VwGH 2005/01/0039

VwGH2005/01/003926.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. Jänner 2005, Zl. uvs-2004/23/228-5, betreffend § 67a Abs. 1 Z 2 AVG (mitbeteiligte Partei: Z in B), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art131 Abs2;
SPG 1991 §16 Abs2;
SPG 1991 §16 Abs3;
SPG 1991 §2 Abs2;
SPG 1991 §22 Abs3;
SPG 1991 §3;
SPG 1991 §88;
SPG 1991 §91 Abs1 Z1;
StGB §215;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
SPG 1991 §16 Abs2;
SPG 1991 §16 Abs3;
SPG 1991 §2 Abs2;
SPG 1991 §22 Abs3;
SPG 1991 §3;
SPG 1991 §88;
SPG 1991 §91 Abs1 Z1;
StGB §215;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte, eine iranische Staatsangehörige, die lt. ihren Angaben über eine "dauerhafte Aufenthaltsberechtigung" für Deutschland verfügt und die dort das freie Gewerbe "Begleitservice/Masseurin" ausübt, erhob gegen ein Einschreiten von Beamten der Bundespolizeidirektion Innsbruck am 2. und am 13. Dezember 2004 "Maßnahmenbeschwerde" an die belangte Behörde. Sie brachte vor, dass die Beamten jeweils durch Vortäuschung, Privatpersonen zu sein, mit ihr Termine verabredet und Einlass in ihre Wohnung "erschlichen" hätten. Am 13. Dezember 2004 habe darüber hinaus der auf diese Weise in ihre Wohnung gelangte Beamte eigenmächtig einen weiteren Beamten in die Wohnung eingelassen, mit dem er zudem zuvor über Handy Funkkontakt zum Zweck des Abhörens des in der Wohnung stattfindenden Gesprächs gehabt habe. Sie (die Mitbeteiligte) sei daher insbesondere in ihrem Hausrecht und in ihrem Recht, dass nicht ohne gesetzliche Grundlage ihre Gespräche abgehört werden, verletzt worden.

Die belangte Behörde erkannte über die Beschwerde - unter Kostenzuspruch an die Mitbeteiligte - wie folgt:

"Gemäß § 67a Abs. 1 Ziff. 2 i.V.m. § 67c Abs. 1, § 67d AVG und § 88 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) wird der Beschwerde von (Mitbeteiligte) insofern Folge gegeben als festgestellt wird, dass sie durch die Übertragung eines Gespräches mit einem technischen Hilfsmittel, welches zwischen ihr und einem verdeckten Ermittler in ihrer Wohnung am 13.12.2004 gegen 18.30 Uhr stattfand, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 Menschenrechtskonvention und in ihren Rechten nach § 88 Abs. 1 und 2 Sicherheitspolizeigesetz verletzt worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde, dass sie am 3.12.2004 um

18.30 Uhr und am 13.12.2004 gegen 18.30 Uhr durch das Betreten ihrer Wohnung durch einen verdeckt ermittelnden Polizeibeamten sowie durch das nachfolgende Betreten durch einen zweiten Polizeibeamten in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 Menschenrechtskonvention, sowie des Schutzes des Hausrechtes gemäß Art. 9 Staatsgrundgesetz und in ihren Rechten nach § 88 Abs. 1 und 2 Sicherheitspolizeigesetz verletzt worden sei, als unbegründet abgewiesen."

Die belangte Behörde stellte fest, dass die Bundespolizeidirektion Innsbruck 2004 eine groß angelegte Schwerpunktaktion zur Auslotung der Wohnungsprostitution durchgeführt habe. Im Zentrum seien Ermittlungen gegen vier namentlich feststehende Personen wegen des Verdachtes der Zuhälterei sowie des Menschenhandels gestanden. Beamte hätten aus diversen Zeitschriften und aus dem Internet Anzeigen herausgesucht, woraufhin verdeckte Ermittler telefonisch Kontakt aufgenommen und Termine verabredet hätten. Sinn dieser Erhebungen sei es gewesen, einen Überblick über "diese Szene" zu erlangen und die dahinter stehenden Personen auszuforschen.

Am 2. Dezember 2004 habe ein Kriminalbeamter auf die geschilderte Weise mit der Mitbeteiligten telefonisch Kontakt aufgenommen und einen Termin vereinbart. Er sei zur Wohnung der Mitbeteiligten bestellt worden, habe sich an der Tür als potentieller Freier ausgegeben und mit der Mitbeteiligten ein Anbahnungsgespräch geführt. Daraufhin sei er in die Wohnung gebeten worden, wo er sich nach einem kurzen Gespräch als Kriminalbeamter zu erkennen gegeben habe. Nach kurzer Befragung und Aufnahme der Personaldaten der Mitbeteiligten habe er deren Wohnung wieder verlassen.

Am 13. Dezember 2004 sei die Mitbeteiligte durch einen anderen Polizisten kontaktiert worden. Er sei in Zivil bei der Wohnung der Mitbeteiligten eingetroffen und von ihr eingelassen worden. Dabei habe sie ihm mitgeteilt, dass er noch einen Moment warten müsse, damit eine noch anwesende Person die Wohnung verlassen könne. Danach sei der Beamte in den Wohnraum geführt worden, wo ein Gespräch über die "Dienste" der Mitbeteiligten stattgefunden habe. Währenddessen sei das Handy des Beamten eingeschaltet gewesen, sodass ein ihn begleitender zweiter Polizist außerhalb der Wohnung die Amtshandlung teilweise habe mithören können, und zwar zum einen zum Eigenschutz und zum anderen zu Beweissicherungszwecken. Es sei vereinbart worden, dass bei Abschalten des Handys der zweite Polizeibeamte an der Wohnungstüre läuten könne, da "keine Gefahr mehr bestünde". Demgemäß habe der vor der Wohnung wartende Beamte nach dem Abschalten des Handys unverzüglich an der Tür der Mitbeteiligten geläutet. Er sei in der Folge in deren Wohnung eingelassen worden, habe sich jedoch über ihre Anordnung nur im Vorraum aufgehalten. Nach einer kurzen Befragung inklusive (neuerlicher) Aufnahme der Personaldaten der Mitbeteiligten hätten die beiden Polizeibeamten die Wohnung wiederum verlassen.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass die Administrativbeschwerde der Mitbeteiligten gegen ein Behördenhandeln ohne Zwangsgewalt gerichtet sei. § 88 Abs. 2 SPG eröffne (jedoch) ausdrücklich eine Beschwerdemöglichkeit gegen Behördenhandeln ohne Maßnahmencharakter in Besorgung der Sicherheitsverwaltung. Die Beschwerde erweise sich daher als zulässig, jedoch bezüglich des Einsatzes zweier verdeckter Ermittler im Ergebnis als nicht berechtigt. Hingegen wäre die Übertragung eines Gesprächs unter Verwendung eines technischen Hilfsmittels nur in Verbindung mit einer gerichtlichen Anordnung erlaubt gewesen, weshalb insoweit der Administrativbeschwerde Folge zu geben gewesen sei.

Gegen den letztgenannten Spruchpunkt des dargestellten Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:

Der beschwerdeführende Bundesminister gründet seine Beschwerdelegitimation auf § 91 Abs. 1 Z 1 SPG iVm Art. 131 Abs. 2 B-VG. Gemäß der genannten Bestimmung des SPG kann er gegen Entscheidungen der unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden gemäß §§ 88 und 89 SPG sowohl zugunsten als auch zum Nachteil des Betroffenen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

Eine Beschwerde nach § 88 SPG ist eine solche, die sich auf Verwaltungsakte im Bereich der Sicherheitsverwaltung bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1998, Zl. 97/01/1065). Gemäß § 2 Abs. 2 SPG besteht die Sicherheitsverwaltung aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.

