Normen
SPG 1991 §16 Abs2;
SPG 1991 §64 Abs6;
SPG 1991 §65 Abs1;
SPG 1991 §65 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
SPG 1991 §16 Abs2;
SPG 1991 §64 Abs6;
SPG 1991 §65 Abs1;
SPG 1991 §65 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor (der belangten Behörde) vom 6. August 2007 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen und an den hiezu erforderlichen Maßnahmen mitzuwirken. Er wurde aufgefordert, sich dazu an einem der (drei) angeführten Termine in der jeweils genannten Polizeiinspektion einzufinden. Die belangte Behörde führte als Rechtsgrundlage § 65 Abs. 1 und 4 sowie § 77 Abs. 2 und 3 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG und § 19 AVG iVm § 77 Abs. 3 SPG an.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde dem Inhalt der zum 1. August 2007 eingeholten Strafregisterauskunft entsprechend folgende Verurteilungen des Beschwerdeführers fest:
- BG Villach 5 U 299/2002 vom 10.12.2002, rechtskräftig 13.12.2002, § 88/1 u 4 StGB, Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 12,00 EUR (480,00 EUR), im Nichteinbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe;
- Gericht Bozen (Italien) 806/2003 vom 28.01.2004, rechtskräftig 27.02.2004, versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt, Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt;
- LG Innsbruck 24 HV 30/2005 vom 07.06.2005, rechtskräftig 07.06.2005, § 287/1 (107/1) StGB, Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 10,00 EUR (2.000 EUR), im Nichteinbringungsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,00 EUR (1.000 EUR), im Nichteinbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre."
Daran anknüpfend führte die belangte Behörde nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei in den angeführten Fällen wegen einer fahrlässigen Körperverletzung, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und wegen Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung, dies im Zusammenhang mit einer gefährlichen Drohung, jeweils rechtskräftig verurteilt worden, wobei den beiden zuletzt genannten Delikten Entscheidungsrelevanz zukomme. Wenn nach § 65 Abs. 1 SPG bereits das Vorliegen eines Verdachtes ausreiche, sei ein durch die Tatsache einer rechtskräftigen Verurteilung bestätigter Verdacht wohl "umso mehr angetan, diese Ermächtigung wahrzunehmen". Die belangte Behörde begründete die Annahme, es sei auch in Zukunft mit weiteren gefährlichen Angriffen durch den Beschwerdeführer zu rechnen damit, dass er in der Vergangenheit bereits mehrfach seinen Unwillen, die durch das Strafgesetz geschützten Güter zu respektieren, unter Beweis gestellt habe. Dies sei zum einen aus den "aktenkundigen" Verurteilungen, zum anderen aber auch aus den vom Beschwerdeführer (in seiner Stellungnahme vom 2. Juli 2007) erwähnten und nicht bestrittenen Delikten, die dieser in der Vergangenheit gesetzt habe, ersichtlich. In den weiteren Ausführungen begründete die belangte Behörde, dass sie den ihr eingeräumten Ermessensspielraum nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers nützen könne, weil "die oben dargestellten Gründe" die Behörde "nicht mehr von einer vergleichsweise nur geringen Gefahr der Begehung weiterer Angriffe ausgehen" ließen. Bedenke man, dass der Sinn und Zweck einer erkennungsdienstlichen Behandlung auch in der Prävention liege, sie also den Betroffenen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten solle, so sei deren Vornahme im vorliegenden Fall notwendig. Der Beschwerdeführer solle sich im Klaren sein, dass seine Daten erfasst und registriert seien und dass er im Fall der Begehung einer weiteren Straftat damit rechnen müsse, unter Zuhilfenahme der erkennungsdienstlichen Daten ausgeforscht zu werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
In der Beschwerde wird die Notwendigkeit bestritten, wegen der den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers zugrunde liegenden Straftaten eine erkennungsdienstliche Behandlung vorzunehmen. Die letzte Straftat habe der Beschwerdeführer im Jahre 2005 in einem Telefongespräch mit dem "heimischen" Gendarmerieposten begangen, in dem er sich über das Verhalten der Beamten (aus seiner Sicht nicht nötiges wiederholtes Vorfahren zu seinem Wohnhaus, um ihn anzutreffen) aufgeregt habe. Seither habe er keine strafbaren Handlungen mehr begangen. Im Übrigen handle es sich jeweils um Tatbestände, bei denen - anders als etwa bei Diebstahl, einem Überfall oder bei Sittlichkeitsdelikten - erkennungsdienstliche Daten keine Hilfe bieten würden; bei den vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten sei die Person des Täters ohnehin bekannt gewesen.
Gemäß § 65 Abs. 1 SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich erscheint. Nach dem zweiten Satz des Abs. 5 dieser Bestimmung ist in diesen Fällen der Betroffene darauf hinzuweisen, dass die erkennungsdienstliche Behandlung deshalb erfolgte, um der Begehung gefährlicher Angriffe durch sein Wissen um die Möglichkeit seiner Wiedererkennung entgegenzuwirken.
Die amtswegige Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung (unter sicherheitspolizeilichen Gesichtspunkten) ist demnach an zwei Voraussetzungen geknüpft. Einerseits muss die betreffende Person im Verdacht stehen, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, wobei diese Voraussetzung gemäß § 64 Abs. 6 SPG auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der entsprechenden gerichtlich strafbaren Handlung bestehen bleibt. Andererseits muss die betreffende Person im Rahmen krimineller Verbindungen tätig geworden sein oder es muss die erkennungsdienstliche Behandlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe dieser Person erforderlich scheinen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0098). Diesbezüglich ist auf die spezifische Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Verhinderung weiterer gefährlicher Angriffe durch das Wissen um die Möglichkeit einer Wiedererkennung abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/01/0320, mwN).
Bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen, bei der sie sich mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit der Art des dadurch verwirklichten Deliktes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er in Zukunft gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer durch die erkennungsdienstliche Behandlung bewirkten "Vorbeugung" im erwähnten Sinn auseinander zu setzen hat (vgl. grundlegend zur Fassung des § 65 SPG nach der Novelle 2002 das - die davor ergangene Rechtsprechung - aufrecht erhaltende Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2002/01/0592, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird; siehe daran anschließend etwa zuletzt das Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2005/01/0803).
Die wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides entspricht diesen Anforderungen schon deshalb nicht, weil ihr keine Feststellungen hinsichtlich der beiden als entscheidungswesentlich angesehenen Verurteilungen wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der im Zustand voller Berauschung begangenen gefährlichen Drohung zu entnehmen sind (vgl. dazu etwa das schon erwähnte Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0098). Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang auch, dass vor dem Hintergrund des - bei der Definition des gefährlichen Angriffes auf Vorsatztaten abstellenden - § 16 Abs. 2 SPG aus der (im Übrigen schon viereinhalb Jahre zurückliegenden) Verurteilung wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes für die hier anzustellende Prognose nichts zu gewinnen ist. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer selbst erwähnten, aber offenbar schon getilgten Verurteilungen aus 1992 wegen "Amtsanmaßung" und aus 1997 zu einer Geldstrafe wegen Verleumdung. Angesichts dessen ist die Prognose, der Beschwerdeführer werde - trotz seines mittlerweile gezeigten Wohlverhaltens seit der letzten Tat - auch in Hinkunft als gefährliche Angriffe zu qualifizierende strafbare Handlungen begehen, nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus wurde von der belangten Behörde nicht dargetan, dass es sich bei den in Bezug auf den Beschwerdeführer befürchteten gefährlichen Angriffen um Delikte handeln könnte, bei denen sein Wissen um die - wegen der davor erfolgten erkennungsdienstlichen Behandlung bestehende - Möglichkeit einer Wiedererkennung spezialpräventiv (vorbeugend) wirken könnte (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/01/0147; siehe dazu auch das Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0473).
Die auf einer Verkennung der dargestellten Voraussetzungen für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung beruhende Unterlassung entscheidungswesentlicher Feststellungen muss somit zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes führen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. Oktober 2007
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