VwGH 2006/07/0109

VwGH2006/07/010925.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde der Claudia K in P, vertreten durch Dr. Udo Elsner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. Juli 2006, Zl. UVS-06/27/7035/2005/12, betreffend Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
VStG §16 Abs2;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §51 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §66 Abs4;
VStG §16 Abs2;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §51 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid, der in Ansehung seines Spruchpunktes II. mangels Anfechtung unberührt bleibt, wird im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den

23. Bezirk (im Folgenden: MBA) vom 11. März 1985 wurde gemäß § 81 Gewerbeordnung 1973 - GewO 1973 die Änderung der (mit rechtskräftigen Bescheiden vom 28. August 1961, 23. Juni 1969 und 12. Jänner 1979 in der Fassung des Bescheides vom 1. September 1983) genehmigten Betriebsanlage in Wien, in welcher Franz H. ein Alteisen- und Altmateriallager betreibe, nämlich die Errichtung einer oberirdischen Dieseltankanlage für betriebseigene Fahrzeuge und die beabsichtigte Errichtung eines Flüssiggaslagers, genehmigt, dies unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen gemäß § 77 leg. cit. und § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz.

Mit Bescheid vom 10. Juli 1998 sprach das MBA aus, dass die genannte Betriebsanlage und Änderungen dieser Betriebsanlage zur Ausübung des Gewerbes "Handel mit Alteisen" rechtskräftig genehmigt worden seien und auf Grund des § 79 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 und des § 94 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz eine näher bezeichnete zusätzliche Auflage und Bedingung vorgeschrieben werde.

Franz H. ist am 2. September 2001 verstorben. Im Verlassenschaftsverfahren wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Liesing vom 19. Dezember 2001 der Beschwerdeführerin (laut dem Beschwerdevorbringen die Tochter des verstorbenen Gewerbeinhabers) die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen (§ 810 ABGB iVm § 145 Außerstreitgesetz).

Mit Schreiben vom 16. September 2004 erstattete die Abteilung für Umweltschutz des Amtes der Wiener Landesregierung beim MBA gegen die Beschwerdeführerin als gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich Verantwortliche Anzeige wegen Verdachtes der Begehung von Verwaltungsübertretungen nach § 79 Abs. 2 Z 11 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, weil anlässlich einer am 1. September 2004 durchgeführten Überprüfung der im Bereich der gegenständlichen Behandlungsanlage befindlichen Dieseltankstelle durch den Amtssachverständigen festgestellt worden sei, dass näher bezeichnete, in den obgenannten Bescheiden vom 11. März 1985 und 10. Juli 1998 erteilte Auflagen nicht eingehalten worden seien.

Die mit Schreiben des MBA vom 24. September 2004 zur Rechtfertigung aufgeforderte Beschwerdeführerin legte dem MBA durch ihren Rechtsvertreter am 20. Oktober 2004 die schriftliche Stellungnahme vom 19. Oktober 2004 vor.

Mit Bescheid vom 2. August 2005 traf das MBA den folgenden Ausspruch:

"Sie (die Beschwerdeführerin) haben als gemäß Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 19.12.2001 (...) mit der Besorgung und Verwaltung des gesamten Nachlasses der Verlassenschaft nach Franz H (...) Betraute und somit gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991 zur Vertretung dieser Verlassenschaft nach außen Berufene zu verantworten, dass diese als Betreiberin in der Abfallbehandlungsanlage in (Wien) am 1.9.2004 beim Betrieb dieser Anlage

1.) folgende Auflagen des rechtskräftigen Bescheides vom 11.3.1985, (...), nicht eingehalten hat wie folgt:

a) Auflage Nr. 3 lautend: 'Die elektrische Anlage ist gem. § 12 ÖVE - E 5, Teil 1/1981 durch einen befugten Fachmann binnen 2 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides und sodann wenigstens alle Jahre überprüfen zu lassen. Über diese Überprüfungen sind Überprüfungsbefunde auf verrechenbarer Drucksorte VD 390, oder auf inhaltlich Gleichwertigem erstellen zu lassen und fortlaufend geordnet in der Betriebsanlage zur Einsicht durch die Überwachungsorgane der Behörde bereitzuhalten.',

b) da auf Verlangen eines Amtssachverständigen der MA 36/T kein Elektrobefund für die Tankstelle vorgelegt werden konnte.

c) Auflage Nr. 22 lautend: 'Vor dem Lagerbehälter ist eine flüssigkeitsdichte Fläche im Ausmaß von mind. 3 x 6 m herzustellen',

d) da die vor dem Lagerbehälter befindliche Betankungsfläche im Ausmaß von 3 x 6 m nicht flüssigkeitsdicht war.

2.) folgende Auflage des rechtskräftigen Bescheides vom 10.7.1998, (...), lautend: 'Die Betankungsfläche ist ausreichend vor Niederschlagswässern zu schützen. Dieser Bereich ist mit einer flüssigkeitsdichten Auffangwanne mit einem Fassungsvermögen von mindestens 200 l zu versehen.'

nicht eingehalten hat, da die Betankungsfläche weder gegen Niederschlagswässer geschützt noch mit einer Auffangwanne versehen war.

Sie (die Beschwerdeführerin) haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Ad 1) § 79 Abs. 2 Z. 11 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 in Verbindung mit den Auflagepunkten 3 und 22 des Bescheides vom 11.3.1985, (...)

Ad 2) § 79 Abs. 2 Z. 11 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 in Verbindung mit dem gemäß § 79 GewO 1994 und § 94 Abs. 3 ASchG zusätzlich vorgeschriebenen Auflagepunkt des Bescheides vom 10.7.1998, (...)

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie (die Beschwerdeführerin) folgende Strafen verhängt:

3 Geldstrafen zu je EUR 2.200,--, zusammen EUR 6.600,--, falls diese uneinbringlich sind, 3 Ersatzfreiheitsstrafen von je 1 Woche 4 Tagen 4 Stunden, zusammen 4 Wochen 5 Tage 12 Stunden,

gemäß § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 iVm § 77 Abs. 2 leg. cit. (...)"

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid die Berufung vom 22. August 2005.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS) führte im Berufungsverfahren die Verhandlung vom 3. Mai 2006 durch, an der die Beschwerdeführerin und ihr Rechtsvertreter teilnahmen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. Juli 2006 traf der UVS folgenden Ausspruch:

"Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat (...) in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 3.5.2006 über die Berufung der (Beschwerdeführerin) gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien 2.8.2005 (...) entschieden:

I.) Gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung zu Spruchpunkt 1a) insoweit Folge gegeben, als die Berufungswerberin gemäß § 21 VStG ermahnt und von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird. Im Übrigen wird das Straferkenntnis bestätigt.

II.) Gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung zu Spruchpunkt 1b) Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

III.) Gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung zu Spruchpunkt 2) insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 1.800 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 3 Wochen herabgesetzt wird.

(...)"

Begründend führte der UVS nach Darstellung des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens im Wesentlichen aus, dass die gegenständliche Abfallbehandlungsanlage im Sinn des § 2 Abs. 7 Z 1 AWG 2002 zum Tatzeitpunkt von der Beschwerdeführerin als Nachlassverwalterin betrieben worden und sie in dieser Eigenschaft für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gewesen sei. Der Umstand, dass die Verlassenschaft nach dem Tatzeitpunkt mit Notariatsakt vom 24. September 2004 in die K. GmbH (mit Wirksamkeit 31. Dezember 2003) eingebracht worden sei, ändere nichts an der Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin.

