Normen
KAG NÖ 1974 §8 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
KAG NÖ 1974 §8 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der sanitätsbehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Form eines Zahnambulatoriums an einem näher bezeichneten Standort in St gemäß § 5 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 3 und 4 des Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetzes 1974, LGBl. 9440-0 (NÖ KAG), abgewiesen.
In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst - auszugsweise - die Stellungnahmen der Kurie der Zahnärzte der Ärztekammer für Niederösterreich, der Marktgemeinde St, des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger, des Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds, der Fachvertretung der privaten Krankenanstalten und Kurbetriebe der Wirtschaftskammer Niederösterreich und des Landessanitätsrates für Niederösterreich wieder, weiters den Inhalt der dazu vom Beschwerdeführer erstatteten Äußerung.
Nach einer Darstellung der maßgebenden Bestimmungen des NÖ KAG folgerte die belangte Behörde:
"Nachdem sich ohne Feststellung der außerhalb eines geplanten Ambulatoriums bestehenden einschlägigen Behandlungsmöglichkeiten die Bedarfsfrage schlechthin nicht beantworten lässt, stand bei der Durchführung des referierten Bedarfsprüfungsverfahrens im Vordergrund, in welchem Umfang ein Bedürfnis des in Frage kommenden Bervölkerungskreises nach Untersuchung und Behandlung besteht und inwieweit es durch die vorhandenen Fachärzte befriedigt werden kann. Es kommt also darauf an, ob der Bedarf bereits durch andere im Einzugsbereich des (geplanten) Ambulatoriums bestehende, mit diesem vergleichbare Einrichtungen hinreichend gedeckt ist (vgl VwGH 26.3.1998, 96/11/0090 mwN).
Nach Durchführung des referierten Bedarfsprüfungsverfahrens ist als dessen Ergebnis festzuhalten, dass der Bedarf bereits durch andere im Einzugsbereich des (geplanten) Ambulatoriums bestehende, mit diesem vergleichbare Einrichtungen hinreichend gedeckt ist. Sohin war spruchgemäß zu entscheiden."
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die maßgebenden Bestimmungen des Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetzes 1974, LGBl. 9440-0 idF LGBl. 9440-23 (NÖ KAG), lauten (auszugsweise) wie folgt:
"§ 2
(1) Krankenanstalten im Sinne des § 1 sind:
...
7. selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich sind. Unter kurzfristiger Unterbringung ist ein zusammenhängender Zeitraum von unter 24 Stunden zu verstehen.
...
§ 3
Krankenanstalten bedürfen sowohl zu ihrer Errichtung als auch
zu ihrem Betriebe einer Bewilligung der Landesregierung nach
Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
§ 4
(1) Der Bewerber hat in seinem Antrag auf Bewilligung der Errichtung einer Krankenanstalt bei Beschreibung des Anstaltszweckes, des in Aussicht genommenen Leistungsangebotes und allfälliger Schwerpunkte anzugeben:
a) für welches Gebiet und allenfalls für welchen Personenkreis die Anstalt zunächst bestimmt ist,
- b) welche Krankheiten zu behandeln beabsichtigt ist,
- c) wieviele Patienten höchstens aufgenommen werden können. Bei selbständigen Ambulatorien ist das genaue Leistungsspektrum anzuführen, insbesondere welche Untersuchungen und beabsichtigte Behandlungen über den Umfang von Ordinationen von Fachärzten oder Allgemeinmedizinern hinausgehen und darüberhinaus anzugeben, wieviele Patienten an einem Tag im Rahmen des selbständigen Ambulatoriums voraussichtlich behandelt werden können,
d) welche Fachärzte zur Behandlung der Patienten und allenfalls zur Beratung der behandelnden Ärzte heranzuziehen beabsichtigt ist und
e) welche wesentlichen medizinischen Apparate und Einrichtungen in der Anstalt Verwendung finden sollen.
...
§ 5
(1) Liegt ein ordnungsgemäßer Antrag im Sinne des § 4 vor, ist zu erheben, ob ein Bedarf im Hinblick auf den angegebenen Anstaltszweck samt dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot sowie allfällige Schwerpunkte unter Beachtung der Höchstzahl an systemisierten Betten nach dem Landes-Krankenanstaltenplan (§ 21a) gegeben ist und gegen den Bewerber keine Bedenken bestehen.
(2) Ergeben die Erhebungen, dass ein Bedarf im Sinne des folgenden Absatzes nicht gegeben ist oder dass gegen den Bewerber Bedenken bestehen, ist der Antrag abzuweisen.
(3) Der Bedarf ist nach den im Einzugsgebiet (§ 4 Abs. 1 lit.a) und in dessen Umgebung vorhandenen Krankenanstalten, deren Belagsmöglichkeit und Entfernung zu der zu errichtenden Anstalt sowie nach den allenfalls vorhandenen Aufzeichnungen über die Häufigkeit der in Frage kommenden Krankheitsfälle, bei Ambulatorien auch nach den in der Umgebung des Standortes des zu errichtenden Ambulatoriums niedergelassenen Ärzten, zu beurteilen.
(4) Hinsichtlich des Bedarfes ist eine Stellungnahme der gesetzlichen Interessensvertretung privater Krankenanstalten, des NÖ Gesundheits- und Sozialfonds, ausgenommen bei NÖ Fondskrankenanstalten, der Rechtsträger nächstgelegener öffentlicher Krankenanstalten und betroffener Sozialversicherungsträger, sofern sie für das Einzugsgebiet der beantragten Krankenanstalt (§ 4 Abs. 1 lit.a) nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zuständig sind, insbesondere des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger, bei selbständigen Ambulatorien auch der Ärztekammer für NÖ sowie bei Zahnambulatorien auch der Österreichischen Dentistenkammer einzuholen. Ferner ist eine Stellungnahme des Landessanitätsrates und der Gemeinde, in der die Krankenanstalt errichtet werden soll, einzuholen. Bei NÖ Fondskrankenanstalten ist zur Frage des Bedarfes ein Gutachten des NÖ Gesundheits- und Sozialfonds einzuholen, welches die eingelangten Stellungnahmen zu berücksichtigen hat.
(5) Die gesetzliche Interessensvertretung privater Krankenanstalten, die betroffenen Sozialversicherungsträger, soferne sie für das Einzugsgebiet der beantragten Krankenanstalt (§ 4 Abs. 1 lit.a) nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zuständig sind, bei selbständigen Ambulatorien die Ärztekammer für NÖ und bei Zahnambulatorien die Österreichische Dentistenkammer haben hinsichtlich des nach § 8 Abs. 1 lit.a zu prüfenden Bedarfes Parteistellung im Sinne des § 8 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG.
...
§ 8
(1) Die Bewilligung zur Errichtung ist zu erteilen, wenn
a) nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, ein Bedarf gegeben ist;
..."
Vor dem Hintergrund der Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 lit. a, 5 Abs. 3 und 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG erfordert die Beurteilung des Bedarfs zunächst, das in Frage kommende Einzugsgebiet (ohne Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen, vgl. das - ebenfalls den Bedarf an einem Zahnambulatorium betreffende - hg. Erkenntnis vom 16. November 2004, Zl. 2003/11/0210) festzustellen. Schon das hat die belangte Behörde, die keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern nur den Inhalt von eingeholten Stellungnahmen (die eine klare Abgrenzung des in Frage kommenden Einzugsgebietes vermissen lassen) wiedergegeben hat, unterlassen, und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Ein für die Erteilung der angestrebten Bewilligung nach § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG erforderlicher Bedarf am geplanten Ambulatorium ist dann gegeben, wenn durch dessen Errichtung die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage betreffend Zahnambulatorien wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die durchschnittliche Wartezeit angesehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung eine Wartezeit von etwa zwei Wochen in nicht dringenden Fällen für durchaus zumutbar gehalten und selbst bei einem Überschreiten dieses Richtwerts in einzelnen Fällen um einige Tage noch kein unzumutbares Versorgungsdefizit angenommen. Von einem Bedarf nach einem beabsichtigten Zahnambulatorium im Sinne des § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG kann demnach dann nicht die Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeiten zwei Wochen nicht übersteigen und Schmerzpatienten noch am selben Tag behandelt werden (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 16. November 2004).
Da es die belangte Behörde verabsäumt hat, das in Frage kommende Einzugsgebiet des vom Beschwerdeführer geplanten Ambulatoriums festzustellen, ist nicht nachvollziehbar, ob ihre Ermittlungsschritte bezüglich des bestehenden Leistungsangebotes in räumlicher Hinsicht ausreichend waren.
Die belangte Behörde hat es aber auch unterlassen, nachvollziehbare und schlüssig begründete Feststellungen zum bestehenden Versorgungsangebot im Sinne des § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG zu treffen: Ausgehend von der genannten Bestimmung ist nicht etwa das Versorgungsangebot jedweder die gleiche ärztliche Leistung wie das geplante Ambulatorium anbietender Fachärzte maßgebend, wovon die belangte Behörde aber, wie ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenschrift ("unabhängig vom Bestehen von Kassenverträgen") zeigen, offensichtlich ausgeht. Vielmehr sind nur solche Fachärzte (bzw. Dentisten) in den "Schutzbereich" der genannten Bestimmung einzubeziehen, die über einen Kassenvertrag verfügen. Unter Berufung auf das Versorgungsangebot eines Facharztes ohne Kassenvertrag dürfte die belangte Behörde den Bedarf deshalb nicht verneinen; dies macht es erforderlich, klare Feststellungen dazu zu treffen, welche der in Frage kommenden Fachärzte (Dentisten) in einem aufrechten Kassenvertragsverhältnis stehen. Es ist also das vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Ambulatorium in Aussicht genommene Leistungsangebot dem bereits bestehenden, in die Bedarfsprüfung einzubeziehenden Versorgungsangebot durch Ärzte und andere Einrichtungen mit Kassenvertrag gegenüberzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2005, Zlen. 2005/11/0093, 0095). Da die belangte Behörde diesbezüglich die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Letztlich ist darauf zu verweisen, dass sich die belangte Behörde mit dem Umstand, dass eine von zwei "Kassenplanstellen", nämlich in R, im Entscheidungszeitpunkt nicht besetzt war, nicht in der erforderlichen Weise auseinander gesetzt hat. In der von der belangten Behörde wiedergegebenen Stellungnahme des Landessanitätsrats für Niederösterreich wird ohne weitere Begründung davon ausgegangen, "dass auch die Planstelle in R bzw. die zweite Planstelle in St in absehbarer Zeit besetzt werden wird, sodass dann jedenfalls mit einer guten zahnärztlichen Versorgung gerechnet werden kann." Diese Stellungnahme lässt außer Acht, dass - ausgehend von der Stellungnahme der Marktgemeinde St -
die genannte freie Kassenplanstelle in R "seit mehreren Jahren unbesetzt" blieb, woran auch zwischenzeitige Stellenausschreibungen nichts geändert hätten. Die fehlende Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen Beweisergebnissen begründet einen relevanten Verfahrensmangel, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen - vorrangig aufzugreifender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003, wobei ein offensichtlicher Rechenfehler im Kostenantrag zu berücksichtigen war.
Wien, am 19. Juni 2007
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