machte geltend, von ihm gestellte Beweisanträge seien unerledigt geblieben. Das abschließende abfalltechnische Gutachten sei unbrauchbar. Vom Beschwerdeführer selbst vorgelegte Beweismittel seien unbeachtet geblieben. Es gäbe gravierende Mängel in der Beweiswürdigung. Insgesamt vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, es liege kein Abfall vor.

Mit Schreiben vom 29. März 2005 legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der Z- GmbH vor, aus dem hervorgeht, dass die Errichtung einer Stützmauer samt Reibungsfüßen aus grobem Material bzw. großen Betonblöcken notwendig gewesen sei, um eine Stabilisierung des Böschungsfußes der Deponie gewährleisten zu können. Weiters wurde ausgeführt, dass Stützmauer und Reibungsfüße eine konstruktive Einheit bildeten und für die Standsicherheit der Böschung im Endzustand dringend erforderlich seien. Der Beschwerdeführer fügte hinzu, die Reibungsschlitze (600 m3) und die Stützmauer (3360 m3) seien bescheidgemäß errichtet worden.

In einer weiteren Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 27. April 2005 wurde festgehalten, dass die Genehmigung der Deponie bei der Herstellung der vorgeschriebenen Stützmauern die Verwendung großer Betonteile umfasst habe. Der Beschwerdeführer habe sohin lediglich die behördlich vorgeschriebenen Maßnahmen erfüllt. Ungeachtet dessen habe er angedacht, die in die Stützmauer eingebrachten Betonklötze samt dem Reibungsfuß wieder zu entfernen. Dies könne in zwei bis drei Jahren geschehen, da die Deponie dann fertiggestellt sei.

Einer unter einem vorgelegten Stellungnahme der Z- GmbH vom gleichen Tag ist näher begründet zu entnehmen, dass der abschnittsweise Ausbau der eingebauten Stützkörper und Reibungsschlitze verbunden mit dem Ersetzen durch natürliche Baustoffe inzwischen möglich sei. Diese Vorgangsweise beinhalte kein unübliches Risiko und könne mit Sicherheit umgesetzt werden. Technisch bestünden keine Schwierigkeiten, die eingebauten Betonblöcke zu ersetzen. Aus bodenmechanischer Sicht hielt die Z-GmbH den Austausch nach Abschluss der Einlagerungsarbeiten in zwei bis drei Jahren für zweckmäßig.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2005 gab der Landeshauptmann von Vorarlberg (LH = die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Die belangte Behörde vertrat darin unter anderem den Standpunkt, im Zusammenhang mit den für den Stützfuß verwendeten Materialien handle es sich um solche, deren sich die Inhaber entledigen hätten wollen, nämlich um grobe Betonteile aus Abbrüchen, sodass Abfall vorliege. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die in den Stützfuß eingebauten Betonblöcke in ein bis zwei Jahren wieder entfernt werden könnten, verwies die belangte Behörde auf § 3 Abs. 1 Z 1 und § 2 Abs. 5 Z 1 lit b ALSAG und meinte, unzweifelhaft seien die für die Erstellung des Stützfußes (mitsamt den Reibungsfüßen) herangezogenen Abfälle für eine deponietechnische Maßnahme verwendet worden. Projektsgemäß sei niemals die Rede davon gewesen, dass dieser Stützfuß wieder entfernt werden solle. Dies würde eine wesentliche Änderung der Deponie darstellen und wäre abfallwirtschaftsrechtlich genehmigungspflichtig. Jedenfalls für die Vergangenheit sei davon auszugehen, dass diese Materialien sehr wohl langfristig abgelagert werden sollten. Es widerspreche der Erfahrung mit ähnlichen Deponien, dass ursprünglich unter großem Aufwand hergestellte Stützmaßnahmen nachträglich wieder entfernt würden. Ein solches mit hohen Kosten verbundenes Vorgehen wäre nur dann nachvollziehbar, wenn dies aus Gründen des Landschaftsschutzes oder einer anderen als der ursprünglich angedachten Nachnutzung zwingend erforderlich wäre.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und führte unter anderem aus, dass der abfallrechtliche Bewilligungsbescheid der BH vom 25. August 1998 als abfalltechnische Auflage die Fußsicherung der Deponie durch die Anordnung von 3 m tiefen, 8 m langen und 1,5 m breiten Steinrippen mit einem gegenseitigen Achsabstand von 4,5 m vorgeschrieben habe. Um die Kräfte ausreichend sicher in den Untergrund einleiten zu können, habe die Notwendigkeit der Errichtung einer Stützmauer auf sogenannten Reibungsfüßen bestanden. Diese Reibungsfüße bestünden gleichfalls aus großem Material respektive großen Betonblöcken. Die Stützmauer und die darunter befindlichen Reibungsfüße bildeten eine konstruktive Einheit. Zweck dieser Auflage sei die Gewährleistung der Stabilität der in Hanglage zu errichtenden Deponie. Sowohl die Stützmauer als auch die Reibungsfüße seien für die Standsicherheit der Deponie bis zur vollständigen Auffüllung derselben zwingend erforderlich. Der Beschwerdeführer habe die Absicht, nach Fertigstellung der Deponie im Jahre 2008 die mit Bescheid der BH vom 25. August 1998 vorgeschriebene Stützmauer samt den Reibungsfüßen wieder zu entfernen und sach- und fachgerecht zu entsorgen, da mit der vollständigen Auffüllung der Deponie die Stabilisierung derselben durch die Stützmauer und die Reibungsfüße nicht mehr erforderlich sei. Die Betonblöcke sollten sodann durch natürliche Baustoffe ersetzt werden. Es liege daher kein Abfall vor, weil der Beschwerdeführer das in Erfüllung der behördlichen Auflage zur Errichtung der Stützmauer und der Reibungsfüße in die Deponie eingebaute Material nicht habe loswerden wollen. Die belangte Behörde habe das nicht ausreichend gewürdigt. Sie übersehe außerdem, dass der Altlastenbeitragspflicht ausschließlich das langfristige Ablagern von Abfällen unterliege.

Mit Erkenntnis vom 23. Februar 2006, Zl. 2005/07/0161, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof verwies hinsichtlich des genannten Vorbringens des Beschwerdeführers auf die Argumentation der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. In der Beschwerde wiederhole der Beschwerdeführer seine vor der belangten Behörde aufgestellte Behauptung, gehe aber nicht auf die Argumentation der belangten Behörde ein. Diese sei nicht als unschlüssig zu erkennen. Schon aus diesem Grunde gelinge es dem Beschwerdeführer daher nicht, mit seinem Vorbringen über eine angeblich geplante Entfernung des für die Stützungsmaßnahmen verwendeten Materials die Abfalleigenschaft dieses Materials in Frage zu stellen.

Mit an die BH gerichteten Schriftsatz vom 6. Juli 2006 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens II-3101-1997/0091 (Aktenzahl des erstinstanzlichen Bescheides). Er brachte vor, dass sich nach einer geotechnischen Stellungnahme der Z- GmbH vom 30. Juni 2006 die Standfestigkeit des Deponiekörpers insgesamt derart verbessert habe, dass die bereits im Jahr 2005, sohin während des zweitinstanzlichen Verfahrens, angedachte Möglichkeit, den eingebauten Stützkörper und die Reibungsschlitze abschnittsweise auszubauen und durch natürliche Baustoffe zu ersetzen, umgesetzt werden könne. Er werde den Stützkörper und die Reibungsschlitze nach Maßgabe der geotechnischen Vorgaben der Z- GmbH nächstens entfernen und durch natürliche Baustoffe ersetzen lassen. Nach diesen Änderungen würden nur mehr 1.195,07 t Abfälle der Kategorie Baurestmaßen verbleiben. Die nunmehrige Mitteilung der Z- GmbH sei als neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG zu werten, die im Verfahren II-3101-1997/0091 der BH ohne Verschulden der Antragstellerin nicht habe geltend gemacht werden können und alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptteil des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Würde der Hauptinhalt des Spruches modifiziert, bedeute dies für den Antragsteller eine erheblich niedrigere Beitragsschuld nach § 7 Abs. 1 Z 1 ALSAG.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des LH vom 20. Juli 2006 wurde der (an ihn weitergeleitete) "Antrag auf Wiederaufnahme des zu Zl. IVe-53.0006 geführten zweitinstanzlichen und mit Bescheid des LH vom 9. Mai 2005 abgeschlossenen, vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Februar 2006, Zl. 2005/07/0161, bestätigten Verfahrens" keine Folge gegeben.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde den ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalt fest und verwies auf die Begründung ihrer Berufungsentscheidung vom 9. Mai 2005 im Zusammenhang mit dem damaligen Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf die geplante Entfernung der in den Stützfuß eingebrachten Materialien.