Ad I)

Der Umstand, dass anlässlich der behördlichen Kontrolle am 3. September 2004 auf Verlangen eines Amtssachverständigen kein Elektrobefund für die Tankstelle habe vorgelegt werden können, sei in der Berufungsverhandlung nicht bestritten worden. Allerdings habe im Berufungsverfahren durch Anfrage an die erstinstanzliche Behörde festgestellt werden können, dass der Auflage Nr. 3 des Bescheides vom 11. März 1985 insofern entsprochen worden sei, als die elektrische Anlage fristgerecht durch einen befugten Fachmann überprüft worden sei und der Überprüfungsbefund vom 2. Dezember 2003 - wie in der Berufung vorgebracht - der Behörde tatsächlich vorgelegt worden sei. Damit sei der Auflage Nr. 3 im Wesentlichen entsprochen worden.

Die unter Punkt 1a) des erstinstanzlichen Bescheides zur Last gelegte Übertretung erschöpfe sich letztlich in dem bloßen Umstand, dass der (im Akt der MBA einliegende) Befund anlässlich der Überprüfung am 3. September 2004 vor Ort nicht zur Einsicht zur Verfügung gestanden sei. Dieses Verhalten sei sowohl in seinem Unrechtsgehalt als auch hinsichtlich des Verschuldens der Beschwerdeführerin als geringfügig zu werten, sodass in Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe habe abgesehen werden können und der Ausspruch der Ermahnung ausreichend erscheine, um die Beschwerdeführerin von der Begehung weiterer Übertretungen derselben Art wirksam abzuhalten.

Ad II)

Nach der Auflage Nr. 22 des Bescheides vom 11. März 1985 habe die Verpflichtung des Betreibers bestanden, im Bereich der Tankstelle vor dem Lagerbehälter eine flüssigkeitsdichte Fläche im Ausmaß von mindestens 3 x 6 m herzustellen. Wie der in der Berufungsverhandlung einvernommene Zeuge ausdrücklich festgestellt habe, sei die Betonplatte vorhanden gewesen. Zum Zustand der Betonplatte habe er keine Angaben machen können, insbesondere habe er mangels geeigneter Feststellungen vor Ort auch keine Aussage zur Dichtheit der Betankungsfläche treffen können.

Da die vorgeworfene Undichtheit der Betonplatte nicht objektiviert sei, habe die zur Last gelegte Übertretung schon aus diesem Grund nicht als erwiesen angesehen werden können. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher in diesem Spruchpunkt zu beheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen gewesen.

Ad III)

Mit Bescheid vom 10. Juli 1998 sei dem Betreiber der Anlage vorgeschrieben worden, dass die Betankungsfläche ausreichend vor Niederschlagswässern zu schützen und dieser Bereich mit einer flüssigkeitsdichten Auffangwanne mit einem Fassungsvermögen von mindestens 200 l zu versehen sei. Die vom Vertreter der Beschwerdeführerin geäußerten Bedenken betreffend die Zustellung dieses Bescheides an Franz H. hätten keine Zweifel an der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides wecken können, weil es sich dabei im Wesentlichen um Mutmaßungen handle. Es sei daher von der Wirksamkeit der genannten Auflage auszugehen gewesen.

Aus den schlüssigen und überzeugenden Angaben des vernommenen Zeugen, welche auch unbestritten geblieben seien, gehe hervor, dass der Tank zwar mit einem Flugdach versehen worden sei, die vorgeschriebene Auffangwanne jedoch gefehlt habe. Damit sei der Bescheidauflage nicht entsprochen worden und die zur Last gelegte Übertretung in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

Bei dieser Übertretung handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinn des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG. Bei diesem bestehe von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche von diesem jedoch widerlegt werden könne. Der Beschwerdeführerin sei es mit ihrem Vorbringen nicht gelungen, mangelndes Verschulden an der ihr angelasteten Übertretung glaubhaft zu machen. Es sei daher von fahrlässiger Begehung auszugehen.

