VwGH 2005/18/0531

VwGH2005/18/053130.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der S B in W, geboren 1960, vertreten durch Dr. Robert Wallentin, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 6-8, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 15. Juni 2005, Zl. 142.173/4-III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 15. Juni 2005 wurde der von der Beschwerdeführerin, laut dem Beschwerdevorbringen einer türkischen Staatsangehörigen, durch deren Rechtsvertreter am 7. März 2001 gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe diesen Antrag durch ihren Rechtsvertreter im Inland an die Bundespolizeidirektion Wien gestellt. Mit 17. August 2001 habe sie zu diesem Antrag zusätzlich ein Antragsformular bei dieser Behörde ausgefüllt.

Auf Grund ihrer Scheidung von ihrem österreichischen Ehemann gehöre sie gemäß § 47 FrG nicht mehr zu den begünstigten Drittstaatsangehörigen. Aus diesem Grund sei die Bundespolizeidirektion Wien nicht mehr zuständig und habe diese ihren Antrag gemäß § 6 AVG an den Landeshauptmann von Wien (die Erstbehörde) weitergeleitet.

Am 24. Juni 2004 habe die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter bei der Erstbehörde einen Zusatzantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG gestellt. Diese habe den Zusatzantrag mit Bescheid vom 6. Dezember 2004 gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 iVm § 90 Abs. 1 leg. cit. abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Berufung sei von der belangten Behörde mit Bescheid vom 4. Februar 2005 gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 und § 10 Abs. 4 leg. cit. abgewiesen worden.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2005 habe die Erstbehörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom "07.03.2001 (17.08.2001)" gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. abgewiesen, wogegen die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter Berufung erhoben habe.

Nach Wiedergabe des maßgeblichen Berufungsvorbringens führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass die Beschwerdeführerin aus Deutschland kommend in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und am 18. Februar 1993 den österreichischen Staatsbürger B. geehelicht habe. Laut den niederschriftlichen Angaben bei der Erstbehörde vom 7. Juni 2004 sei sie im Jahr 1994 wegen der Erkrankung eines Sohnes in die Türkei gereist.

Mit 6. August 1993 habe sie beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) gestellt. Dieser Antrag sei mit Bescheid der Erstbehörde vom 7. Februar 1994 gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. abgewiesen und am 10. Februar 1994 zwecks Zustellung an das genannte Generalkonsulat übermittelt worden. Mit 18. Februar 1994 habe sie den Bescheid beim Generalkonsulat übernommen.

Mit 13. April 1994 habe die Beschwerdeführerin beim selben Generalkonsulat einen neuerlichen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG gestellt. Dieser Antrag sei mit Bescheid der Erstbehörde vom 28. Oktober 1994 gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. ebenfalls abgewiesen worden, welchen Bescheid sie am 18. November 1994 bei dem genannten Generalkonsulat übernommen habe.

Mit 18. November 1994 habe sie von diesem Konsulat in ihrem Reisepass einen Stempel mit dem Betreff "Sichtvermerk beantragt" erhalten. In derselben Zeile seien vor dem Vermerk die Buchstaben "AB" handschriftlich hinzugefügt worden.

Am 8. Februar 2001 sei die Beschwerdeführerin mit einem vom 6. Februar 2001 bis 25. März 2001 gültigen Visum C erneut in das Bundesgebiet eingereist und mit einer kurzen Unterbrechung seit 27. Februar 2001 in Wien gemeldet.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 24. April 2003 sei sie von ihrem österreichischen Ehemann geschieden worden. Dieser Beschluss sei mit 8. Juli 2003 in Rechtskraft erwachsen.

Mit 28. Oktober 2004 habe die belangte Behörde gegenüber der Erstbehörde die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG aus humanitären Gründen abgelehnt.

Da die Beschwerdeführerin bisher noch über keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügt habe, sei ihr Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten gewesen.

Zu dem am 7. März 2001 bei der Bundespolizeidirektion Wien eingelangten Antrag der Beschwerdeführerin sei von dieser mit 17. August 2001 zusätzlich ein Antragsformular ausgefüllt worden, und es seien beide Schriftstücke als ein Antrag gewertet worden, wobei als maßgebendes Antragsdatum somit der 7. März 2001 gültig sei. Mit 3. Mai 2004 habe die Bundespolizeidirektion Wien diesen Antrag an die Erstbehörde weitergeleitet, wo er mit 7. Mai 2004 eingelangt sei.

Mit 18. November 1994 habe das österreichische Generalkonsulat in Istanbul in den Reisepass der Beschwerdeführerin einen Stempel mit dem Betreff "Sichtvermerk beantragt" angebracht. Im Zug des Ermittlungsverfahrens sei in Erfahrung gebracht worden, dass weder im Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Wien noch im Verwaltungsakt der Erstbehörde ein entsprechender Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 18. November 1994 vorliege. Zudem sei nicht mehr verifizierbar, wer im Reisepass der Beschwerdeführerin vor dem genannten Stempeleintrag den handschriftlichen Vermerk "AB" hinzugefügt habe.

Mit 7. Juni 2004 habe der LH mit der Beschwerdeführerin eine Niederschrift zu dem von dieser bereits gestellten Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem FrG aufgenommen, bei der sie in Form eines Antrages um die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen ersucht habe. Dieser Antrag sei von der Erstbehörde und der belangten Behörde nicht als eigenständiger Antrag gewertet worden. In Übereinstimmung dazu habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin diesen Antrag ebenfalls als Zusatzantrag gewertet.

Mit 24.Juni 2004 habe die Beschwerdeführerin einen weiteren Zusatzantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG gestellt.

Es lägen daher ein Antrag vom 7. März 2001 und ein Zusatzantrag vom 24. Juni 2004 vor.

Den Antrag vom 7. März 2001 habe die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer damals aufrechten Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger gemäß § 49 Abs. 1 FrG formal richtig im Inland gestellt. Durch ihre Ehescheidung mit 24. April 2003 habe sie jedoch ihren Status als begünstigte Drittstaatsangehörige verloren, weshalb sie gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. verpflichtet sei, den Verfahrensausgang betreffend ihren Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Ausland abzuwarten. Darüber hinaus würde sich auch bei Vorliegen eines Antrages vom 18. November 1994 keine andere Beurteilung ergeben, weil auch im Fall einer damals korrekten Auslandsantragstellung der Verfahrensausgang im Ausland abgewartet werden müsse.

Weiters unterliege ihr Antrag vom 7. März 2001 im Hinblick auf die mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 2005 ergangene negative Entscheidung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 und § 10 Abs. 4 FrG betreffend ihren Zusatzantrag vom 24. Juni 2004 der Quotenpflicht.

Darüber hinaus solle der angestrebte Aufenthaltstitel zeitlich an ein Visum anschließen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels jedoch zu versagen, wenn dieser zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden solle.

Die Antragstellung vor der Einreise sei gemäß § 14 Abs. 2 FrG von wesentlicher Bedeutung, und es führe eine nicht dem Gesetz entsprechende Antragstellung zur Abweisung des Antrages. Der Gesetzgeber habe bei Erlassung dieser Bestimmung auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse sei, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, daher entbehrlich.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bringt vor, dass im Beschwerdefall Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates anzuwenden seien und beantragt werde, der VwGH möge ein Vorabentscheidungsersuchen (offensichtlich gemeint: an den EuGH) "dahingehend stellen, ob es einer österreichischen Verwaltungsbehörde zusteht, Vorfragen zu lösen, welche eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bewirken". Hiezu werde auf die Entscheidung des "Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte C 136/03 " hingewiesen.

1.2. Nach ständiger hg. Judikatur kann sich ein türkischer Arbeitnehmer nur dann auf ein Aufenthaltsrecht nach dem auf der Grundlage des zwischen der EWG und der Türkei geschlossenen Assoziierungsübereinkommens aus 1963 gefassten Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 vom 19. September 1980 (ARB) berufen, wenn sowohl seine Beschäftigung im Einklang mit der arbeitserlaubnisrechtlichen als auch sein Aufenthalt im Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates gestanden ist (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 1. Juli 2004, Zl. 2004/18/0164, und vom 15. März 2006, Zl. 2005/18/0589, mwH auf die Rechtsprechung des EuGH).

Abgesehen davon, dass die Beschwerde nicht bestreitet, dass die Beschwerdeführerin noch nie über einen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügt habe, behauptet sie auch nicht die Ausübung einer Beschäftigung im Bundesgebiet durch die Beschwerdeführerin. Schon im Hinblick darauf ist der ARB nicht auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwenden und besteht auch kein Grund für die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH.

2.1. Das weitere Beschwerdevorbringen erschöpft sich im Wesentlichen in dem Vorwurf, dass die belangte Behörde über einen am 18. November 1994 im Ausland gestellten Antrag nicht entschieden habe, wozu die Beschwerde - insoweit widersprüchlich - vorbringt, dass nun auch über diesen entschieden worden sei (vgl. Seite 5 der Beschwerde), und in der Rechtsansicht, dass der Umstand, dass die belangte Behörde über den am 7. März 2001 gestellten Antrag erst nach der Scheidung der Beschwerdeführerin von ihrem österreichischen Ehegatten entschieden habe, nicht zu deren Lasten gehen dürfe und ihr daher eine humanitäre Niederlassungsbewilligung hätte erteilt werden können.

2.2. Dem ist zu erwidern, dass, wie sich aus dem angefochtenen Bescheid zweifelsfrei ergibt, mit diesem über einen am 18. November 1994 gestellten Antrag nicht abgesprochen wurde und eine (allfällige) Säumnis des Landeshauptmannes mit der Erledigung des Antrages gegebenenfalls im Weg eines Devolutionsantrages an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde - und nicht mit der vorliegenden Bescheidbeschwerde - zu begegnen gewesen wäre.

Was die von der Beschwerde angesprochenen humanitären Gründe für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung anlangt, so bestreitet sie nicht, dass, wie im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde, der am 24. Juni 2004 gestellte Zusatzantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG bereits mit dem im Instanzenzug ergangenen - und somit rechtskräftigen - Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 2005 abgewiesen wurde. Eine von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2005, Zl. 2005/18/0114, als unbegründet abgewiesen.

Im Hinblick auf den Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 2005 liegt daher in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin behaupteten, mit dem Vorliegen familiärer Interessen in Österreich begründeten humanitären Gründe insoweit res iudicata vor.

3. Da die Beschwerdeführerin unbestritten noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat, wurde der von ihr am 7. März 2001 gestellte Antrag von der belangten Behörde zutreffend als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung beurteilt. Nach der hg. Judikatur ist gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG nicht nur der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung vom Ausland aus zu stellen, sondern auch die Entscheidung über diesen Antrag vom Ausland aus abzuwarten. Die Beschwerdeführerin war daher - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - ab dem Zeitpunkt des Verlustes ihrer Stellung als begünstigter Angehörigen eines Österreichers durch ihre rechtskräftige Scheidung verpflichtet, die Entscheidung über den vorliegenden Antrag im Ausland abzuwarten. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2006, Zl. 2006/18/0109, mwN.)

4. Bei der Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG handelt es sich um eine Anordnung an die Behörde, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde. Bei einem gegen diese Bestimmung gestellten Antrag kommt eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG unter Bedachtnahme auf die in § 8 Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien nicht in Betracht (vgl. auch dazu das obzitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2006/18/0109, mwN).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2007

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