Die belangte Behörde wies darauf hin, zu Gunsten des Wiederaufnahmewerbers werte sie die explizite bzw. ausschließliche Anführung des erstinstanzlichen Verfahrens (Aktenzahl sowie Behörde) als Versehen und nehme an, dass der Wiederaufnahmewerber vielmehr in den Stand des zweitinstanzlichen Verfahrens wieder eintreten wolle. Nach Wiedergabe des § 69 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 AVG sowie der zum Begriff einer "neuen Tatsache" ergangenen maßgeblichen Judikatur führte die belangte Behörde aus, bei der vom Antragsteller im Wiederaufnahmeantrag vorgebrachten Tatsache, "die Standfestigkeit des Deponiekörpers habe sich derart verbessert, dass die eingebauten Stützkörper und Reibungsschlitze nunmehr durch natürliche Baustoffe ersetzt werden könnten", handle es sich nicht um eine neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, weil diese erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstanden sei und somit kein berücksichtigungswürdiges novum repertum, sondern ein nicht von der Rechtskraft des Bescheides umfasstes novum productum darstelle. Das bloße Andenken des Antragstellers, während des Berufungsverfahrens die in die Stützmauer eingebrachten Betonklötze samt Reibungsfüßen wieder herauszunehmen und die Prognose, dies könne nach Fertigstellung der Deponie in zwei bis drei Jahren erfolgen, reiche weder dazu aus, eine im Sinne des Antragstellers berücksichtigungswürdige Sachverhaltsänderung zum (damaligen) Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung zu bewirken, noch dazu, im Verfahren über die Wiederaufnahme ein offensichtliches novum productum in ein novum repertum zu transformieren. Zudem gehörten Prognosen über zukünftige Entwicklungen nicht zur Sachverständigentatsachenfeststellung, sondern zum Bereich der Schlussfolgerungen. Es sei wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Entfernung der eingebrachten Betonklötze und Reibungsfüße verbunden mit einem Austausch durch natürliche Baustoffe keinesfalls im Ermessen des Antragstellers liege, sondern vielmehr als wesentliche Änderung der Deponie einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung durch die Behörde bedürfe. Der Antrag auf Wiederaufnahme sei nicht nur auf Grund des Fehlens einer neuen, bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestehenden Tatsache abzuweisen, sondern auch, weil diese Tatsache nicht voraussichtlich geeignet scheine, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Allein der Umstand, dass die Standfestigkeit des Deponiekörpers sich insgesamt derart verbessert habe, und nunmehr der angedachte Materialaustausch durchgeführt werden könnte, ändere nichts an der Tatsache, dass derzeit immer noch die selben Abfälle in der Deponie eingebaut seien. Zudem würde selbst der nachträgliche Ausbau des Stützkörpers und der Reibungsschlitze nichts an der Tatsache ändern, dass die seinerzeit aus deponietechnischen Zwecken eingebauten Baurestmassen einen dem Altlastenbeitrag unterliegenden Abfall im Sinne der nach § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 ALSAG getroffenen Feststellungen darstelle.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 26. Februar 2007, B 1649/06-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgenommenen Beschwerdeergänzung beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:

§ 69 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 und § 70 Abs. 1 AVG haben folgenden Wortlaut:

"§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

  1. 1. ...
  2. 2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

    3. ...

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.

§ 70. (1) In dem die Wiederaufnahme bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist, sofern nicht schon auf Grund der vorliegenden Akten ein neuer Bescheid erlassen werden kann, auszusprechen, inwieweit und in welcher Instanz das Verfahren wieder aufzunehmen ist. "

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde unter dem Aspekt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, er habe die Wiederaufnahme des nach § 10 ALSAG durchgeführten Feststellungsverfahrens der BH zur Zl. II-3101-1997/0091 beantragt. Die belangte Behörde habe über den Wiederaufnahmeantrag insofern nur teilweise entschieden, als über die Wiederaufnahme des erstinstanzlichen Verfahrens nicht erkannt worden sei. Die belangte Behörde habe nur darüber entschieden, dass dem Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des LH vom 9. Mai 2005 abgeschlossenen und vom Verwaltungsgerichtshof bestätigten Verfahrens keine Folge gegeben werde. Die Behörde habe ihre Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 AVG verletzt, weil sie im Ergebnis eine Sachentscheidung über den Wiederaufnahmeantrag insoweit, als er auf Wiederaufnahme des erstinstanzlichen Verfahrens gerichtet sei, verweigert habe. Der angefochtene Bescheid sei allein schon aus diesem Grunde rechtswidrig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt der Berufungsbescheid in jeder Hinsicht an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides, letzterer verliert durch die Erlassung des Berufungsbescheides jede selbstständige rechtliche Wirkung nach außen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 2006, 2004/09/0218, und vom 25. April 2007, 2004/08/0042, mwN). Ein das erstinstanzliche Verfahren abschließender Bescheid existiert daher nicht mehr.

Nun tritt durch die Bewilligung der Wiederaufnahme im Anwendungsbereich des AVG der Bescheid, mit dem das wiederaufzunehmende Verfahren abgeschlossen wurde, außer Kraft (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 9. Mai 1990, 89/02/0139, und vom 17. Jänner 1995, 93/08/0114). Bei einer im Instanzenzug ergangenen Entscheidung kann sich der Antrag auf Wiederaufnahme daher nur gegen den in zweiter Instanz ergangenen Bescheid richten, mit dem das wiederaufzunehmende Verfahren abgeschlossen wurde. Das dem Antrag des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde zu Grunde gelegte Verständnis, dieser ziele eben nur auf die Wiederaufnahme des zweitinstanzlichen Verfahrens, kann daher nicht beanstandet werden. Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidungspflicht über den Wiederaufnahmeantrag nur teilweise nachgekommen wäre.

§ 70 Abs. 1 AVG, auf den der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch verweist, gelangt schließlich nur im Fall der Genehmigung der Wiederaufnahme zur Anwendung und hat mit der Frage, durch welchen Bescheid das Verfahren im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG abgeschlossen wurde, nichts zu tun.

Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde unter dem Aspekt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, er habe seinen Wiederaufnahmeantrag darauf gestützt, dass ihm erst mit Zugang der Stellungnahme der Z- GmbH vom 30. Juni 2006 bekannt geworden sei, dass sich im Hinblick auf die relativ langsam erfolgten Schüttungen der letzten Jahre die Standfestigkeit des Deponiekörpers insgesamt derart verbessert habe, dass zwischenzeitlich die im Jahre 2005 bereits angedachte Möglichkeit des abschnittsweise erfolgenden Ausbaus des eingebauten Stützkörpers und der Reibungsschlitze umgesetzt werden könne. Die belangte Behörde habe das Vorbringen dahingehend verstanden, dass sich die Standfestigkeit des Deponiekörpers nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens derart verbessert habe, dass die eingebauten Stützkörper und Reibungsschlitze durch natürliche Baustoffe ersetzt werden könnten. Es sei aber so, dass die Standsicherheit der Bodenaushubdeponie jedenfalls schon im Jahr 2005 ausreichend gewesen wäre, andernfalls die extremen Niederschlagsereignisse im Frühjahr 2006 lokale Rutschungen und dergleichen ausgelöst hätten. Bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 9. Mai 2005 sei eine ausreichende Standfestigkeit erreicht gewesen, sodass ein Ausbau der Stützkörper und Reibungsschlitze bereits damals möglich gewesen wäre. Dies sei dem Beschwerdeführer bis Ende Juni 2006 nicht bekannt gewesen. Auch habe er dies nicht wissen können, weil diese Tatsache erst durch die Beobachtungen während des Jahres 2006 festgestellt worden seien. Dass die Bodenaushubdeponie in Form von Konsolidierungsvorgängen, die mit zunehmendem Gewicht der Deponieschüttungen entstanden seien, zu einem ursprünglich nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt eine solche Standsicherheit erreichten, dass die eingesetzten Betonblöcke durch aufbereitetes Material ersetzt werden könnten, sei eine seit jeher vorhanden gewesene Tatsache. Tatsache sei, dass der Beschwerdeführer seit dem Einbau der großen Betonblöcke zur Errichtung der Stützmauer entschlossen gewesen sei, diese temporär eingesetzten Betonblöcke nach Erreichung einer ausreichenden Standsicherheit durch natürliches Material zu ersetzen. Er habe sich sohin durch den Einbau dieser Betonblöcke dieses Materials nicht endgültig "entledigen" wollen; dieses Material sei bereits von vornherein nicht für eine dauernde Ablagerung auf der Deponie bestimmt gewesen. Es handle sich daher bei den vorgebrachten neuen Tatsachen eindeutig um nova reperta im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG.

