VwGH 2004/13/0118

VwGH2004/13/011827.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der I GmbH in W, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Dr. Andreas Peyrer-Heimstätt und Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Mahlerstraße 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 24. Juni 2004, GZ. RV/3156-W/02, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2000, zu Recht erkannt:

Normen

62001CJ0045 Dornier VORAB;
62005CJ0445 Haderer VORAB;
UStG 1994 §6 Abs1 Z11 litb;
62001CJ0045 Dornier VORAB;
62005CJ0445 Haderer VORAB;
UStG 1994 §6 Abs1 Z11 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Einem Bericht vom 8. Juni 2001 über das Ergebnis einer abgabenbehördlichen Prüfung ist im Zusammenhalt mit den in der Niederschrift über die Schlussbesprechung enthaltenen "Prüfungsfeststellungen" betreffend Umsatzsteuer für den "Nachschauzeitraum 1-12/2000" zu entnehmen, dass die beschwerdeführende GmbH im Jahr 2000 Umsätze an öffentlichen Schulen getätigt habe, "bei denen es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender bzw. berufsbildender Art dienenden Fertigkeiten handelt". Die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 könne nach Ansicht des Prüfers durch juristische Personen allerdings nicht in Anspruch genommen werden.

In den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich eine Berufung vom 15. Jänner 2002, die sich gegen einen (nicht in den Verwaltungsakten einliegenden) Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 13. Dezember 2001 richtet. In einem ergänzenden Schriftsatz zu dieser Berufung vom 8. März 2002 wird ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin nicht der Meinung des Finanzamtes anschließen könne, wonach die Befreiungsbestimmung gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 nicht angewendet werden könne. Die Bestimmung sei in Hinblick auf Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. j der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie in das UStG 1994 aufgenommen worden, wobei die Richtlinienbestimmung "den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht" von der Umsatzsteuer befreie. Weder durch das Umsatzsteuergesetz noch durch die 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie sei ausgeschlossen, dass die Tätigkeit auch durch Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften ausgeführt werden könne.

Lt. Aktenlage richtete die belangte Behörde an die Beschwerdeführerin am 2. März 2004 einen Vorhalt mit dem Ersuchen, zu den von der Beschwerdeführerin ausgeübten Tätigkeiten Fragen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen.

Im Anschluss an die Ablichtung dieses Vorhaltes ist in den Verwaltungsakten ein Konvolut Unterlagen abgeheftet, das im Wesentlichen Werkverträge und Abrechnungen über im Jahr 2000 ausgeübte Tätigkeiten gegenüber der Wirtschaftskammer (WIFI) und einer Fachhochschule (F-GmbH) enthält.

In einem vorbereitenden Schriftsatz der Beschwerdeführerin zur mündlichen Berufungsverhandlung ist davon die Rede, dass es nach Ansicht der Beschwerdeführerin keine rechtliche Handhabe dafür gebe, für die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. j der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie eine Unterscheidung dahingehend zu treffen, "ob die unterrichtende Person ein selbständiger Privatlehrer oder ein an einer Kapitalgesellschaft beschäftigter Privatlehrer ist". Sollte von der belangten Behörde eine andere Meinung vertreten werden, liefe dies auf eine unzulässige Diskriminierung hinaus und es werde diesbezüglich auch die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH beantragt.

Lt. Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Berufungsverhandlung am 22. Juni 2004 wurde in dieser von Seiten des Finanzamtes auch die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Tätigkeit der Beschwerdeführerin um eine vermittelnde bzw. organisatorische Tätigkeit gehandelt habe, wobei die Beschwerdeführerin Vortragende bzw. Privatlehrer vermittelt habe, die "am WIFI und an der Fachhochschule tatsächlich unterrichten". Demgegenüber wurde vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass es sich um keine Vermittlung handeln könne, zumal der Erlös aus einer Vermittlung in einer Provision bestünde und dies den vereinbarten Tätigkeiten lt. den vorgelegten Verträgen der Beschwerdeführerin mit dem WIFI und der Fachhochschule widerspräche. Außerdem würden Skripten an die zu Unterrichtenden verkauft, sodass auch dies gegen eine vermittelnde Tätigkeit spreche.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Nach den von der Beschwerdeführerin im Zuge des Rechtsmittelverfahrens vorgelegten Unterlagen habe diese im Streitjahr mit dem WIFI Werkverträge mit dem Vertragsgegenstand "Vortragsleistung" abgeschlossen und mit der Fachhochschule Verträge mit dem Inhalt "didaktische Planung, Vorbereitung und Durchführung der Lehrveranstaltung (z.B. 'Marketing')", wobei der Beschwerdeführerin in diesen Fällen "Autonomie bei der Gestaltung der Lehrveranstaltungen" gewährt worden sei und als weitere Rechte "Nominierung von Lektoren aus der Gesellschaft der Bw." und "eigenverantwortliche didaktische Planung, Vorbereitung und Durchführung der Lehrveranstaltungen" vereinbart worden seien. Vertragspartner der Beschwerdeführerin und damit Leistungsempfänger im Sinne des Umsatzsteuergesetzes seien das WIFI und die Fachhochschule gewesen. Die Leistungsverpflichtung der Beschwerdeführerin habe einerseits darin bestanden, Lehrveranstaltungen eines bestimmten Inhaltes zu planen und andererseits durchzuführen, indem Lektoren namhaft gemacht worden seien, die diese Inhalte an die zu Unterrichtenden vermittelt hätten.

