VwGH 2007/05/0102

VwGH2007/05/01024.3.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Mag. M in Wien, vertreten durch Dr. Christian Grave, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 16, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. Dezember 2006, Zl. BOB - 487/06, betreffend Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §62a Abs1 Z13;
BauRallg;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §62a Abs1 Z13;
BauRallg;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer am 9. Juni 2006 an Ort und Stelle durchgeführten mündlichen Verhandlung stellte das Behördenorgan der Baubehörde erster Instanz fest, dass auf der im Wohnungseigentum der Beschwerdeführerin stehenden Dachterrasse in Wien 19., Raimund-Zoder-Gasse 14, ein Flugdach mit ca. 8 m x 4 m und einer Höhe von ca. 2,90 m aus Holz errichtet worden ist.

Der als Vertreter auftretende Vater der Beschwerdeführerin gab zur Feststellung des Behördenorgans keine Erklärung ab. Eine Kopie der Verhandlungsschrift wurde ihm - wie sich aus einem Vermerk zur Verhandlungsschrift ergibt - ausgefolgt.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 12. Juni 2006 wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der betreffenden Baulichkeit gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien aufgetragen, binnen einer Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides "das Flugdach auf der Dachterrasse der Wohnung 6 des Hauses B" der Liegenschaft EZ 423, KG Untersievering, entfernen zu lassen. Dieser Gebäudeteil stelle sich gemäß § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien als Zubau zum bestehenden Haus dar, der bewilligungspflichtig sei.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie die bereits bestehende, 2,90 m hohe Pergola genutzt habe, um einen Regen- und Sonnenschutz mit aufgelegten Holzlamellen mit einer Gesamtfläche von ca. 18 m2 - und nicht wie im Bescheid angegeben 32 m2 - anzubringen. Offenbar sei schon von der das Gebäude errichtenden Baugesellschaft vorgesehen gewesen, einen Teil der Terrasse zu überdachen. Der Zweck der Terrasse wäre völlig verfehlt, wenn diese im Sommer nicht genützt werden könnte, weil bei heißen Sonnentagen keinerlei schützender Schatten vorhanden sei und die Betonplatten zusätzlich die Hitze reflektierten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass jede Baumaßnahme, die zur Zeit ihrer Durchführung einer Baubewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige bedurft habe und auch zur Zeit der Erteilung des Auftrages nach § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien noch bewilligungs- bzw. kenntnisnahmepflichtig sei, vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien sei. Durch die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Baumaßnahme sei zweifellos das äußere Ansehen des Gebäudes verändert worden, weshalb jedenfalls eine Bewilligungspflicht nach § 60 Abs. 1 lit. c Bauordnung für Wien bestehe. Allein schon auf Grund der Höhe der Anlage von 2,90 m komme auch § 62a Abs. 1 Z. 13 Bauordnung für Wien nicht zur Anwendung. Die Errichtung des Flugdaches auf der Dachterrasse der Wohnung der Beschwerdeführerin sei somit jedenfalls eine bewilligungspflichtige bauliche Maßnahme, für die bisher keine Bewilligung erteilt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Nichterteilung eines Bauauftrages verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Folgende Bestimmungen der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) sind im Beschwerdefall von Bedeutung:

"Ansuchen um Baubewilligung

"§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Baulichkeiten die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. Ein einzelnes Gebäude ist eine raumbildende bauliche Anlage, die in ihrer Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet und nicht durch Grenzen eines Bauplatzes oder Bauloses oder durch Eigentumsgrenzen geteilt ist, ausgenommen die zulässige Bebauung von Teilen des öffentlichen Gutes. Der Bezeichnung als ein einzelnes Gebäude steht nicht entgegen, dass in ihm Brandmauern enthalten sind oder es auf Grundflächen von verschiedener Widmung, verschiedener Bauklasse oder verschiedener Bauweise errichtet ist. Ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein. Flugdächer mit einer bebauten Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude. Zubauten sind alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Unter Umbau sind jene Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoss betreffen. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoss gilt nicht als Umbau.

...

c) Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage; im Falle einer Änderung der Verwendung von Aufenthaltsräumen in Wohnzonen die rechtmäßig bestehende Benützung der Aufenthaltsräume als Wohnungen oder Betriebseinheiten im gesamten Gebäude, sofern diese unter Berücksichtigung der beantragten Änderung nicht ausdrücklich als Wohnungen oder Betriebseinheiten bereits gewidmet sind.

...

Bewilligungsfreie Bauvorhaben

§ 62a (1) Bei Bauführungen, die folgende Anlagen betreffen, ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

...

13. Flugdächer mit einer bebauten Fläche von höchstens 25 m2 und einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von höchstens 2,50 m auf unmittelbar bebaubaren Flächen, ausgenommen in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre;

14. Pergolen;

...

(3) Anlagen nach Abs. 1 müssen den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften entsprechen und sind andernfalls zu beseitigen; gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 erteilen. Solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

...

Benützung und Erhaltung der Gebäude; vorschriftswidrige Bauten

§ 129. ...

...

