VwGH 2006/15/0274

VwGH2006/15/027428.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, in der Beschwerdesache der E K in S, vertreten durch Dr. Heinrich Berger, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Koloman-Wallisch-Platz 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 13. Juli 2006, GZ. RV/0377-G/02, und RV/0338-G/06, betreffend Einkommensteuer 1996 bis 1999 und Umsatzsteuer 1996 bis 1998, den Beschluss gefasst:

Normen

11997E087 EG Art87;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17;
UStG 1994 §12 Abs2 Z1;
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 lita;
VwGG §38b;
11997E087 EG Art87;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17;
UStG 1994 §12 Abs2 Z1;
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 lita;
VwGG §38b;

 

Spruch:

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, welcher zur hg. Beschwerde 2006/15/0056 angerufen worden war, ausgesetzt.

Begründung

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens 2006/15/0056 ist die Zuerkennung des vollen Vorsteuerabzuges aus den Errichtungskosten eines gemischt genutzten Gebäudes. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Beschwerdeverfahren betreffend Umsatzsteuer 2002 und 2003 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nachstehende Fragen gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verstößt die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (in der Folge: 6. RL), insbesondere deren Art. 17, gegen gemeinschaftsrechtliche Grundrechte (den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz), weil sie bewirkt, dass Steuerpflichtige Eigentum an Wohnobjekten für ihre privaten Wohnzwecke (Konsum) um rund 5% günstiger erwerben können als andere EU-Bürger, wobei der absolute Betrag dieses Vorteils unbegrenzt mit der Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wohnobjektes steigt? Ergibt sich ein derartiger Verstoß auch dadurch, dass Steuerpflichtige Eigentum an Wohnobjekten für ihre privaten Wohnzwecke, welche sie zumindest geringfügigst für ihr Unternehmen verwenden, um rund 5% günstiger erwerben können als andere Steuerpflichtige, welche ihre privaten Wohngebäude nicht zumindest geringfügigst für das Unternehmen nutzen?

2. Verstößt die in Umsetzung der 6. RL, insbesondere deren Art. 17, ergangene nationale Maßnahme gegen Art. 87 EG, weil sie den in Frage 1 angesprochenen Vorteil für die vom Steuerpflichtigen privat genutzten Wohnobjekte zwar jenen Steuerpflichtigen einräumt, die steuerpflichtige Umsätze tätigen, diesen Vorteil aber Steuerpflichtigen mit befreiten Umsätzen vorenthält?

3. Entfaltet Art. 17 Abs. 6 der 6. RL weiterhin seine Wirkung, wenn der nationale Gesetzgeber eine Vorsteuerausschlussbestimmung des nationalen Rechts (hier § 12 Abs. 2 Z. 1 UStG 1994), die sich auf Art. 17 Abs. 6 der 6. RL stützen konnte, mit der ausdrücklichen Absicht ändert, diesen Vorsteuerausschluss beizubehalten, und sich aus dem nationalen UStG auch ein Beibehalten des Vorsteuerausschlusses ergäbe, der nationale Gesetzgeber aber auf Grund eines erst nachträglich erkennbaren Irrtums über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts (hier Art. 13 Teil B Buchstabe b der 6. RL) eine Regelung getroffen hat, die - isoliert betrachtet - nach dem Gemeinschaftsrecht (in der durch das Urteil Seeling getroffenen Auslegung des Art. 13 Teil B Buchstabe b der 6. RL) einen Vorsteuerabzug zulässt ?

4. Falls die Frage 3. verneint wird:

Kann es die auf die "Stand-still Klausel" des Art. 17 Abs. 6 der 6. RL gestützte Wirkung eines Vorsteuerausschlusses (hier § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1994) beeinträchtigen, wenn der nationale Gesetzgeber von zwei einander überlappenden Vorsteuerausschlüssen des nationalen Rechts (hier § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1994 und § 12 Abs. 2 Z. 1 UStG 1994) einen ändert und im Ergebnis deshalb aufgibt, weil er sich in einem Rechtsirrtum befunden hat ?

Im hier gegenständlichen Fall wurde mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug u.a. über Umsatzsteuer 1996 bis 1998 abgesprochen. Dabei ging die belangte Behörde davon aus, dass ein Teil des in M gelegenen Gebäudes der Beschwerdeführerin (nämlich das Erdgeschoss) unmittelbar für unternehmerische Zwecke der Beschwerdeführerin Verwendung gefunden habe, und anerkannte in diesem Ausmaß das Gebäude betreffende Vorsteuern. Hinsichtlich der übrigen Gebäudeteile anerkannte die belangte Behörde den Vorsteuerabzug hingegen nicht.

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den für die Entscheidung wesentlichen Rechtsfragen jenem, der dem Vorabentscheidungsersuchen zu Grunde liegt. Die Frage, ob innerstaatliches Recht durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt wurde, oder ob die "Stand-still Klausel" des Art. 17 Abs 6 der

6. RL zur Anwendung kommt, bildet auch im gegenständlichen Fall eine Vorfrage, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderen Gericht zu entscheiden ist und dort schon Gegenstand eines zu Rechtssache C-460/07 anhängig gemachten Verfahrens ist. Es liegen daher die Voraussetzungen für die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens vor.

Wien, am 28. Oktober 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte