Normen
GGBG 1998;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
GGBG 1998;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als verantwortlicher Beauftragter nach § 9 Abs. 2 VStG der Firma St. AG, etbl. in W, welche Beförderer des gefährlichen Gutes
am Anhänger:
- der Klasse 3, Ziffer 31c ADR (Dieselkraftstoff, 200 L. Dieselkraftstoff in einem Fass aus Stahl, UNNr. 1202),
- der Klasse 3, Ziffer 31c ADR (Dieselkraftstoff, 4 mal 20 L Kanister aus Kunststoff a 20 L, UNNr. 1202),
- der Klasse 3, Ziffer 71 ADR (ungereinigt leere Verpackung, letztes Ladegut Dieselkraftstoff, 2 mal 20 L Kanister aus Kunststoff, UNNr. 1202),
- der Klasse 2, Ziffer 2F ADR (Propan, 1 mal 33 kg Stahlflasche, UNNr. 1978) und
- der Klasse 2, Ziffer 8 ADR (ungereinigt leeres Gefäß, letztes Ladegut Propan, Klasse 2, Ziffer 2F ADR, 1 mal 11 kg Stahlflasche, UNNr. 1978)
am Zugfahrzeug:
- der Klasse 2, Ziffer 2F ADR (Propan, 1 mal 33 kg Stahlflasche, UNNr. 1978)
gewesen sei, zu verantworten, dass dieses gefährliche Gut mit der von F.K. gelenkten Beförderungseinheit, bestehend aus Sattelzugfahrzeug und Sattelanhänger mit näher bezeichneten polizeilichen Kennzeichen am 12. Dezember 2001 um 13.40 Uhr in 2320 Schwechat, Südrandstrasse, Einfahrt OMV Osttor, befördert worden sei, obwohl
1) dem Lenker die im ADR vorgeschriebenen Begleitpapiere nicht übergeben worden seien. Es habe das ordnungsgemäße Beförderungspapier nach RN 2002 ADR (gänzlich) gefehlt und
3) die Verwendung der Verpackungen als Versandstücke im Hinblick auf ihre Kennzeichnung nicht zulässig gewesen sei, da auf ihnen die nach RN 3900 ff ADR erforderlichen Gefahrenzetteln nach Muster Nr. 3, - bzw. die sonstigen Informationen und Aufschriften über die gefährlichen Güter und die Verpackung -, nicht entsprechend angebracht gewesen seien (auf 6 Kanistern aus Kunststoff hätten die Gefahrzettel nach Muster Nr. 3 gefehlt) und
4) die in RN 10414 ADR vorgesehenen Vorschriften über die Handhabung und Verstauung der gefährlichen Güter nicht erfüllt gewesen seien, da die einzelnen Teile der Ladung auf dem Fahrzeug nicht so verstaut oder durch geeignete Mittel so gesichert gewesen seien, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeuges nur geringfügig verändern hätten können (eine Stahlflasche sei ungesichert am Fahrzeugboden unterhalb der Rücksitzbank, linsseitig gestanden; eine weitere Stahlflasche habe sich schräg aufgelegt und mittels Elektrodraht an einem Stahlfass befestigt im vorderen Teil des Anhängers befunden).
Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1) § 7 Abs. 2 Z. 7 u. 8 GGBG iVm RN 2002 Abs. 3 lit. a und b und RN 10381 Abs. 1 lit. a ADR
3) § 7 Abs. 2 Z. 3 iVm § 4 Z. 4 GGBG iVm RN 3900 und 3901 Abs. 1 ADR
4) § 7Abs. 2 Z. 4 GGBG iVm RN 10414 Abs. 1 ADR.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG Geldstrafen von je EUR 726,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 24 Stunden) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, dass unbestritten feststehe, dass es sich beim Beschwerdeführer um den verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG der Beförderin des Gefahrgutes handle und dass die im Spruch näher umschriebenen Sachverhalte verwirklicht worden seien.
Nach dem Wortlaut des ersten Satzes der Ausnahmebestimmung der RN 2009 lit. c ADR seien solche Beförderungen ausgenommen, die von Unternehmen im Zusammenhang mit ihrer Haupttätigkeit durchgeführt würden. Sauerstoff werde auf Baustellen beispielsweise beim Schweißen und Schneiden von Eisen- und Metallteilen oder beispielsweise beim Flammen verwendet, Dieseltreibstoff zum Betrieb von Maschinen. Eine Lieferung von Sauerstoff und Dieseltreibstoff stehe somit im Zusammenhang mit der Haupttätigkeit von Unternehmen des Hoch- und Tiefbaus und unterliege der Ausnahme, es sei denn, es liege eine interne oder externe Versorgungsfahrt vor. Unter einer Versorgungsfahrt im Sinne des Gesetzes könne wohl nur eine Beförderung zu einer bestehenden Einrichtung (hier Baustelle) zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes verstanden werden; einen derartigen Transport habe der Gesetzgeber aber vom Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung ausdrücklich ausgenommen. Als Beispiele für den Anwendungsbereich zähle der Gesetzgeber demonstrativ weiters Beförderungen zum Zweck von Messungen, Reparaturen und Wartungsarbeiten auf. Dass der Gesetzgeber jeweils vom Inhalt und Zweck gleichwertige Transporte von den strengen Bestimmungen der Anlagen A und B habe ausnehmen wollen, brauche nicht näher begründet zu werden. Gerade die Aufzählung von "Messungen, Reparaturen und Wartungsarbeiten" in Verbindung mit dem Ausschluss von Versorgungsfahrten beweise die Absicht des Gesetzgebers, dass nur solche Transporte ausgenommen werden sollten, die zur Erledigung von Arbeiten mit vergleichsweise geringem Umfang durchgeführt werden müssten; nicht umsonst werde die Ausnahmebestimmung auch als "Handwerkerbefreiung" bezeichnet. Im Übrigen stünden u.a. Messungen, Reparaturen und Wartungsarbeiten durchaus im Zusammenhang mit der Haupttätigkeit von Unternehmen im Hoch- und Tiefbau. Es könne keine Rede davon sein, dass bei Befolgung der Anordnung des Normgebers im zweiten Satz kein Platz für die im ersten Satz normierte Ausnahme bliebe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde wendet in ihrer Gegenschrift ein, dass laut Zustellnachweis der angefochtene Bescheid am 2. September 2003 zugestellt und die Beschwerde sohin verspätet erhoben worden sei.