Ihr komme der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute, dem keine Erschwerungsgründe gegenüberstünden. Da das von ihr betriebene Unternehmen zwischenzeitlich in die K. GmbH eingebracht worden sei und sie in diesem Unternehmen keine verantwortliche Stellung mehr einnehme, seien spezialpräventive Erwägungen nicht mehr anzustellen gewesen. Es sei daher gerechtfertigt erschienen, die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe zu verhängen.

Gegen die Spruchpunkte I. und III. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der UVS legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bringt (u.a.) vor, dass die gegenständliche Betriebsanlage auf Grund des Bescheides des MBA vom 28. August 1961 für das Gewerbe "Handel mit Alteisen und Altmetall" gewerberechtlich genehmigt worden sei, mit unlegiertem Eisenschrott gehandelt werde und das gehandelte Alteisen und Altmetall keinen Abfall darstellten. Da das AWG 1990 auf Grund seiner Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 3 Z 5 (für unlegierten Eisenschrott) auf die gegenständliche Anlage nicht anwendbar gewesen sei und es sich dabei um keine übergeleitete Anlage im Sinn des § 77 Abs. 2 letzter Satz AWG 2002 handle, sei (auch) dieses Gesetz auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Außerdem stelle der Handel mit Alteisen und Altmetall keinen Handel mit Abfall im Sinn des § 2 Abs. 2 AWG 2002 dar. Richtigerweise hätte der UVS die GewO (1994) idgF (§§ 366 ff) anzuwenden gehabt. Der UVS habe jedoch in dieser Frage zu § 3 Abs. 3 Z 5 AWG 1990 und § 77 Abs. 2 AWG 2002 jede Ermittlungstätigkeit unterlassen.

Von den zuständigen Behörden werde auf die gegenständliche Betriebsanlage das Wiener Abfallwirtschaftsgesetz angewendet, und es habe die K. GmbH auf Grund der Aufforderung der zuständigen Behörde jährlich eine Meldung gemäß § 6 dieses Gesetzes abgegeben. Ferner leide der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil die erstinstanzliche Behörde in ihrem Bescheid vom Tatzeitpunkt 1. September 2004, der UVS jedoch im angefochtenen Bescheid vom Tatzeitpunkt 3. September 2004 ausgehe, welcher Verfahrensmangel für die Frage der Verjährung wesentlich sei. Auch seien das Protokoll über die Erhebungen am 1. September 2004 bzw. 3. September 2004 und der (obgenannte) Bescheid vom 10. Juli 1998 der Beschwerdeführerin bis heute nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 1 Abs. 1 VStG kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) als Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Nach § 1 Abs. 2 leg. cit. richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

In dem der Beschwerdeführerin im Spruch des angefochtenen Bescheides angelasteten Tatzeitpunkt (am 1. September 2004) - wie auch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - hatte § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 den folgenden Wortlaut:

"§ 79. (...)

(2) Wer

(...)

11. die gemäß § 43 Abs. 4, § 44, § 54 Abs. 2 oder § 58 Abs. 2 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen oder die gemäß § 48 Abs. 1 vorgeschriebenen Befristungen nicht einhält,

(...)

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 360 bis 7.270 EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 1.800 EUR bedroht."

Die in § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 genannte Bestimmung des § 44 leg. cit. regelt (u.a.) die Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen bei der Erteilung einer gesonderten Betriebsgenehmigung oder der Genehmigung der erforderlichen Vorarbeiten im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nach § 37 leg. cit. In § 54 Abs. 2 leg. cit. ist (u.a.) die Vorschreibung von geeigneten Auflagen, Bedingungen oder Befristungen bei der Genehmigung der Errichtung, des Betriebes oder einer wesentlichen Änderung von öffentlich zugänglichen Altstoffsammelzentren oder öffentlich zugänglichen Sammelstellen für Problemstoffe geregelt.

§ 58 Abs. 2 leg. cit. sieht die Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen, Bedingungen oder Befristungen bei der Genehmigung eines vom Inhaber einer Behandlungsanlage, die gemäß § 37 leg. cit. genehmigungspflichtig ist und in einem Sanierungsgebiet nach einer Verordnung gemäß § 10 des Immissionsschutzgesetzes - Luft (IG-L) liegt und von Anordnungen des Maßnahmenkatalogs betroffen ist, vorgelegten Sanierungskonzeptes vor.

Da die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Bescheidauflagen nicht im Zusammenhang mit einer gesonderten Betriebsgenehmigung unter Anordnung eines befristeten Probebetriebes oder der Genehmigung der Durchführung von Vorarbeiten erteilt wurden, sich auch nicht auf ein öffentlich zugängliches Altstoffsammelzentrum oder eine öffentlich zugängliche Sammelstelle für Problemstoffe beziehen und weiters auch nicht auf eine nach einer Verordnung gemäß § 10 IG-L in einem Sanierungsgebiet liegende und von Anordnungen eines Maßnahmenkatalogs betroffene Behandlungsanlage hindeuten, kommen schon im Hinblick darauf die §§ 44, 54 Abs. 2 und § 58 Abs. 2 AWG 2002 nicht weiter ins Blickfeld.

Gemäß § 43 Abs. 4 (erster Satz) AWG 2002 hat die Behörde zur Wahrung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 bis 3 - somit (u.a.) der Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung nach § 37 leg. cit. - geeignete Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorzuschreiben.

Die mit "Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen" überschriebene Bestimmung des § 37 AWG 2002 (in der am 1. September 2004 geltenden Fassung) lautet:

"§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde.

(2) Der Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 unterliegen nicht

1. Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,

2. Behandlungsanlagen zur Vorbehandlung (Vorbereitung für die stoffliche Verwertung) von nicht gefährlichen Abfällen, sofern diese Behandlungsanlagen im unmittelbaren örtlichen Zusammenhang mit einer in Z 1 genannten Behandlungsanlage stehen und der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,

3. Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von im eigenen Betrieb anfallenden Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,

4. Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlagen zur thermischen Verwertung für nicht gefährliche Abfälle mit einer thermischen Leistung bis zu 2,8 Megawatt, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,

5. Lager für Abfälle, die der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994, gemäß dem Mineralrohstoffgesetz oder gemäß dem Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1988, unterliegen und

6. Anlagen privater Haushalte, in denen zulässigerweise die im Haushalt anfallenden Abfälle behandelt werden.

(...)"

Die der Bestrafung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Auflagen wurden in den Bescheiden des MBA vom 11. März 1985 und 10. Juli 1998 nach gewerberechtlichen Bestimmungen und dem Arbeitnehmerschutzgesetz bzw. ArbeitnehmerInnenschutzgesetz vorgeschrieben. Die mit diesen Bescheiden erteilten gewerbebehördlichen Genehmigungen wären nur dann als Genehmigungen gemäß § 37 AWG 2002 zu qualifizieren - sodass die genannten Bescheidauflagen als solche nach § 43 Abs. 4 leg. cit. zu beurteilen wären -, wenn sich dies aus einer Übergangsbestimmung des AWG 2002 ableiten ließe.

Insoweit kommt die - sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Beschwerde genannte - Bestimmung des § 77 Abs. 2 leg. cit. in Betracht.

§ 77 Abs. 2 AWG 2002 lautet:

"§ 77. (...)

(2) Behandlungsanlagen, die gemäß § 37 genehmigungspflichtig sind, bedürfen keiner Genehmigung nach diesem Bundesgesetz, wenn ein nach der vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage erforderliches Genehmigungs-, Bewilligungs- oder Anzeigeverfahren anhängig oder rechtskräftig abgeschlossen ist. Weitere nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage erforderliche Genehmigungs-, Bewilligungs- oder Anzeigeverfahren, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes anhängig waren oder nach diesem Zeitpunkt anhängig gemacht wurden, sind nach den jeweiligen Vorschriften abzuführen. Bei Vorliegen aller nach den bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes erforderlichen Genehmigungen, Bewilligungen oder Nicht-Untersagungen gelten diese als Genehmigung gemäß § 37. Dies gilt sinngemäß auch für nach den Bestimmungen des AWG 1990 übergeleitete Behandlungsanlagen."