(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. In Schutzzonen sind überdies Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen im Bebauungsplan, für die eine Baubewilligung weder nachgewiesen noch infolge des erinnerlichen Bestandes des Gebäudes vermutet werden kann, zu beheben und die Gebäude und baulichen Ziergegenstände in stilgerechten und den Bebauungsbestimmungen entsprechenden Zustand zu versetzen. Lassen sich Art und Umfang von vermuteten Abweichungen von den Bauvorschriften nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage verpflichtet, über das Vorliegen der vermuteten Abweichungen und gegebenenfalls über deren Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zugrunde gelegte Sachverhalt muss durch die Behörde überprüfbar sein.

..."

Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Beschwerde aus, sie habe die bereits vorgegebene 2,90 m hohe Pergola, die gemäß § 62a Z. 14 BO bewilligungsfrei sei, genutzt, um einen Regen- und Sonnenschutz anzubringen. Zu diesem Zwecke habe sie eine Holzlamellenkonstruktion in die bereits bestehende Pergola gleichsam "hineingeschoben". Es handle sich hierbei um kein Gebäude im Sinne der Bauordnung für Wien und auch um keinen Zubau. Der gegenständliche Sonnenschutz habe nicht zu einer Vergrößerung des Gebäudes geführt, da hiezu lediglich der Raum einer bereits bestehenden Pergola genutzt worden sei. Die Holzlamellenkonstruktion erstrecke sich lediglich auf eine Gesamtfläche von rund 18 m2 und sei nicht neu in einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m errichtet worden. Es handle sich um eine nach § 62a Z. 13 BO bewilligungsfreie bauliche Anlage. Die Anlage sei von außen praktisch nicht sichtbar.

Die von der Baubehörde erster Instanz anlässlich des Ortsaugenscheines am 9. Juni 2006 aufgenommene Niederschrift, gegen die von der Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben wurden, liefert gemäß § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung. In dieser Niederschrift wurde festgehalten, dass das ohne Baubewilligung errichtete Flugdach ca. 8 m x 4 m groß und ca. 2,90 m hoch ist. Dies wurde von der Baubehörde erster Instanz in ihrem Bescheid vom 12. Juni 2006 auch festgestellt. Im angefochtenen Bescheid wurde die - auch in der Berufung nicht bestrittene - Höhe der hier zu beurteilenden baulichen Anlage von 2,90 m übernommen. Insoweit die Beschwerdeführerin erstmals in ihrer Beschwerde die festgestellte Höhe dieser baulichen Anlage von 2,90 m bestreitet, handelt es sich hierbei um eine vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beachtende unzulässige Neuerung im Sinne des § 41 VwGG.

Ausgehend von einer Höhe des von der Beschwerdeführerin ohne Bewilligung errichteten Flugdaches von 2,90 m liegt daher keinesfalls mehr ein bewilligungsfreies Bauvorhaben gemäß § 62a Abs. 1 Z. 13 Bauordnung für Wien vor. Dies selbst dann nicht, wenn die bebaute Fläche weniger als 25 m2 sein sollte, weil auch die ursprünglich vorhandene Pergola (zum Wesen einer solchen siehe das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1999, Zl. 98/05/0240) überdacht wurde und das von der Beschwerdeführerin errichtete Flugdach - wie auch den Beschwerdeausführungen zu entnehmen ist - integrierender Bestandteil dieser bereits vorhandenen, über 2,50 m hohen Konstruktion ist. Bewilligungsfrei sind gemäß § 62a Abs. 1 Z. 13 Bauordnung für Wien Flugdächer nur dann, wenn ihre bebaute Fläche höchstens 25 m2 beträgt und ihre Höhe 2,50 m nicht überschreitet.

Gegen die Annahme der belangten Behörde, das hier zu beurteilende Flugdach sei im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c Bauordnung für Wien bewilligungspflichtig, bestehen keine Bedenken, zumal es sich bei dessen Errichtung um bauliche Maßnahmen handelt, die von Einfluss auf dessen Festigkeit sein können und durch die das äußere Ansehen des Gebäudes geändert wird.

Im Verfahren zur Erteilung eines Auftrages nach § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien ist nicht zu prüfen, ob die vom Bauauftrag betroffene Maßnahme konsensfähig wäre, weshalb auch kein Alternativauftrag zur Beantragung einer nachträglichen Baubewilligung möglich ist (vgl. hiezu Moritz, Bauordnung für Wien, 3. Aufl., S. 355). Insoweit daher die Beschwerdeführerin eine fehlerhafte Ermessensausübung durch die belangte Behörde behauptet und die mangelnde Auseinandersetzung in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit den §§ 68 Abs. 1 und 69 Bauordnung für Wien rügt, vermag sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Ein Beseitigungsauftrag nach § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien wäre selbst dann zulässig, wenn ein Verfahren betreffend eine nachträgliche Baubewilligung anhängig ist. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass während der Anhängigkeit eines Baubewilligungsverfahrens betreffend die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung der Bauauftrag nicht vollstreckt werden könnte und gegenstandslos wird, wenn eine nachträgliche Bewilligung erteilt wird.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung ist aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EuGH hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche Fragen betrifft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am 4. März 2008

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