Der Beschwerdeführer führt hiezu aus, dass der angefochtene Bescheid an der Zustelladresse seines Dienstgebers hinterlegt worden sei (Beginn der Abholfrist am 2. September 2003) und er erst nach seiner Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt und einem daran anschließenden (Urlaubs-)Aufenthalt in seinem Wochenendhaus am 9. September 2003 von der Hinterlegung Kenntnis erlangt habe. In der mit dem Schriftsatz vorgelegten eidesstattlichen Erklärung bekräftigte der Beschwerdeführer diese Behauptungen.
Gemäß § 17 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG) ist ein Schriftstück dann, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 leg. cit. regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in der selben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
Nach § 17 Abs. 2 ZustG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen.
Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 leg. cit. wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
Eine vorübergehende Abwesenheit, welche die Zustellung durch Hinterlegung unzulässig machen bzw. die Anwendung des dritten Satzes des § 17 Abs. 3 ZustG nach sich ziehen würde, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert ist, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie z.B. im Falle einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes (vgl. etwa den Beschluss vom 30. September 1997, Zlen. 97/08/0127, 0128, mwN).
Im vorliegenden Fall ist aufgrund des glaubwürdigen Vorbringens des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass sein Auslandsaufenthalt und der daran anschließende Aufenthalt in seinem Wochenendhaus über den Tag der Hinterlegung hinaus bis zum 9. September 2003 die Zustellung des angefochtenen Bescheides durch Hinterlegung unzulässig gemacht hat; es kommt daher der dritte Satz des § 17 Abs. 3 ZustG zur Anwendung. Die Rückkehr des Beschwerdeführers an die Abgabestelle bewirkte die Zustellung mit diesem Tag. Damit wurde die Beschwerdefrist in Gang gesetzt; die vorliegende Beschwerde ist somit rechtzeitig.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die erstinstanzliche und auch die belangte Behörde seien im gesamten Verfahren davon ausgegangen, dass Tatort "2320 Schwechat, Südrandstrasse, Einfahrt OMV Osttor" gewesen sei. Der Ort des vermissten rechtmäßigen Alternativverhaltens sei aber sein Beschäftigungsort gewesen, sodass der vorgeworfene Tatort dem § 44a VStG nicht entspreche.
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (§ 9 Abs. 2 VStG) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Nach § 9 Abs. 2 leg. cit. sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Nach § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Die belangte Behörde hat der Berufung des Beschwerdeführers im hier angefochtenen Umfang keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt. Damit hat sie den Spruch dieses Straferkenntnisses insoweit auch zum Inhalt des vorliegend in Beschwerde gezogenen Bescheides gemacht.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. September 2000, Zlen. 2000/03/0071, 0072, ausgeführt hat, ist bei Unterlassungsdelikten der Tatort dort anzunehmen, wo der Täter hätte handeln sollen; dieser Ort fällt dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgten, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammen; (nur) dann, wenn die tatsächliche Leitung eines Unternehmens an einem anderen Ort als an dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt wird, hat dies zur Folge, dass dieser Ort als jener Ort anzusehen ist, an dem der Täter hätte handeln sollen (vgl. etwa die hg Erkenntnisse vom 26. April 2007, Zl. 2006/03/0138, sowie vom 19. Dezember 2002, Zl. 2001/09/0080).
Aus der Bestellungsurkunde vom 5. September 2000 geht hervor, dass der Beschwerdeführer von der St. AG mit Sitz in S zum verantwortlich Beauftragten bestellt wurde, eine Einschränkung seines Verantwortungsbereiches (etwa auf die Zweigniederlassung) ist der genannten Urkunde nicht zu entnehmen. Damit kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, dass der Tatort an seinem Beschäftigungsort (dem Standort der Rechtsabteilung des Beförderers) anzunehmen wäre, zumal er nicht behauptet, dass die tatsächliche Leitung des Unternehmens dort ausgeübt werde (vgl. zur Bestrafung eines nicht nur für eine Filiale bestellten "Filialinspektors" am Sitz des Unternehmens als Tatort das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/02/0280, sowie betreffend ein nach außen zur Vertretung berufenes Organ nach § 9 VStG das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1996, Zlen. 95/02/0243, 0244).
Da es im Beschwerdefall auf den Standort des Büros des Beschwerdeführers nicht ankam und die belangte Behörde nach dem Gesagten auch den Sitz der Zweigniederlassung des Unternehmens, für das der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter zu handeln unterlassen hat, nicht als Tatort ("etabl. W"), annehmen durfte, erweist sich der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass er - ohne dass in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. Dezember 2007
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