VwGH 2006/08/0097

VwGH2006/08/00974.7.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in M, vertreten durch Mag. Rolf Gabron, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Peter-Wunderlichstraße 17, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 27. Jänner 2006, Zl. LGS/SfA/05662/2006, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §7;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs3;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §7;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 9. September 2005 teilte das Arbeitsmarktservice Spittal/Drau dem seit dem Jahre 2002 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehenden Beschwerdeführer Folgendes mit:

"Wir freuen uns, Sie zur Vorauswahl für folgendes Stellenangebot einladen zu können:

Der Regionalverband Nockregion sucht für das Projekt Kärnten Wasserreich noch geeignete Mitarbeiter/Innen, die dem AMS förderbaren Personenkreis zugeordnet werden können. 2 Hilfsarbeiter/innen wechselnder Art befristetes Dienstverhältnis - Beschäftigung von 19.09.2005 bis 18.12.2005. Anforderungen:

idealerweise handwerklicher Beruf Richtung Bau- Baunebengewerbe (Maurer/In, Maler/In oder Helfer/In in diesem Bereich)

Arbeitszeit: nach Absprache. Mitfahrgelegenheit ab Spittal mit Firmenbus möglich. Entlohnung nach Vereinbarung. Arbeitsort REGION

LIESER-MALTATAL. Dienstgeber: REGIONALVERBAND NOCKREGION.

Zu diesem Zweck findet am 14.09.2005 um 09.00 Uhr im AMS Spittal/Drau, ... eine Jobbörse statt. Um pünktliches Erscheinen wird ersucht."

Am 12. September 2005 wurde beim Arbeitsmarktservice Spittal/Drau mit dem Beschwerdeführer wegen "Nichtannahme bzw. Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung" eine Niederschrift aufgenommen, in der es unter anderem heißt:

"(Der Beschwerdeführer) wurde vom Arbeitsmarktservice am 9.9.2005 eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter wechselnder Art beim Dienstgeber Regionalverband Nockregion mit einer Entlohnung von brutto EUR 0,00 - derzeit nicht bekannt - zugewiesen. Möglicher Arbeitsantritt am 19.9.2005.

Ich (Beschwerdeführer) erkläre nach Belehrung über die Rechtsfolgen nach § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) - Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für sechs bzw. acht Wochen - dass sich zu den nachstehenden Gründen für die Nichtannahme bzw. Nichtzustandekommen dieser Beschäftigung befragt wurde und hinsichtlich

... der angebotenen beruflichen Verwendung folgende Einwendungen habe: mein derzeitiger Ausbildungsstand, der unter großem persönlichen und finanziellen Einsatz erworben wurde und seine Perfektionierung unter weiterhin nahezu tagtäglichem Lernen erfährt."

Zur Entlohnung der Tätigkeit, zur Arbeitszeit, zu den erforderlichen körperlichen Fähigkeiten, zur Frage der "Gesundheit und Sittlichkeit" und zur täglichen Wegzeit wurde in der Niederschrift festgehalten, dass diese Umstände nicht bekannt seien.

Mit Bescheid vom 4. November 2005 stellte das Arbeitsmarktservice Spittal/Drau fest, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom 19. September bis zum 13. November 2005 den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe und eine Nachsicht nicht erteilt werde. Nach der Begründung habe er sich geweigert, die vom Arbeitsmarktservice Spittal/Drau zugewiesene zumutbare Beschäftigung beim Regionalverband Nockregion anzunehmen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, es handle sich bei der zugewiesenen Beschäftigung um keine "dezidiert zugewiesene Arbeitsstelle ..., sondern ein Vorauswahlverfahren im Rahmen eines Projektes, eine Jobbörse"; nicht einmal die Entlohnung sei bekannt. Eine seinen Vorstellungen entsprechende Bezahlung könne nicht erwartet werden. Er habe seiner Beraterin mitgeteilt, dass er für 1.500,-- monatlich bereit sei, diese zeitlich befristete Arbeit anzunehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung gab sie den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die Rechtslage dar. Zu der zugewiesenen Beschäftigung stellte die belangte Behörde fest, es habe sich dabei um ein gefördertes befristetes Dienstverhältnis im Rahmen des gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes gehandelt. Die Beschäftigung wäre nach der Stellungnahme der zuständigen Beraterin geeignet gewesen, die Langzeitarbeitslosigkeit des Beschwerdeführers zu beenden und ihn wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Beschäftigung hätte allen Zumutbarkeitskriterien des § 9 AlVG entsprochen. Die Stelle hätte nach persönlicher Bewerbung bei Herrn K. vor Ort, dass heißt im Arbeitsmarktservice Spittal/Drau, besetzt werden sollen. Der Beschwerdeführer habe die Annahme der Stelle dezidiert abgelehnt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei von Vornherein nicht bereit gewesen, sich bei Herrn K. vorzustellen. Es habe daher über die Arbeitszeiten, die tägliche Wegzeit und die konkret angebotene Entlohnung nicht näher gesprochen werden können. Es wären sämtliche arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen eingehalten worden. Der Wunsch des Beschwerdeführers, mindestens 1.500,-- EUR netto verdienen zu wollen, könne als Vereitelung angesehen werden, zumal eine derartige Überzahlung für Helferstellen nicht üblich sei. Durch seine Weigerung, den Vorstellungstermin wahrzunehmen, habe der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 10 AlVG verwirklicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 77/2004 ist arbeitswillig,

"wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."

