VwGH 2007/21/0292

VwGH2007/21/029230.8.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 13. Juni 2007, Zl. 2 FR 347/1999 (auch: 2 F / 347/1999), betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §65;
AVG §66 Abs4;
AVG §65;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde (im dritten Rechtsgang) gegen den Beschwerdeführer, einen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten algerischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z 1 sowie den §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Gegen den Beschwerdeführer sei in erster Instanz mit Bescheid vom 29. April 1999 ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dem sei eine rechtskräftige Verurteilung vom 15. Februar 1999 nach den §§ 127, 130 erster Deliktsfall (teilweise nach § 15), 135 Abs. 1 sowie 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt nachgesehen, zu Grunde gelegen. Nach Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides sei der Beschwerdeführer weitere fünf Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden:

1. am 4. August 1999 nach den §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen;

2. am 11. Juni 2001 nach den §§ 12, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen;

3. am 19. März 2003 nach den §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen;

4. am 7. Juni 2004 nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 und 129

Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten;

5. am 5. Dezember 2005 nach den §§ 127 und 15 StGB zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen.

Zu diesen Verurteilungen (mit Ausnahme jener vom 4. August 1999 und der letztgenannten) legte die belangte Behörde des Weiteren das diesen zu Grunde liegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers dar. So sei etwa der Verurteilung vom 7. Juni 2004 vorangegangen, dass der Beschwerdeführer unter anderem 47 Uhren im Wert von ca. EUR 10.000,-- durch Einsteigen in das Gebäude nach Einschlagen von Fenstern gestohlen habe.

Aus dem gesamten Fehlverhalten schloss sie auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Der Beschwerdeführer habe mehrfach, zum Teil gewerbsmäßig, Verbrechenstatbestände in Form des Diebstahls und schweren Diebstahls durch Einbruch begangen. An dieser Prognose könnten sein Wohlverhalten nach der Haftentlassung im August 2005 und die Zuteilung eines Bewährungshelfers nichts ändern, weil der Zeitraum des Wohlverhaltens jedenfalls seit der Begehung der letzten Straftat zu kurz sei und es sich beim Beschwerdeführer um einen Wiederholungstäter im Bereich der Eigentumskriminalität handle. Als erschwerend hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer auch nach Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides strafbare Verhalten gesetzt und den "Schweregrad" gesteigert habe.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - sei mit einer Österreicherin verheiratet, mit welcher er zwei Kinder habe. Es sei jedoch ein Scheidungsverfahren anhängig und er lebe von seiner Familie getrennt. Der Beschwerdeführer sei langjährig als Pizzakoch berufstätig.

Aus diesen Umständen schloss die belangte Behörde auf einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen massiven Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Sie erachtete diesen Eingriff jedoch als dringend geboten und wertete die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes als nicht schwerer wiegend als die Abstandnahme von dessen Erlassung. Sie verwies auf die große Wiederholungsgefahr hinsichtlich der strafbaren Handlungen gegen fremdes Eigentum, die der Beschwerdeführer über einen Zeitraum von 1998 bis 2005 gesetzt habe, und die manifestierte Neigung des Beschwerdeführers zu Straftaten wie gewerbsmäßigem Diebstahl und schwerem Diebstahl durch Einbruch.

Letztlich erachtete sie unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer eine Verkürzung des Aufenthaltsverbotes von zehn auf fünf Jahre als sachgerecht und meinte, dass sie die Ermessensentscheidung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers habe ausüben können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Der hier maßgebliche § 86 Abs. 1 FPG lautet (auszugsweise):

"Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung und für verfahrensfreie Maßnahmen

§ 86. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2)..."

Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen der ersten vier Sätze der zitierten Bestimmung gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2006/21/0243). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die erste, zweite und vierte Alternative dieses Tatbestandes ist im gegenständlichen Fall ausgehend von den vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten strafgerichtlichen Verurteilungen erfüllt.

Entgegen der Beschwerdemeinung kann der Gerichtshof die Wertung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erkennen, dass ausgehend vom persönlichen Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Fall seines Verbleibes in Österreich zu bejahen sei. Zu dieser Beurteilung durfte die belangte Behörde das massive Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegen fremdes Eigentum und die Straffälligkeit in gesteigertem Ausmaß auch nach Erlassung eines erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides heranziehen. Entgegen der Beschwerdemeinung durfte sie auch das Wohlverhalten nach Entlassung aus der Strafhaft als zu kurz betrachten, um die Gefährlichkeitsprognose verneinen zu können. Der Umstand allein, dass sich - wie in der Beschwerde behauptet - der Alkoholkonsum des Beschwerdeführers sehr verringert habe, trägt nichts Entscheidendes bei.

Gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Auch der Beurteilung der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei, haftet keine Rechtswidrigkeit an. Es kann zwar der Beschwerdeführer auf einen inländischen Aufenthalt seit 1997 und eine berufliche Integration verweisen und er ist mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er zwei Kinder hat. Seine familiären Interessen durfte die belangte Behörde jedoch durchaus als gemindert ansehen, weil der Beschwerdeführer von seiner Familie getrennt lebt und ein Scheidungsverfahren anhängig ist. Entscheidend ist, dass dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an der Verhinderung einer derart schweren Eigentumskriminalität gegenüber steht, wie sie vom Beschwerdeführer über einen langen Zeitraum in gesteigerter Form verübt wurde.

Unberechtigt ist weiters die Rüge, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung schlechter gestellt sei als durch das ursprünglich im Jahr 1999 auf zehn Jahre befristete Aufenthaltsverbot. Zum einen hat nämlich die Berufungsbehörde die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 2006, Zl. 2003/21/0036, und vom 30. Jänner 2007, Zl. 2005/21/0337). Zum anderen stellte sich das strafrechtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bedeutend gravierender dar als noch bei Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides.

Wegen des Vorliegens einer Verurteilung, die im Sinn des § 55 Abs. 3 FPG einem Verfestigungstatbestand entgegenstünde, wäre eine Ermessensübung der belangten Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht im Sinn des Gesetzes gelegen gewesen.

Letztlich haftet dem angefochtenen Bescheid, wie der Wiedergabe seiner Begründung zu entnehmen ist, ein Begründungsmangel im Sinn der §§ 58 und 60 AVG nicht an und es vermag die Beschwerde die Relevanz der von ihr behaupteten Verfahrensmängel auch nicht darzulegen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. August 2007

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