Die Fassung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 sei als richtlinienkonform anzusehen, wenn man sie im Zusammenhang mit dem Begünstigungscharakter des Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. j der

6. Mehrwertsteuer-Richtlinie sehe und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offen stehe, sich direkt auf diese zu berufen. Nach Teil A der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie sollten bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten befreit sein. Auch wenn nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH die in dieser Bestimmung genannten Begriffe eng auszulegen seien, verbiete es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, gleichartige Umsätze unterschiedlich zu behandeln. Es dürfe allerdings nicht übersehen werden, dass es im Beschwerdefall nicht primär darum gehe, wer einen steuerfreien Umsatz getätigt habe, "nämlich Schule oder Privatlehrer und in welcher Rechtsform diese zur Erlangung der Steuerbefreiung tätig sein dürfen", sondern darum, ob die Tätigkeit der Beschwerdeführerin inhaltlich einen steuerbefreiten Umsatz darstelle. Ausdrücklich sei nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 die Vermittlung von Kenntnissen allgemeiner Art, Kenntnissen berufsbildender Art und von der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten befreit "sowie in einer gemeinschaftsrechtlich gebotenen extensiven Auslegung auch mit der Tätigkeit eng verbundenen Umsätze, wie z.B. die Zurverfügungstellung von Unterrichtsmaterialien". Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin stelle sich aber weder im Sinne des UStG 1994 noch im Sinne der

6. Mehrwertsteuer-Richtlinie als unterrichtende Tätigkeit dar. Die dem WIFI bzw. der FHW gegenüber erbrachten Leistungen bestünden in der "Planung, Durchführung und Organisation von Lehrgängen". Dafür würden Lektoren zur Verfügung gestellt. Die Unterrichtserteilung "selbst erfolgt durch eben diese Lektoren". Das Vorbringen in der Berufung, wonach vor dem gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund der

6. Mehrwertsteuer-Richtlinie die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 auch auf die Tätigkeit von Geschäftsführern (bzw. Dienstnehmern) einer GmbH anzuwenden sei, könne daher im Beschwerdefall nicht dazu führen, dass die unterrichtende Tätigkeit der Dienstnehmer der GmbH auf "diese durchschlägt und nunmehr die GmbH die Befreiungsbestimmung in Anspruch nimmt".

In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, für Leistungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 keine Umsatzsteuer entrichten zu müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 fallenden Umsätzen sind nach § 6 Abs. 1 steuerfrei:

...

11. a) Die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird;

b) Die Umsätze von Privatlehrern an öffentlichen Schulen und Schulen im Sinne der lit. a;

...

Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 der - für das Streitjahr noch anzuwendenden - Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 (6. Mehrwertsteuer-Richtlinie) befreien die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer konkreten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Umsatzsteuer:

...

i) die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;

j) den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht;

...

Im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2000 Umsätze an öffentlichen Schulen getätigt habe, bei denen es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender bzw. berufsbildender Art dienender Fertigkeiten gehandelt habe. Die in Anspruch genommene Steuerbefreiung im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 könne allerdings durch juristische Personen nicht in Anspruch genommen werden.

Dieser Beurteilung folgte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid offenkundig insofern nicht mehr, als sie es u. a. wegen des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer nicht mehr für maßgeblich erachtete, in welcher Rechtsform die zur Erlangung der Steuerbefreiung führende Tätigkeit ausgeübt wird. In diesem Sinne hat die belangte Behörde zu Recht nicht mehr darauf abgestellt, ob die Leistungen als Privatlehrer gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 durch eine natürliche oder eine juristische Personen erbracht werden (vgl. z.B. Kanduth-Kristen, in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig (Hrsg), UStG-Kommentar, § 6 Rz 385, Ruppe, UStG3, § 6 Tz 318, Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 6 Abs. 1 Z 11 lit b Anm. 5, sowie beispielsweise das Urteil des EuGH vom 6. November 2003, C-45/01 , Dornier-Stiftung, Randnr. 21).

Da einer juristischen Person allerdings nur durch natürliche Personen die Leistungserbringung möglich ist, kann der belangten Behörde nicht darin gefolgt werden, dass "die unterrichtende Tätigkeit der Dienstnehmer der GmbH" nicht auf diese durchschlagen könne. Entscheidend ist, dass der Privatlehrer seine Tätigkeit auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung und deshalb "privat" ausübt (vgl. das Urteil des EuGH vom 14. Juni 2007, C-445/05 , Haderer, Randnr. 33), wobei - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift zum Ausdruck gebrachten Ansicht - nicht unbedingt das Bestehen einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Teilnehmern und dem Unterrichtenden Voraussetzung ist (vgl. das soeben zitierte Urteil des EuGH, Randnr. 32, sowie Ruppe, aaO, § 6 Tz 316, der zur Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 darauf hinweist, dass Leistungsempfänger nach dieser Regelung die Schulen sind). Dass die Beschwerdeführerin nur im Bereich der Personalgestellung oder etwa der Vermittlung der Lehrer (lt. der in der Berufungsverhandlung seitens des Finanzamtes vertretenen Ansicht) tätig geworden wäre, hat die belangte Behörde nicht konkret festgestellt, in den vorgelegten Unterlagen ist vielmehr auch von "Vortragsleistungen" und eigenverantwortlicher Durchführung von Lehrveranstaltungen die Rede. Zur abschließenden Beurteilung der Frage, inwieweit die von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen der Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. b UStG 1994 subsumiert werden können, werden im fortzusetzenden Verfahren in Bezug auf die im Einzelnen konkret ausgeübte (der Leistungsbeziehung jeweils zu Grunde liegende) Tätigkeit zweifelsfreie Feststellungen zu treffen sein.

Der angefochtene Bescheid war somit nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Februar 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte