VwGH 2005/11/0174

VwGH2005/11/017427.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Dr. D in W, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses der Ärztekammer für Wien, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vertreten durch Spitzauer & Backhausen Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3, vom 6. Juli 2005, Zl. B 199/05, betreffend Beitrag zur Todesfallbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1998 §109 Abs1 idF 2004/I/179;
ÄrzteG 1998 §109 Abs1;
ÄrzteG 1998 §68 Abs4 idF 2004/I/179;
ÄrzteG 1998 §68 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ÄrzteG 1998 §109 Abs1 idF 2004/I/179;
ÄrzteG 1998 §109 Abs1;
ÄrzteG 1998 §68 Abs4 idF 2004/I/179;
ÄrzteG 1998 §68 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. Juni 1997 wurde die Beschwerdeführerin, eine unselbständige Fachärztin für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bei der Betriebskrankenkasse der Wiener Verkehrsbetriebe, von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds - ausgenommen der für die Todesfallbeihilfe einzuhebende Teil der Fondsbeträge - mit Wirksamkeit ab 1. Mai 1997 befreit. Auf Grund dieses Bescheides wurde die der Beschwerdeführerin zurückzuzahlende Beitragssumme in einem mehrere Rechtsgänge umfassenden Verwaltungsverfahren (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2003, Zl. 2002/11/0094) letztlich mit Bescheid vom 11. März 2003 mit EUR 12.459,-- festgesetzt.

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Wien vom 4. April 2005 wurde der Beitrag der Beschwerdeführerin für die Todesfallbeihilfe für den Zeitraum bis einschließlich 31. Dezember 2004 mit EUR 3.551,39 festgesetzt. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin eine als Berufung bezeichnete Beschwerde, in der sie den vorgeschriebenen Betrag einerseits deshalb für rechtswidrig erachtete, weil ihr gegenüber der belangten Behörde eine Gegenforderung zukomme, die hätte Berücksichtigung finden müssen. Diese Gegenforderung ergebe sich aus Verzugszinsen, die der Beschwerdeführerin nach ihrer Auffassung zustünden, weil trotz der genannten Befreiung von der Beitragspflicht ab 1. Mai 1997 ein rechtmäßiger Bescheid über die an sie zurückzuzahlenden Beiträge erst Jahre später und nur auf Grund mehrerer von ihr beim Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof erhobener Beschwerden ergangen sei. Andererseits sei der Bescheid vom 4. April 2005 auch deshalb rechtswidrig, weil darin unberücksichtigt bleibe, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum 1. September 1998 bis 31. August 2000 nicht Mitglied der Ärztekammer für Wien gewesen sei. Im genannten Zeitraum habe die Beschwerdeführerin nämlich mit ihrer Familie im Ausland gelebt, wo sie nur während verhältnismäßig kurzer Zeit als Zahnärztin gearbeitet habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Bescheid vom 4. April 2005, indem sie den Beitrag der Beschwerdeführerin für die Todesfallbeihilfe gemäß Abschnitt II der Beitragsordnung auf EUR 2.587,75 herabsetzte. In der Begründung folgte die belangte Behörde allerdings nicht dem Beschwerdevorbringen, die Herabsetzung erfolge vielmehr wegen eines Beitragsguthabens, das der Beschwerdeführerin schon seit dem 1. Jänner 1997 zustehe. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, es stehe ihr eine Gegenforderung für Verzugszinsen zu, hielt die belangte Behörde entgegen, dass ein Zinsenanspruch erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens, gegenständlich somit erst ab der Erlassung des Bescheides vom 11. März 2003, mit dem der Rückzahlungsbetrag festgesetzt wurde, entstehen könne. Dem Einwand des Fehlens der Zugehörigkeit zur Ärztekammer für Wien während des Auslandsaufenthaltes der Beschwerdeführerin hielt die belangte Behörde entgegen, die Beschwerdeführerin habe nur für einen Teil dieses Zeitraumes (nämlich für 1. Jänner bis 31. August 2000) eine "Auslandskarenz" gemeldet und im Übrigen nicht um Erlassung der Beitragsvorschreibung gemäß § 10 Abs. 2 lit. d der Satzung angesucht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde hätte die der Beschwerdeführerin zustehenden Verzugszinsen mit den von der Beschwerdeführerin zu leistenden Beiträgen zur Todesfallbeihilfe aufrechnen müssen. Der Anspruch auf Zinsen bestehe nach Auffassung der Beschwerdeführerin deshalb, weil die genannte Befreiung von der Beitragsverpflichtung schon mit Bescheid vom 27. Juni 1997 erfolgt sei, wohingegen ein rechtmäßiger Bescheid über die zurückzuzahlenden Beträge erst Jahre später mit Bescheid vom 11. März 2003 erfolgt sei. Der lange Verwaltungsweg sei darauf zurückzuführen, dass mehrere diesbezügliche Bescheide der belangten Behörde rechtswidrig gewesen seien und daher von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht zuletzt mit der Begründung willkürlichen Verhaltens der belangten Behörde aufgehoben worden seien. Die Ärztekammer für Wien würde in dieser "unwürdigen Praxis" bestärkt, wenn sie trotz dieses Verhaltens keine Verzugszinsen zu leisten hätte.

Der Erfolg des Einwandes der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte die Verzugszinsen aufrechnen müssen (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Aufrechnung im öffentlichen Recht das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2003, Zl. 2003/17/0309 mwN, sowie im Zusammenhang mit Leistungen des Wohlfahrtsfonds § 51 der Satzung) hängt davon ab, ob der Beschwerdeführerin ein Anspruch auf Verzugszinsen tatsächlich zukommt. Verzugszinsen setzen die Säumigkeit bei der Auszahlung des zu leistenden Betrages voraus.

Gemäß § 46 Abs. 4 der Satzung sind einmalige Leistungen, ausgenommen die Krankenunterstützung, sowie wiederkehrende sonstige Unterstützungen nach Rechtskraft des stattgebenden Beschlusses des Verwaltungsausschusses, im Falle der Beschwerde an den Beschwerdeausschuss nach dessen zuerkennendem Beschluss, anzuweisen. Gemäß § 46 Abs. 5 der Satzung hat die Auszahlung der Leistungen nach Abs. 4 längstens binnen vier Wochen nach ihrer rechtskräftig gewordenen Zuerkennung zu erfolgen.

Der an die Beschwerdeführerin zurückzuzahlende Betrag wurde ihr mit Bescheid vom 11. März 2003 rechtskräftig zuerkannt. Dass die belangte Behörde diesen Betrag nicht binnen vier Wochen geleistet hätte, wird von der Beschwerde nicht behauptet. Schon deshalb ist der Einwand der Aufrechnung von Verzugszinsen nicht zielführend.

Mit Recht wendet die Beschwerde allerdings ein, die belangte Behörde hätte bei der Bemessung der Beiträge zur Todesfallbeihilfe berücksichtigen müssen, dass die Beschwerdeführerin während des in Rede stehenden Beitragszeitraumes ihren Beruf zwei Jahre lang nicht in Österreich ausgeübt hat.

Gemäß Abschnitt II Abs.1 der Beitragsordnung, der im angefochtenen Bescheid zitiert wurde, werden näher genannte Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die in der Satzung festgesetzte Todesfallbeihilfe von den Kammerangehörigen eingehoben. Die Kammerangehörigkeit stellt somit eine Voraussetzung für die Beitragspflicht dar.

Das Ärztegesetz 1998 in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 179/2004, lautet auszugsweise:

"§ 68. (1) Einer Ärztekammer gehört als ordentlicher Kammerangehöriger jeder Arzt an, der

1. in die von der Österreichischen Ärztekammer geführte Ärzteliste gemäß den §§ 4, 5 oder 5a oder §§ 18, 19 oder 19a eingetragen worden ist und

  1. 2. seinen Beruf im Bereich dieser Ärztekammer ausübt und
  2. 3. keine Alters- oder ständige Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds bezieht.

    ...

(4) Die Zugehörigkeit zu einer Ärztekammer erlischt, wenn der Arzt

1. seinen Berufssitz (seine Berufssitze), seinen Dienstort (seine Dienstorte) oder, sofern es sich um einen Wohnsitzarzt handelt, seinen Wohnsitz (§ 47) in den Bereich einer anderen Ärztekammer verlegt hat oder

2. von der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 59 aus der Ärzteliste gestrichen worden ist.

Eine Verlegung des Dienstortes gemäß Z 1 liegt nicht vor, wenn der Arzt auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften, insbesondere auf Grund von Karenzierung und Dienstzuteilung, vorübergehend im Bereich einer anderen Ärztekammer oder im Ausland ärztlich tätig wird.

Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate sowie eine ärztliche Tätigkeit im Bereich einer anderen Ärztekammer oder im Ausland auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften (§ 68 Abs. 4 letzter Satz) gilt diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.

..."

Im vorliegenden Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Kammerangehörige war. Strittig ist jedoch, ob sie auch im Zeitraum 1. September 1998 bis 31. August 2000, als sie im Ausland lebte, der Ärztekammer für Wien angehörte. Diese Frage und die daran anknüpfende Beitragspflicht ist nach den in diesem Zeitraum geltenden Rechtsvorschriften zu beurteilen. § 68 Abs. 4 letzter Satz und § 109 Abs. 1 dritter Satz der obzitierten Fassung des Ärztegesetzes wurden erst durch das genannte Gesundheitsreformgesetz 2005 eingefügt und sind daher für den fraglichen Zeitraum nicht maßgebend. Gemäß § 68 Abs. 4 und § 109 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 in der Fassung vor dem Gesundheitsreformgesetz 2005 hatte die Zugehörigkeit zu einer Ärztekammer somit zur Voraussetzung, dass der Arzt seinen Beruf im Bereich dieser Ärztekammer ausübte. Im Beschwerdefall ist - wie aus der Gegenschrift hervorgeht - unstrittig, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum 1. September 1998 bis 31. August 2000 ihre ärztliche Tätigkeit nicht im Bereich der Ärztekammer für Wien ausgeübt hat. Schon weil die Beschwerdeführerin daher im genannten Zeitraum der Ärztekammer für Wien nicht angehörte (und die Bestimmungen der Satzung nach dem Gesagten auf sie nicht anwendbar waren), war sie nicht verpflichtet, für diesen Zeitraum einen Beitrag zur Todesfallbeihilfe an die Ärztekammer für Wien zu leisten.

Der angefochtene Bescheid ist daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet und war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. September 2007

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