Der UVS geht im angefochtenen Bescheid - ohne nähere Darlegung der Gründe für seine Auffassung - davon aus, dass es sich bei der gegenständlichen Betriebsanlage um eine Abfallbehandlungsanlage im Sinn des AWG 2002 (§ 2 Abs. 7 Z 1) handle. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, dass das AWG 2002 auf die gegenständliche Betriebsanlage keine Anwendung finde.

Ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Annahme, dass es sich bei dieser Betriebsanlage um eine Abfallbehandlungsanlage im Sinn des § 37 AWG 2002 und insbesondere um keine von der Genehmigungspflicht nach § 37 Abs. 2 leg. cit. ausgenommene Anlage handle, erfüllt sind, kann auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden.

Um - im Fall des Zutreffens der Annahme, dass die gegenständliche Betriebsanlage gemäß § 37 leg. cit. genehmigungspflichtig wäre - die mit den obgenannten Bescheiden vom 11. März 1985 und 10. Juli 1998 erteilten Genehmigungen als solche gemäß § 37 leg. cit. qualifizieren zu können - sodass es sich bei den darin vorgeschriebenen Auflagen um solche gemäß § 43 Abs. 4 leg. cit. handeln würde, deren Nichteinhaltung unter der Strafdrohung des § 79 Abs. 2 Z 11 leg. cit. steht -, müsste noch die weitere Voraussetzung nach § 77 Abs. 2 dritter Satz leg. cit. erfüllt sein, nämlich dass alle nach den bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des AWG 2002 (am 2. November 2002) erforderlichen Genehmigungen, Bewilligungen oder Nicht-Untersagungen vorgelegen sind, welche Voraussetzung nach § 77 Abs. 2 vierter Satz leg. cit. sinngemäß auch für nach den Bestimmungen des AWG 1990 übergeleitete Behandlungsanlagen gilt.

Zur Beurteilung aller dieser Voraussetzungen fehlt es an ausreichenden Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Bescheid, sodass dieser infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig ist und der Aufhebungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG erfüllt ist.

Darüber hinaus erweist sich der angefochtene Bescheid auch seinem Inhalt nach als rechtswidrig, weil der Beschwerdeführerin mit dem den erstinstanzlichen Bescheid insoweit bestätigenden Spruch des angefochtenen Bescheides der 1. September 2004 als Tatzeitpunkt angelastet wurde, hingegen in der Begründung des angefochtenen Bescheides der 3. September 2004 als Tatzeitpunkt bezeichnet wurde, sodass zwischen dem Spruch und der Begründung dieses Bescheides insoweit ein Widerspruch besteht (vgl. dazu etwa die in Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren6, zu § 58 Abs. 1 AVG E 19a und § 66 Abs. 4 AVG E 197 zitierte hg. Judikatur).

Ferner hat der UVS den angefochtenen Bescheid auch dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, dass er zwar in Spruchpunkt III. seines Bescheides die für die Verwaltungsübertretung im Sinn des Spruchpunktes 2.) des erstinstanzlichen Bescheides verhängte Geldstrafe auf EUR 1.800,-- herabgesetzt, die für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche 4 Tagen und 4 Stunden jedoch auf 3 Wochen erhöht hat, womit der UVS sowohl gegen § 16 Abs. 2 VStG als auch gegen das Verbot der reformatio in peius nach § 51 Abs. 6 leg. cit. verstoßen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im angefochtenen Umfang aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im vorliegenden Fall im Hinblick auf die vor dem UVS, einem Tribunal im Sinn des EMRK, durchgeführte öffentliche mündliche Verhandlung zur Gänze entsprochen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. September 2004, Zl. 2002/07/0149, mwN).

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. Jänner 2007

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