VwGH 2006/18/0179

VwGH2006/18/01793.7.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des D S, geboren am 2. Juli 1976, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 16. Mai 2006, Zl. Fr-59/06, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Mai 2006 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (die belangte Behörde) den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung u.a. vorgebracht, derzeit gemeinsam mit einer Freundin in Salzburg zu wohnen. Von seiner Mutter, die österreichische Staatsangehörige wäre, würde er monatlich eine regelmäßige Unterhaltsleistung erhalten. Er würde beabsichtigen, mit seiner Schwester und seiner Mutter zusammen zu ziehen.

Laut Aktenlage sei der Beschwerdeführer in den Jahren 1992 bis 1994 bei seinen Eltern und seiner Schwester in Österreich aufhältig gewesen. Am 13. Dezember 2000 sei ihm erstmals eine bis 30. April 2001 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums erteilt worden. In der Folge seien ihm "quotenfreie Aufenthaltserlaubnisse" mit einer Gültigkeitsdauer bis 1. September 2004 erteilt worden. Am 18. August 2004, also vor Ablauf der letzten Aufenthaltserlaubnis, habe der Beschwerdeführer auf Grund eines "Firmenabtretungsvertrages" einen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer quotenfreien Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der selbständigen Erwerbstätigkeit eingebracht. Dieser Antrag sei am 6. Dezember 2005 rechtskräftig abgewiesen worden. Seit diesem Tag halte sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. "Die Einhaltung der fremdenpolizeilichen Bestimmungen, vor allem aufenthaltsrechtliche Vorschriften, ist aus Gründen der Sicherheits- und Kriminalpolizei von höchster Bedeutung." Der unrechtmäßige Aufenthalt in der Dauer von etwa sechs Monaten stelle eine schwere Verletzung dieser Vorschriften dar, weshalb die Gründe zur Erlassung einer Ausweisung gegeben seien.

Es sei zu prüfen, ob unter Bedachtnahme auf § 66 FPG die Ausweisung auch geboten und erforderlich sei. Hiezu sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Namen der mit ihm gemeinsam wohnenden Freundin nicht gekannt habe. Nach der Aktenlage handle es sich um keine aufrechte Lebensgemeinschaft. Auf Grund der "Existenz" der Mutter und der Schwester in Salzburg werde "im Falle der Abschiebung" nur geringfügig in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Bei Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen sei jedoch festzustellen, dass der sechs Monate dauernde illegale Aufenthalt "von der österreichischen Rechtsordnung her gravierend verpönt ist und ihren familiären Bindungen überzuordnen ist". Eine berufliche Integration "wird auf Grund ihrer Berufsausübung als Fernfahrer, der in ganz Europa unterwegs ist, nicht erfolgt sein".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass seine Mutter, eine österreichische Staatsangehörige, am 8. März 2006 in Deutschland ihren Wohnsitz genommen habe, er sie dorthin begleitet habe und seither dort lebe. Der Beschwerdeführer sei daher begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG.

1.2. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, gemeinsam mit seiner Mutter in Deutschland zu leben. Bei der niederschriftlichen Vernehmung am 14. Februar 2006 hat er ausgesagt, derzeit bei seiner Schwester in Salzburg zu leben. Er habe die Absicht, ab 1. Mai mit seiner Mutter eine Wohnung im selben Haus zu beziehen. In der am 30. März 2006 - also bereits nach der angeblichen Übersiedlung nach Deutschland - verfassten Berufung hat der Beschwerdeführer ebenfalls vorgebracht, derzeit in Salzburg zu wohnen und die Absicht zu haben, ab Mai gemeinsam mit seiner Mutter in eine Salzburger Wohnung zu ziehen.

Beim oben dargestellten Beschwerdevorbringen handelt es sich somit um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), die überdies im Widerspruch zum Berufungsvorbringen steht.

2. Der Beschwerdeführer hat bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass seine Mutter österreichische Staatsbürgerin sei. Eine Kopie des Verleihungsbescheides vom 14. Februar 2006 befindet sich bei den Verwaltungsakten. Nach dem von der belangten Behörde zu berücksichtigenden Akteninhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter des Beschwerdeführers ihr gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hat. Schon deshalb hatte die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht als begünstigten Familienangehörigen im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG zu behandeln. Da der Beschwerdeführer bereits volljährig ist, ist er auch nicht als Familienangehöriger im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG seiner nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Mutter anzusehen. Im Übrigen umfasst der für Angehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und Österreichern geltende Verweis in § 87 FPG auf die u.a. für begünstigte Drittstaatsangehörige geltende Regelung des § 86 leg. cit. nicht den die Ausweisung betreffenden § 86 Abs. 2 leg. cit. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/21/0330).

Die belangte Behörde hat die gegenständliche Ausweisung daher zu Recht auf § 53 FPG gestützt.

3. Unstrittig wurde der vom Beschwerdeführer rechtzeitig gestellte Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels am 6. Dezember 2005 rechtskräftig abgewiesen. Damit endete die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 31 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75.

Auf Grundlage des Inhaltes der Verwaltungsakten verblieb der Beschwerdeführer bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Bundesgebiet. Darauf basierend kann die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Zur Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG:

Die belangte Behörde hat zunächst festgestellt, dass der Beschwerdeführer von 1992 bis 1994 bei seinen Eltern und seiner Schwester in Österreich gelebt habe. Von 13. Dezember 2000 bis 30. April 2001 sei er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums gewesen. In der Folge seien ihm "quotenfreie Aufenthaltserlaubnisse" bis 1. September 2004 erteilt worden.

In Ansehung des § 66 Abs. 1 hat die belangte Behörde ausgeführt, dass die Ausweisung auf Grund der "Existenz" von Mutter und Schwester in Salzburg nur mit einem geringfügigen Eingriff in das Familienleben verbunden sei. Die Beeinträchtigung öffentlicher Interessen auf Grund des unberechtigten Aufenthalts sei diesen familiären Bindungen "überzuordnen". Eine berufliche Integration werde auf Grund der Tätigkeit als Fernfahrer, der in ganz Europa unterwegs sei, "nicht erfolgt sein".

Diese Begründung reicht für die Überprüfbarkeit der Frage der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 66 Abs. 1 FPG nicht aus.

Zunächst hat die belangte Behörde zwar das Vorbringen des Beschwerdeführers wiedergegeben, dass seine Mutter, die ihm eine regelmäßige Unterhaltsleistung gewähre, Österreicherin sei und er beabsichtige, mit Mutter und Schwester zusammenzuziehen. Zu diesen für die Gewichtung der familiären Interessen in Österreich relevanten Umständen, hat sie jedoch keine Feststellungen getroffen. Nach Ansicht der belangten Behörde sei aus der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers schon deshalb keine Integration abzuleiten, weil der Beschwerdeführer als Fernfahrer in ganz Europa unterwegs sei. Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Sollte der Beschwerdeführer im Einklang mit der österreichischen Rechtsordnung tätig gewesen sein, so wäre daraus sehr wohl eine berufliche Integration und damit eine Verstärkung der privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet verbunden. Insofern beruht der angefochtene Bescheid daher auf einer Verkennung der Rechtslage. Auf Grund dessen hat die belangte Behörde keine näheren Feststellungen zu den für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers relevanten Umständen getroffen.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der österreichischen Staatsangehörigkeit der Mutter des Beschwerdeführers, der beabsichtigten gemeinsamen Wohnungnahme mit Mutter und Schwester und der Berufstätigkeit als Fernfahrer zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gekommen wäre.

5. Auf Grund der dargestellten Verkennung der Rechtslage war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 3. Juli 2007

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