Eine Beschäftigung ist gemäß Abs. 2 leg. cit. zumutbar, "wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen

Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung."

Nach § 10 Abs. 1 Z. 1 und 4 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 77/2004 (vgl. § 79 Abs. 78 AlVG) verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt oder auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z. 1 bis 4 folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Es kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen, ob die Zuweisung des Beschwerdeführers zu einer "Jobbörse" eine Zuweisung im Sinne des § 9 AlVG war und daher an sich unter der Sanktion des § 10 AlVG gestanden ist, weil im Beschwerdefall unter der Bezeichnung "Jobbörse" ohnehin eine Vermittlung zu einem konkret bezeichneten potenziellen Arbeitgeber zu einem bestimmten, dem Beschwerdeführer genau bezeichneten (wenngleich offenbar auch anderen Arbeitslosen zugänglichen) Vorstellungstermin erfolgte (vgl. das Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl. 2005/08/0106). Es ist für den Beschwerdefall auch nicht entscheidend, ob anstelle einer - wie die belangte Behörde meint - Vermittlung eine sonst sich bietende Gelegenheit vorliegt (vgl. das Erkenntnis vom 20. April 2005, Zl. 2004/08/0037), weil in beiden Fällen die Sanktion des § 10 AlVG verhängt werden kann.

In der Sache ist im Beschwerdefall strittig, ob sich der Beschwerdeführer zu Recht geweigert hat, den ihm genannten Vorstellungstermin wahrzunehmen. Dies hätte vorausgesetzt, dass die in Aussicht genommene Beschäftigung unzumutbar gewesen ist.

Kann ein Arbeitsloser, wenn er einer Beschäftigung zugewiesen worden ist, keine Gründe für deren Unzumutbarkeit anführen, ist er nicht berechtigt sich zu weigern, einen vom Arbeitsmarktservice für ihn - wenn auch im Rahmen einer "Jobbörse" - vereinbarten Vorstellungstermin wahrzunehmen. Nach der hg. Rechtsprechung überlässt es das Gesetz nämlich der arbeitslosen Person selbst, vorerst die näheren Bedingungen der ihr von der regionalen Geschäftsstelle bekannt gegebenen Beschäftigungsmöglichkeit (wie Inhalt der Arbeitsverpflichtung, Arbeitszeit, Entlohnung u.ä.) mit dem potenziellen Arbeitgeber zu besprechen, und verpflichtet sie sodann, dessen Angebot - wenn dies nach den gesetzlichen Kriterien zumutbar ist - anzunehmen (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2003/08/0039).

Es trifft den Arbeitslosen demnach zunächst - so ihm keine Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Tätigkeit bekannt sind - die Verpflichtung, sich beim potentiellen Dienstgeber vorzustellen. Weigert er sich dagegen, den Vorstellungstermin wahrzunehmen und kann er im Verwaltungsverfahren keine konkreten Gründe für die Unzumutbarkeit der Beschäftigung nennen, ist die belangte Behörde im Falle der Verhängung einer Sperrfrist nicht gehalten, sich mit der Frage der Zumutbarkeit der Tätigkeit näher auseinander zu setzen. Ist eine Beschäftigung nicht evident unzumutbar bzw. hat das Arbeitsmarktservice nicht von vorne herein Kenntnis von einem die Unzumutbarkeit der Beschäftigung begründenden Umstand, kann es den Arbeitslosen zu dieser Tätigkeit zuweisen. Es liegt dann am Arbeitslosen, die näheren Bedingungen der bekannt gegebenen Beschäftigungsmöglichkeit bei einem Vorstellungsgespräch zu erörtern.

Nur wenn ein Arbeitsloser die Zumutbarkeit einer zugewiesenen Arbeitsstelle gegenüber dem Arbeitsmarktservice ganz konkret bestreitet, hat sich das Arbeitsmarktservice mit dieser Frage in der Begründung ihres Bescheides auseinander zu setzen. Das Arbeitsmarktservice hat dann - erforderlichenfalls - darzutun, welche Anforderungen mit der zugewiesenen Beschäftigung verbunden sind und ob der Arbeitslose nach seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten diesen Anforderungen genügt, sowie dass mit der in Aussicht genommenen Stelle auch eine konkret anzugebende, angemessene, insbesondere dem in Betracht kommenden Kollektivvertrag entsprechende Entlohnung verbunden ist (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2004/08/0053).

Im Beschwerdefall behauptet der Beschwerdeführer weder in der Niederschrift vom 12. September 2005 noch in seiner Berufung Umstände, die die Unzumutbarkeit der Beschäftigung begründen könnten. Allein die Vermutung, die Entlohnung könnte nicht seinen Vorstellungen entsprechen, stellt die Zumutbarkeit der Beschäftigung nicht in Frage. Nach der dargestellten Rechtsprechung lag demnach eine ungerechtfertigte Weigerung des Beschwerdeführers vor, die die belangte Behörde nicht zum Anlass nehmen musste, die Zumutbarkeitskriterien von sich aus einer Prüfung zu unterziehen, sondern berechtigte, ohne weitere Ermittlungen über den Inhalt der Beschäftigung eine Sanktion nach § 10 AlVG zu verhängen.

Soweit der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde konkrete Umstände behauptet, die die Beschäftigung für ihn unzumutbar gemacht habe, kann darauf wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht eingegangen werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 4. Juli 2007

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