Auch nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes vermag der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nicht das Vorliegen einer "neuen Tatsache" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG zu begründen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1491f. angeführte Rechtsprechung) könnten Tatsachen und Beweismittel nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs 1 Z 2 AVG darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist ("nova reperta").

Der Beschwerdeführer meint, er habe erst im Jahr 2006 erfahren, dass bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 9. Mai 2005 ein Ausbau der Stützkörper und Reibungsschlitze möglich gewesen wäre. Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers ist aber seine eigene Stellungnahme vom 27. April 2005 und das beigelegte Schreiben der Z- GmbH gleichen Datums entgegen zu halten, wo es heißt: "Es ist daher bodenmechanisch inzwischen möglich, dass der eingebaute Stützkörper und die Reibungsschlitze abschnittsweise ausgebaut und durch natürliche Baustoffe ersetzt werden. ... Diese Vorgangsweise beinhaltet kein unübliches Risiko und kann mit Sicherheit umgesetzt werden. Technisch bestehen keine Schwierigkeiten, die eingebauten Betonblöcke zu ersetzen." Damals wurde eine Empfehlung für den Zeitpunkt dieser Baumaßnahmen dahingehend getroffen, dass es "tendenziell aus bodenmechanischer Sicht zweckmäßiger sei, nicht sofort, sondern erst in 2 bis 3 Jahren (also nach Abschluss der Einlagerungsmaßnahmen) die Stützmauer auszutauschen."

Dieser Stellungnahme vom 27. April 2005 ist ohne Zweifel zu entnehmen, dass der Ausbau des eingebauten Stützkörpers und der Reibungsschlitze bereits damals möglich gewesen wäre und nur aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen, nicht aber aus zwingenden technischen Gründen, auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei ihm erst durch die geotechnische Stellungnahme vom 30. Juni 2006 bekannt geworden, dass der Austausch nun durchgeführt werden könne, kann daher nicht nachvollzogen werden, hat der Beschwerdeführer doch ein solches Vorbringen bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren erstattet. Der Beschwerdeführer wiederholt in seinem Wiederaufnahmeantrag seine bereits damals vorgetragene Ansicht, dass der Austausch schon im Jahre 2005 möglich gewesen wäre.

Bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemachte Tatsachen können aber keinen Wiederaufnahmegrund im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG begründen, wie sich aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. September 1994, 92/12/0043, und vom 31. August 1999, 99/05/0057).

Sowohl die belangte Behörde als auch der Verwaltungsgerichtshof befassten sich bereits im damaligen Verfahren mit den rechtlichen Auswirkungen der Behauptung des Beschwerdeführers, die Materialien könnten jederzeit wieder ausgebaut werden. Sollte der Beschwerdeführer mit dem Wiederaufnahmeantrag den Zweck verfolgen, diese Rechtsansicht neuerlich zu hinterfragen, so verkennt er, dass rechtliche Bedenken gegen die Richtigkeit eines rechtskräftigen Bescheides keinen Wiederaufnahmegrund bilden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf den begehrten Ersatz der Flugkosten; einen solchen Ersatz sieht § 49 Abs. 3 VwGG nicht vor.

Wien, am 29. Mai 2008

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