Im vorliegenden Fall diente das Einschreiten der Beamten der Bundespolizeidirektion Innsbruck nach den Feststellungen der belangten Behörde einerseits der "Auslotung der Wohnungsprostitution", andererseits sei das polizeiliche Tätigwerden mit Ermittlungen gegen vier namentlich bekannte Personen wegen des Verdachtes der Zuhälterei sowie des Menschenhandels im Zusammenhang gestanden. Beide Aspekte gehören nicht zur Sicherheitsverwaltung im eben zitierten Sinn, insbesondere nicht zur Sicherheitspolizei im Verständnis des § 3 SPG (gemäß der zuletzt genannten Vorschrift besteht die Sicherheitspolizei aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.). Was zunächst das "Ausloten der Wohnungsprostitution" anlangt, so ergibt sich das daraus, dass die "Wohnungsprostitution" für sich betrachtet mangels gerichtlicher Strafbarkeit mit einem gefährlichen Angriff (§ 16 Abs. 2 und 3 SPG) - dem "Dreh - und Angelpunkt" sicherheitspolizeilicher Aufgabenerfüllung - nichts zu tun hat. Soweit es aber um die Ermittlungen gegen vier bereits namentlich bekannte Personen wegen §§ 215 ff StGB geht, liegt ein Handeln im Dienste der Strafjustiz vor, welches nicht zur Sicherheitspolizei zu zählen ist (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl. 2003/01/0502) und dem im Grunde des § 22 Abs. 3 zweiter Satz SPG eine sicherheitspolizeiliche Komponente nicht (mehr) innewohnte. Eine sicherheitspolizeiliche Komponente lässt sich aber auch nicht aus der weiteren Feststellung der belangten Behörde ableiten, Sinn der Kontaktaufnahmen mit potentiellen Prostituierten sei es gewesen, einen Überblick über "diese Szene" zu erlangen und die dahinter stehenden Personen auszuforschen. Mit dieser bloß allgemeinen Umschreibung des Einsatzzweckes wird nämlich, insbesondere unter Bedachtnahme auf den konkreten Ablauf der Einsätze vom 2. und vom 13. Dezember 2004, in keiner Weise deutlich, dass die gegenständlichen Kontaktaufnahmen etwa der präventiven Bekämpfung von Zuhälterei und Menschenhandel - insoweit hätte ein sicherheitspolizeiliches Ziel vorgelegen - gedient hätten. Auch in der vorliegenden Amtsbeschwerde und in der seinerzeitigen Gegenschrift der Bundespolizeidirektion Innsbruck im Administrativbeschwerdeverfahren finden sich keine Anhaltspunkte in diese Richtung (schon gar nicht in der Administrativbeschwerde selbst), weshalb zusammenfassend nicht davon ausgegangen werden kann, es sei eine Beschwerde nach § 88 SPG erhoben worden und es liege daher mit dem bekämpften Bescheid eine Entscheidung über eine Beschwerde nach dieser Bestimmung vor. Dass die belangte Behörde ihrerseits davon ausging, eine derartige Entscheidung getroffen zu haben, ist ohne Belang, weil es im gegebenen Zusammenhang nur darauf ankommt, wie sich ihre Entscheidung inhaltlich bei richtiger rechtlicher Betrachtung tatsächlich darstellt (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0339; vgl. zum Ganzen auch den hg. Beschluss vom 25. März 2003, Zl. 2002/01/0252).

Liegt nach dem Gesagten eine Entscheidung über eine Beschwerde nach § 88 SPG nicht vor (dass es sich auch nicht um eine solche über eine Beschwerde nach § 89 SPG handelt, bedarf keiner weiteren Ausführung), so ermangelt es dem Bundesminister für Inneres an der allein in Betracht kommenden Beschwerdelegitimation nach § 91 Abs. 1 Z 1 SPG. Ihm fehlt mithin die Berechtigung zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde, weshalb diese gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 26. März 2007

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