VwGH 2006/16/0052

VwGH2006/16/005223.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie den Senatspräsidenten Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der H M in T, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch vom 26. April 2006, Zl. Jv 1570-33/06, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GGG 1984 §18 Abs2 Z2;
ZPO §235;
GGG 1984 §18 Abs2 Z2;
ZPO §235;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit einer beim BG Bludenz am 9. November 2004 eingelangten und dort zu 3 C 784/04w protokollierten Klage begehrte die Beschwerdeführerin von einer beklagten Partei die Unterlassung einer bestimmten Behauptung. Der Streitwert wurde dabei in der Klage mit EUR 5.000,-- angegeben.

In der Streitverhandlung vom 5. April 2005 wurde (nach Protokollierung des bis dahin erstatteten wechselseitigen Parteivorbringens) vom Klagevertreter noch folgendes Vorbringen erstattet:

"Der Klagevertreter bestreitet und begehrt weiters den Widerruf der vom Beklagten gegen die Klägerin im Schreiben vom 28.10.2004 gegenüber der DAS Rechtsschutzversicherungs-AG erhobenen Äußerungen, welches Begehren mit EUR 1.000,-- bewertet wird."

Danach erörterte das Gericht mit den Streitteilen ausführlich die Sach- und Rechtslage, worauf dann die Streitparteien einen Vergleich schlossen, worin die beklagte Partei sich einerseits zur Unterlassung der schon ursprünglich in der Klage enthaltenen Behauptung verpflichtete und andererseits im Wege des Vergleichspunktes 2. folgende weitere Verpflichtung übernahm:

"2. Der Beklagte verpflichtet sich weiters, bis zum 19.04.2005 ein Schreiben an die DAS Rechtschutzversicherungs-AG mit nachstehendem Inhalt zu verfassen: 'Die Anschuldigungen gegen Frau H M, welche mit Schreiben vom 28.10.2004 gegenüber der DAS Rechtschutzsversicherungs AG von mir erhoben wurden, werden mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenommen."

Nach Durchführung einer Gebührenrevision forderte der Kostenbeamte des BG Bludenz von der Beschwerdeführerin mit Zahlungsauftrag vom 28. März 2006 TP 1 GGG restliche Pauschalgebühr im Ausmaß von EUR 318,-- zuzüglich Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 7,-- an.

Dagegen stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Berichtigungsantrag, worin sie darauf hinwies, dass das Widerrufsbegehren in der Streitverhandlung vom 5. April 2005 gemäß § 56 Abs. 2 JN mit EUR 1.000,-- bewertet worden sei.

Die belangte Behörde gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid dem Berichtigungsantrag keine Folge. Sie vertrat darin die Auffassung, es sei im vorliegenden Fall mit dem Punkt 2. des Vergleiches vom 5. April 2005 der Wert des Klagebegehrens erweitert worden, ohne dass in diesem Vergleichspunkt eine Bewertung der vorgenommenen Erweiterung gemäß § 56 Abs. 2 JN erfolgt sei, weshalb die Zweifelsregel des § 56 Abs. 2 JN mit dem Wert von EUR 4.000,-- anzuwenden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, keine weitere Gebühr (samt Einhebungsgebühr) entrichten zu müssen, weil der Gesamtstreitwert nur EUR 6.000,-- betragen habe.

Die belangte Behörde legte den Gerichtsakt und den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 18 GGG lautet auszugsweise:

"(1) Die Bemessungsgrundlage bleibt für das ganze Verfahren gleich.

(2) Hievon treten folgende Ausnahmen ein:

  1. 1. ...
  2. 2. Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.

    3. ..."

    Gemäß § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.

    § 56 Abs. 2 JN normiert:

"(2) In allen anderen Fällen hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen. Unterlässt der Kläger eine Bewertung in einer Klage, so gilt der Betrag von EUR 4.000,-- als Streitwert."

Gem. § 2 Z 1 lit. b GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr hinsichtlich der Pauschalgebühr nach TP 1 für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz, wenn das Klagebegehren erweitert wird, ohne dass vorher die Klagserweiterung mit einem Schriftsatz dem Gericht mitgeteilt worden ist, mit dem Begehren der Protokollierung begründet, soferne eine zusätzliche Pauschalgebühr entsteht.

Da die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ganz offenbar nur den Vergleichstext im Auge hatte, begnügte sie sich in ihrer Sachverhaltsfeststellung einerseits mit einer teilweisen Wiedergabe der Klage und andererseits mit der auszugsweisen Wiedergabe des Vergleichstextes.

Wie jedoch ein Blick in das Streitverhandlungsprotokoll des BG Bludenz im Verfahren 3 C 784/04w, ON 14, sofort zeigt, wurde die Streitwerterhöhung nicht erst im Vergleich sondern schon vorher im Wege einer durch die klagende Partei durch mündlichen Vortrag vorgenommenen Klagsausdehnung um jenes Widerrufsbegehren, das dann in den Vergleichspunkt 2. Eingang gefunden hat, vorgenommen und gemäß § 56 Abs. 2 JN mit EUR 1.000,-- bewertet.

Über diese Klagsausdehnung wurde dann anschließend (noch vor Vergleichsabschluss) auch verhandelt, ohne dass die beklagte Partei gegen die Erweiterung der Klage um das Widerrufsbegehren einen Einwand erhoben hätte. Damit lag eine Einwilligung der beklagten Partei zur Klagsausdehnung gemäß § 235 Abs. 2 letzter Halbsatz ZPO vor, sodass es einer förmlichen Zulassung der Klagsänderung durch das Gericht gemäß § 235 Abs. 3 ZPO gar nicht mehr bedurfte.

Nach der eindeutigen Regelung in § 18 Abs. 2 Z 2 GGG sind die Klagserweiterungen im Wege einer Klagsausdehnung gemäß § 235 ZPO und der Abschluss eines sogenannten höherwertigen Vergleiches einander gleichzuhalten (siehe dazu auch die diesbezügliche Klarstellung im hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 97/16/0080, sowie die bei Stabentheiner, Gerichtsgebühren8, unter E 50 zu § 18 GGG referierte hg. Rechtsprechung).

Ebenso wie beim Abschluss eines höherwertigen Vergleiches die Möglichkeit besteht, den Streitwert neu zu bewerten (vgl. dazu die bei Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren7, unter E C 1 zu § 18 GGG referierte hg. Judikatur) hatte daher die Beschwerdeführerin als klagende Partei diese Möglichkeit auch anlässlich der von ihr vor Vergleichsabschluss vorgenommenen Klagsausdehnung. Da sie davon in Anwendung des § 56 Abs. 2 JN zu Recht Gebrauch gemacht hat und im Wege dieser maßgeblichen Bewertung die gem. TP 1 GGG relevante Betragsgrenze von EUR 7.270,-- nicht überschritten wurde, erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen zum Vorliegen von Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ist sohin entbehrlich.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 333/2003; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft die zum pauschalen Schriftsatzeinwand zusätzlich angesprochene Umsatzsteuer, die in dem Pauschalbetrag aber bereits enthalten ist.

Wien, am 23. Oktober 2008

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