Normen
AVG §62 Abs4;
B-VG Art131;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §62 Abs4;
B-VG Art131;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 16. Dezember 2003 wurde über Antrag der mitbeteiligten Partei die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Kletterhalle im Sport- und Veranstaltungszentrum in Imst gemäß §§ 77 Abs. 1 und 74 Abs. 2 GewO 1994 unter Auflagen erteilt. Nach der einen Bestandteil dieser Genehmigung bildenden technischen Beschreibung sollen in der Kletterhalle auch abendliche Musikveranstaltungen (Musikanlage/Live Musik), und zwar maximal sechs Mal pro Jahr jeweils von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr stattfinden.
Als Auflage wurde über Vorschlag des gewerbetechnischen Amtssachverständigen u.a. der Einbau einer Schallpegelmesseinrichtung (ab Erreichen von 100 dB habe der Veranstalter Sorge zu tragen, dass die Musikanlage entsprechend leiser betrieben werde; "alternativ" könne auch ein aktiver Pegelbegrenzer eingebaut werden) sowie - über Empfehlung des ärztlichen Sachverständigen - eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Veranstaltungen auf das Jahr vorgeschrieben, wobei Veranstaltungen insbesondere "nicht hintereinander auf Wochenenden" stattfinden dürften.
Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführer als Nachbarn holte die belangte Behörde eine ergänzende Stellungnahme des schalltechnischen Amtssachverständigen vom 9. März 2004 ein, dem zufolge durch den Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage (und des zugehörigen Parkplatzes) bei den (nächstgelegenen) Nachbarn bei geöffneten Fenstern im Rauminneren Lärmbeurteilungspegel bis 51 dB und Spitzenpegel bis 61 dB zu erwarten seien.
Im ergänzenden medizinischen Gutachten vom 2. Juli 2004 gab der Sachverständige an, dass zur Vermeidung von Gesundheitsstörungen in den Nachtstunden im Rauminneren ein Dauerschallpegel von 55 dB und Spitzenpegel von 60 dB nicht überschritten werden sollten. Um Störungen des Schlafablaufes, die jedenfalls als belästigend anzusehen seien, hintanzuhalten, sollten 35 dB (bzw. Pegelspitzen von mehr als 45 dB) am Ohr des Schläfers vermieden werden. Allerdings seien Lärmbelastungen, die "nur gelegentlich" aufträten, grundsätzlich anders zu beurteilen. Bei nur kurzen Belastungen durch Lärm und "folgenden länger dauernden lärmarmen Perioden", in denen ein ungestörter Schlaf möglich sei, träte, vereinfacht ausgedrückt, ein lang dauernder Stresszustand nicht ein. Gegenständlich seien durch den aus den Veranstaltungen resultierenden Lärm in Anbetracht der insgesamt "niedrigen Frequenz dieser Ereignisse" Beeinträchtigungen der Gesundheit nicht zu befürchten. Hingegen könnten Belästigungen der nächstgelegenen Nachbarn durch Störungen des Schlafes infolge der nächtlichen Musikveranstaltungen nicht ausgeschlossen werden.
In der Berufungsverhandlung ergänzte der medizinische Amtssachverständige, dass aus seiner Sicht "mindestens ein Wochenende ohne Schallereignisse garantiert werden müsste", er halte aber ein Mindestintervall von vier Wochen "nicht für unabdingbar". Während der Veranstaltung käme es aber, so der Sachverständige weiter, auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen zu wesentlichen Störungen des Wohlbefindens der Nachbarn.
Mit Schreiben vom 10. November 2004 gab die mitbeteiligte Partei bekannt, dass sie die Intervalle zwischen den einzelnen Veranstaltungen nicht näher festlegen wolle.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. November 2004 gab die belangte Behörde der Berufung insofern Folge, als sie, soweit hier wesentlich, die Auflage betreffend die Verteilung der Veranstaltungen auf den Jahresverlauf abänderte.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten sowie einen Berichtigungsbescheid vom 18. Jänner 2005 vorgelegt hat, nach dem die genannte Auflage betreffend die Intervalle der Veranstaltungen wie folgt lautet:
"Die beantragten Veranstaltungen sind auf das Jahr gleichmäßig zu verteilen. Zwischen den Veranstaltungen muss mindestens ein störungsfreies Wochenende liegen."
In ihrer Stellungnahme vom 18. Oktober 2005 bringen die Beschwerdeführer vor, dass durch den (mit Beschwerde nicht angefochtenen) Berichtigungsbescheid die Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte nicht beseitigt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Voranzustellen ist, dass der Berichtigungsbescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit bildet, wobei die Berichtigung eines Bescheides auch nach der Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E. 233 und 253 zu § 62 AVG referierte Judikatur).
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist daher der angefochtene Bescheid vom 18. November 2004 in der Fassung des Bescheides vom 18. Jänner 2005, mit dem der Wortlaut der Auflage betreffend die zeitliche Verteilung der Veranstaltungen berichtigt wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und der maßgebenden Vorschriften aus, sie sei sich im Klaren darüber, dass das Sport- und Veranstaltungszentrum östlich des Stadtzentrums in einer sehr ruhigen und dünn besiedelten Umgebung liege. Aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gehe sie jedoch davon aus, dass in Anbetracht der begrenzten Zahl der Veranstaltungen (6 Veranstaltungen pro Jahr) bei Einhaltung der Auflagen eine Erholungswirkung von allfälligen aus den Veranstaltungen resultierenden Lärmbelästigungen eintrete. Gesundheitsgefährdende Auswirkungen durch Lärm seien vom medizinischen Sachverständigen auch unter Berücksichtigung der Schallimmissionswerte bei geöffneten Fenstern der Beschwerdeführer ausgeschlossen worden. "Wegen der geringen Frequenz" der Veranstaltungen gehe die belangte Behörde von zumutbaren Lärmbelästigungen aus, sodass weder eine Beschränkung der Betriebszeit noch eine Vergrößerung der Intervalle zwischen den Veranstaltungen habe vorgeschrieben werden können.
In der Beschwerde gegen den Bescheid vom 18. November 2004 und in der Stellungnahme zum Berichtigungsbescheid wird gegen den angefochtenen Bescheid einerseits vorgebracht, dass die in Rede stehende Auflage den Erfordernissen der Bestimmtheit nicht entspreche. Die Auflage müsse nicht nur für die Genehmigungsinhaber klar, verständlich und erfüllbar sein, sondern auch die Überprüfung ihrer Einhaltung ermöglichen, um gegebenenfalls deren Einhaltung erzwingen zu können. Diese Kriterien erfülle die Auflage nicht, weil sie widersprüchliche Anordnungen enthalte. Bei einer gleichmäßigen Aufteilung der sechs Veranstaltungen auf das Jahr, wie sie im ersten Satz der Auflage verlangt werde, müsse zwischen zwei Veranstaltungen ein Zeitraum von zwei Monaten liegen. Nach dem zweiten Satz der Auflage müsse zwischen den Veranstaltungen aber nur "mindestens ein störungsfreies Wochenende liegen", was bereits erfüllt wäre, wenn eine Musikveranstaltung am Freitag und die nächste am darauf folgenden Montag stattfände. Ein derart kurzer zeitlicher Abstand wäre nach dem ärztlichen Gutachten nicht zulässig. Ungeachtet der fehlenden Bestimmtheit sei die Auflage andererseits auch deshalb rechtswidrig, weil der Sachverständige in seinem Gutachten von einem zweiwöchigen Mindestabstand der Veranstaltungen ausgehe und selbst dann wesentliche Störungen des Wohlbefindens durch Lärm nicht ausschließen könne. Mit der Frage der Zumutbarkeit der Lärmeinwirkungen, vor allem auch auf die Kinder der Beschwerdeführer, habe sich die belangte Behörde gar nicht auseinander gesetzt.
Die Beschwerde ist begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen Auflagen, die zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit der Betriebsanlage vorgeschrieben werden, bestimmt und geeignet sein, was voraussetzt, dass sie einerseits dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen, und andererseits die Möglichkeit der jederzeitigen aktuellen Überprüfung der Einhaltung der Auflagen gegeben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2006, Zl. 2001/04/0153).
Die von der belangten Behörde formulierte Auflage sieht in ihrem ersten Satz eine "gleichmäßige" Verteilung von Veranstaltungen auf das Jahr vor. Dies bedeutet, dass bei den beantragten sechs Veranstaltungen pro Jahr der Zeitabstand zwischen zwei Veranstaltungen (etwa) zwei Monate beträgt. Damit steht der zweite Satz der Auflage insofern im Widerspruch, als er von der mitbeteiligten Partei "mindestens ein störungsfreies Wochenende" zwischen den Veranstaltungen verlangt. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass diesem zweiten Satz keine Bedeutung beizumessen ist, kann er im gegebenen Zusammenhang nur dahin verstanden werden, dass der Auflage bereits dann entsprochen wird, wenn - bloß - ein Wochenende zwischen zwei Veranstaltungen liegt (was wiederum dem ersten Satz dieser Auflage widerspricht).
Schon die unklare Formulierung der Auflage führt zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
Für das fortgesetzte Verfahren wird darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde vor der Neuformulierung der Auflage zunächst wird klären müssen, von welchen konkreten zeitlichen Mindestabständen der Veranstaltungen der amtsärztliche Sachverständige ausgeht, wenn er meint, er könne eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn nur "in Anbetracht der niedrigen Frequenz dieser Ereignisse" bzw. wegen der "länger dauernden lärmarmen Perioden" ausschließen. Unterstellte man dem ärztlichen Sachverständigen, es reiche (so das Protokoll der Berufungsverhandlung) "ein Wochenende ohne Schallereignisse" und wäre dies wörtlich zu verstehen (im Sinne eines Zwei-Tage-Abstandes zwischen zwei Veranstaltungen), so stünde dies in einem Spannungsverhältnis mit den vorangegangenen Aussagen des Arztes, wonach eine Gesundheitsgefährdung deshalb auszuschließen sei, weil der kurzen Lärmbelastung gegenständlich eine "länger dauernde lärmarme" Periode folge.
Zu Recht wenden die Beschwerdeführer im Übrigen auch ein, dass sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides nicht nachvollziehbar mit der Rechtsfrage auseinander gesetzt hat, aus welchen Gründen sie die Lärmimmissionen für zumutbar im Sinne des § 77 Abs. 2 GewO 1994 erachtet, obwohl der ärztliche Sachverständigen auch in der Berufungsverhandlung ausgeführt hat, dass trotz vorgeschriebener Auflagen "wesentliche Störungen des Wohlbefindens" verbleiben. Solange nämlich unklar ist, von welchen Mindestintervallen der Veranstaltungen die belangte Behörde ausgeht, lässt sich die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen nicht schlüssig mit den von ihr ins Treffen geführten Zeitabständen zwischen den jeweiligen Veranstaltungen begründen. Nicht zuletzt fehlt, wie die Beschwerdeführer zutreffend einwenden, eine Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage der Zumutbarkeit auch in Bezug auf den gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1994 relevanten Maßstab des gesunden, normal empfindenden Kindes.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. März 2008
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