VwGH 2006/18/0161

VwGH2006/18/016125.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des M G in W, geboren 1978, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 34, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 3. Mai 2006, Zl. 144.822/2- III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §47 Abs1;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
VwRallg;
FrG 1997 §47 Abs1;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 3. Mai 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 10. Mai 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe über eine von 28. August 2003 bis 20. November 2003 gültige Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "kurzfristig Kunstausübende selbständig" verfügt und am 19. November 2003 einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei am 6. April 2004 in erster Instanz abgewiesen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zulässig sei. Nach Zustellung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer den Asylantrag am 14. April 2004 zurückgezogen. Daher sei der erstinstanzliche Asylbescheid in Rechtskraft erwachsen. Während der Dauer des Asylverfahrens habe der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt.

Am 6. April 2004 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Am 10. Mai 2004 habe er den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" gestellt. Am 20. September 2005 sei die Ehe des Beschwerdeführers einvernehmlich geschieden worden.

Auf Grund der Ehe mit einer Österreicherin sei der Beschwerdeführer berechtigt gewesen, den gegenständlichen Antrag vom 10. Mai 2004 im Inland zu stellen. Nach der einvernehmlichen Scheidung vom 20. September 2005 sei der Beschwerdeführer nicht mehr berechtigt gewesen, den Ausgang des Verfahrens im Inland abzuwarten. Er sei jedoch weiterhin im Bundesgebiet verblieben.

Der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, der kurdischen Minderheit anzugehören und seit dem Jahr 2000 durch Hausdurchsuchungen unter Druck gesetzt worden zu sein. Des Weiteren wäre er öfter auf der Straße angehalten und befragt worden. Die Zivilpolizei hätte herausfinden wollen, ob der Beschwerdeführer Kontakt zu einem mit ihm verwandten Führer einer Oppositionspartei gehabt hätte. Dazu werde festgehalten, dass dieses Vorbringen im Asylverfahren umfassend geprüft und als nicht ausreichend beurteilt worden sei. Die Befürchtungen des Beschwerdeführers betreffend die Bedrohung in seinem Heimatland könnten daher nicht als humanitäre Gründe für die Zulassung der Inlandsantragstellung herangezogen werden.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung vorgebracht, beschäftigt zu sein, und habe auf das zwischen der EWG und der Türkei abgeschlossene Assoziationsabkommen verwiesen. Die Berufung auf dieses Abkommen sei nicht zielführend, weil es nur dann Anwendung finde, wenn die Beschäftigung des türkischen Arbeitnehmers im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaates stehe. Der Beschwerdeführer habe jedoch noch keinen Aufenthaltstitel erhalten.

Der Beschwerdeführer hätte daher den Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag gemäß § 21 NAG vom Ausland aus abwarten müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, bisher noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt zu haben, bringt aber vor, während des Bestehens der Ehe mit einer Österreicherin zur Inlandsantragstellung und damit zum Aufenthalt berechtigt gewesen zu sein. Während dieser Zeit habe er mehr als ein Jahr beim selben Arbeitgeber gearbeitet und daher nach dem auf Grundlage des Assoziationsabkommens EWG-Türkei ergangenen Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB) einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erworben.

2. Nach Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB erwirbt ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines EU-Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung den Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitsgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt.

Einem türkischen Arbeitnehmer, der diese Voraussetzungen erfüllt, kommt unmittelbar auf Grund des ARB die "Assoziationsfreizügigkeit" - und damit ein Aufenthaltsrecht - zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1998, Zl. 97/18/0648). Voraussetzung für den Erwerb dieses Rechts ist, dass sowohl die Beschäftigung des betroffenen türkischen Arbeitnehmers im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen, als auch sein Aufenthalt im Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates steht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2005/18/0494).

3. Der Beschwerdeführer hat am 6. April 2004 eine Österreicherin geheiratet und ab diesem Zeitpunkt gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 1 des mit 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, "Niederlassungsfreiheit" genossen. Er war zwar gemäß § 49 Abs. 1 FrG zur Inlandsantragstellung - und zum Abwarten des Verfahrens im Inland - berechtigt, bedurfte jedoch für die Rechtmäßigkeit seiner Niederlassung einer Niederlassungsbewilligung, die ihm gemäß § 47 Abs. 2 FrG unter der Voraussetzung, dass sein Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet, auszustellen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2002/18/0302). Während des Verfahrens zur Erteilung einer derartigen Bewilligung hatte der Beschwerdeführer daher nur eine vorübergehende aufenthaltsrechtliche Position inne.

Da die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers somit während aufrechter Ehe nur auf Grundlage einer bloß vorübergehenden aufenthaltsrechtlichen Position ausgeübt wurde, hat der Beschwerdeführer entgegen seinem Vorbringen die Rechtsstellung gemäß Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB nicht erworben.

Hinzugefügt sei, dass der Beschwerdeführer als Ehegatte einer in Österreich lebenden Österreicherin auch nicht auf Grund unmittelbar anzuwendenden Gemeinschaftsrecht zur Niederlassung berechtigt war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2007, Zl. 2007/18/0209).

4. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

Da der Beschwerdeführer - wie dargestellt - bisher nicht rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, kommt die im § 21 Abs. 2 Z. 2 NAG normierte Ausnahme von diesem Grundsatz nicht zum Tragen. Dafür, dass einer der anderen Ausnahmetatbestände des § 21 Abs. 2 NAG auf den Beschwerdeführer zuträfe, ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Das Recht, den Antrag vom Inland aus zu stellen - und die Entscheidung hierüber im Inland abzuwarten - käme daher ab Inkrafttreten des NAG mit 1. Jänner 2006 nur gemäß dessen § 74 in Betracht. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde bei Vorliegen humanitärer Gründe die Inlandsantragstellung von Amts wegen zulassen. Ein durchsetzbares - und vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes - Recht auf Inlandsantragstellung wird dem Fremden damit jedoch nicht eingeräumt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153). Da eine amtswegige Zulassung der Inlandsantragstellung unstrittig nicht erfolgte, steht der Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung der Grundsatz des § 21 Abs. 1 NAG, wonach der Antrag im Ausland zu stellen und das Verfahren dort abzuwarten ist, entgegen.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. September 2007

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