VwGH 2004/09/0204

VwGH2004/09/020416.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Ing. WN in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 14. Oktober 2004, Zl. Senat-PM-03-0015, betreffend Einstellung eines Verwaltungsverfahrens wegen Ehrenkränkung (mitbeteiligte Partei:

GR in S, vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 35; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
PolStG NÖ 1975 §3;
PolStG NÖ 1975 §4;
VStG §24;
VStG §56 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
PolStG NÖ 1975 §3;
PolStG NÖ 1975 §4;
VStG §24;
VStG §56 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im August 2002 langte ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 7. August 2002 mit folgendem Text beim Magistrat der Landeshauptstadt S ein:

"Privatanklage

...

wegen

Ehrenkränkung

im Sinne des § 3 NÖ. Polizeistrafgesetz, LGBl 4000-1.

Tatbestand

Herr G.R. ist der unmittelbare Hausnachbar meiner Tochter

T.N. in der Reihenhausanlage S-B-Gasse.

Im Zuge des Umbaues des Reihenhauses meiner Tochter in S, B-

Gasse 20, ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Anzeigen des Herrn R. wegen behaupteter unbefugter Gewerbeausübung durch angebliche Heranziehung von 'Pfuscharbeiter' auf der Baustelle meiner Tochter gekommen. In diesen Zusammenhängen hat mich Herr R. schon mehrmals persönlich, gegenüber der auf der Baustelle anwesenden Arbeiter, gegenüber meiner Tochter und meiner Frau aufs gröblichste beschimpft.

Nunmehr bringe ich konkret zur Anzeige, dass Herr G.R. am Dienstag, 6. August 2002 um ca. 10.00 Uhr gegenüber meiner Tochter in einer für einen Dritten nicht wahrnehmbaren Weise folgendes erklärte:

'Ihr sads a Gsindl' 'und richt des dein Votern, der bladen Sau aus' und 'Ihr werds von mir no hern' 'i wer eich wieder beim Magistrat auzagn und a bei da Polizei' 'von mia werds in Zukunft ka Ruah haubn'.

Unter Bedachtnahme auf § 5 NÖ. Polizeistrafgesetz stelle ich den Antrag auf Ersatz der mir zur Verfolgung dieser Verwaltungsübertretung aufgelaufenen Kosten."

Der Mitbeteiligte wurde hinsichtlich dieses Sachverhaltes zur Rechtfertigung aufgefordert, er gab eine Stellungnahme vom 10. September 2002 ab, die Tochter des Beschwerdeführers wurde als Zeugin einvernommen, der Mitbeteiligte erstattete eine weitere Stellungnahme vom 27. November 2002.

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Landeshauptstadt S vom 28. März 2003 wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, am 6. August 2002 um ca. 10.00 Uhr in S, B-Gasse, vor den Häusern 20 und 22 dem Beschwerdeführer gegenüber seiner Tochter in seiner Ehre dadurch gekränkt zu haben, indem er, in einer für einen Dritten nicht wahrnehmbaren Weise erklärt habe: "Ihr sads a Gsindl" "und richt des dein Votern, der bladen Sau aus". Er habe dadurch § 3 lit. a und c des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 124,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt und ihm die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt.

Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung, auf Grund welcher die belangte Behörde den Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt S vom 28. März 2003 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG aufhob und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügte. Der Kostenausspruch des Bescheides der Behörde erster Instanz wurde dahin abgeändert, dass der Mitbeteiligte keine zur Verfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen habe. Begründet wurde der angefochtene Bescheid nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1977, Zl. 2112/76 = VwSlg. Nr. 9443/A, im Wesentlichen damit, dass, wenn ein Strafantrag gemäß § 56 VStG iVm § 3 des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes gestellt werde, dieser binnen der sechswöchigen Frist hinsichtlich des tatbestandsrelevanten Sachverhaltes (Tatzeit, Tatort, Tathandlung, Kenntniserlangung von der Ehrenkränkung) hinreichend präzisiert sein müsse. Der Privatankläger (der Beschwerdeführer) habe in der unerstreckbaren Frist von sechs Wochen nur eine unvollständige Privatanklage eingebracht, weil er den Tatort nicht konkret bezeichnet habe. Auch sei der Strafantrag in der Frist des § 56 VStG von sechs Wochen nicht ergänzt worden.

Aus dem evidenten Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich überdies, dass er vom inkriminierten Sachverhalt, insbesondere vom Tatort, von seiner Tochter spätestens am Tag nach der inkriminierten Handlung, als er die Privatanklage verfasst habe, nämlich am 7. August 2002, Kenntnis erlangt habe müssen. Die unerstreckbare Frist zur Einbringung einer vollständigen Privatanklage von sechs Wochen ab Kenntnis der Verwaltungsübertretung sei somit am 18. September 2002 abgelaufen. Es wäre bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens fristgerecht die Privatanklage durch den Privatankläger selbst zu ergänzen bzw. ansonsten die Privatanklage zurückzuweisen gewesen. Ein bloß verbesserungsfähiger Formmangel sei gegenständlich nicht vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei Gegenschriften, der Beschwerdeführer brachte eine Replik ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes (NÖ Polizeistrafgesetz), LGBl. 4000-1 in der Fassung der 1. Novelle vom 31. Oktober 2001, lauten:

"§ 3

Ehrenkränkung

Eine Ehrenkränkung begeht, wer

a) einen anderen in einer für einen Dritten nicht

wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen, oder herabzusetzen;

b) einem anderen in einer für einen Dritten nicht

wahrnehmbaren Weise eine gerichtlich strafbare Handlung vorwirft, für welche die Strafe schon vollzogen oder wenn auch nur bedingt nachgesehen oder nachgelassen oder für die der Ausspruch der Strafe vorläufig aufgeschoben worden ist;

c) einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper

misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, soferne dies nicht öffentlich oder vor mehreren Leuten erfolgt oder auf andere Weise gerichtlich strafbar ist.

§ 4

Ahndung der Ehrenkränkung

(1) Ehrenkränkungen sind als Verwaltungsübertretungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 220,-- oder mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen.

(2) Ehrenkränkungen sind Privatanklagesachen im Sinne des Verwaltungsstrafgesetzes."

§ 56 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52 (VStG, Abs. 3 idF BGBl. I Nr. 158/1998), lautet:

"Privatanklagesachen

§ 56. (1) Die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung ist nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem er von der Verwaltungsübertretung und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt (Privatankläger).

(2) Der Privatankläger ist Partei im Sinne des AVG. Er kann jederzeit von der Verfolgung zurücktreten. Leistet er einer Ladung ungerechtfertigt keine Folge oder kommt er einem sonstigen das Verfahren betreffenden Auftrag der Behörde innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so wird angenommen, dass er von der Verfolgung zurückgetreten ist. In diesen Fällen ist das Verfahren einzustellen.

(3) Dem Privatankläger steht gegen die Einstellung das Recht der Berufung zu.

(4) Widerruft der Privatankläger den Strafantrag nach Fällung des Straferkenntnisses, so kann die Berufungsbehörde die verhängte Strafe in eine mildere Strafe umwandeln oder ganz nachsehen, auch wenn die Berufungsfrist bereits verstrichen ist."

Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass dem Mitbeteiligten gegenüber der Vorwurf innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 31 VStG jedenfalls auch hinsichtlich des Tatortes im Rahmen der Einräumung des abschließenden Parteiengehörs durch die Behörde erster Instanz konkretisiert worden sei. Sollte der Strafantrag im Hinblick auf § 56 VStG tatsächlich hinsichtlich des Tatortes präzisierungsbedürftig gewesen sein, so hätte ein solcher Mangel auch während des Berufungsverfahrens allenfalls im Wege eines Verbesserungsauftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG behoben werden können.

Die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung ist gemäß § 56 Abs. 1 VStG nur zu verfolgen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen ab Kenntnis bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt. In einem Strafantrag gemäß § 56 Abs. 1 VStG ist der zu Grunde liegende Sachverhalt genau zu umschreiben, dessentwegen der Privatankläger die Bestrafung beantragt, wobei im Einzelnen darzulegen ist, welchen Sachverhalt der Privatankläger als ehrenkränkend ansieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1977, Zl. 2112/76 = Slg. Nr. 9443/A). Diese Voraussetzung wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch die bloße Übermittlung eines als beleidigend empfundenen Schreibens mit der Bitte "geeignete Schritte gegen diesen Briefschreiber einleiten zu wollen", als nicht erfüllt angesehen (vgl. das angeführte hg. Erkenntnis).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in seiner Privatanklage vom 7. August 2002 demgegenüber jene Äußerung des Mitbeteiligten, durch welche er sich in seiner Ehre gekränkt erachtete, hinsichtlich ihres Inhaltes sowie der Art und Weise der Äußerung auf konkrete Weise dargestellt. Weder für den Mitbeteiligten noch für die Behörde erster Instanz konnte zweifelhaft sein, durch welche Äußerung er sich in seiner Ehre als gekränkt erachtet hat. Wenn nun die belangte Behörde die "Privatanklage" des Beschwerdeführers deswegen als mangelhaft im Sinne des § 56 Abs. 1 VStG erachtete, weil sie keine konkrete Angabe des Tatortes enthielt, so vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keinen die Bestrafung des Mitbeteiligten ausschließenden Mangel der Privatanklage zu erblicken, im angeführten Erkenntnis wurde nicht eine mangelhafte Angabe des Tatortes im Strafantrag als Hinderungsgrund für eine Bestrafung gewertet, vielmehr die fehlende Umschreibung der als beleidigend empfundenen Äußerung.

Im Übrigen wurde auch die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz von keinem am vorliegenden Verfahren Beteiligten in Zweifel gezogen, und der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass Mängel schriftlicher Anbringen gemäß § 13 Abs. 3 AVG noch im Berufungsverfahren auf Grund des auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 13 Abs. 3 AVG behoben werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl. 91/10/0110), wobei hervorzuheben ist, dass sich die Vorschrift des § 13 Abs. 3 AVG seit dem in BGBl. Nr. 158/1998 kundgemachten Bundesgesetz nicht mehr nur auf Formmängel, sondern auch auf inhaltliche Mängel bezieht.

Im vorliegenden Fall wird auch weder von der belangten Behörde noch vom Mitbeteiligten bestritten, dass die dem Mitbeteiligten vorgeworfene Tathandlung auch hinsichtlich des Tatortes innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG vorgehalten wurde und die Umschreibung der Tat im Bescheid der Behörde erster Instanz auch hinsichtlich des Tatortes auf eine den § 44a Z. 1 VStG entsprechende Weise erfolgt ist. Letztlich ist im vorliegenden Fall auch nicht zweifelhaft, dass der Beschwerdeführer mit seiner "Privatanklage" ein auf die Bestrafung des Mitbeteiligten gerichtetes Begehren im Sinne des § 56 Abs. 1 VStG gestellt hat.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 16. Dezember 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte