VwGH 2003/03/0181

VwGH2003/03/018127.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des RB in K, Polen, vertreten durch Foidl Trappmaier, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Ungargasse 53, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 11. April 2003, Zl. Senat-HL-02-2040, betreffend Verfall einer vorläufigen Sicherheit i.A. Übertretung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59;
AVG §60;
GGBG 1998 §27 Abs4 idF 2002/I/032;
VStG §17 Abs3;
VStG §24;
VStG §37 Abs5;
VStG §37a Abs5;
VStG §44a;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59;
AVG §60;
GGBG 1998 §27 Abs4 idF 2002/I/032;
VStG §17 Abs3;
VStG §24;
VStG §37 Abs5;
VStG §37a Abs5;
VStG §44a;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die "vom Beschwerdeführer" beim Gendarmerieposten Retz am 13. Februar 2002 wegen des Verdachtes der Übertretungen des § 7 Abs. 2 Z. 5, 7 und 8 iVm § 27 Abs. 1 Z. 1 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes erlegte vorläufige Sicherheitsleistung von EUR 2.178,-- gemäß § 37 Abs 5 VStG iVm § 37a Abs 5 VStG für verfallen erklärt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass laut Anzeige des Gendarmeriepostens Retz der Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges, mit dem ein Gefahrguttransport durchgeführt worden sei, angehalten und einer Kontrolle unterzogen worden sei, wobei die notwendige Anzahl der "orangefarbigen Tafeln" an den Längsseiten den Tankcontainers nicht angebracht gewesen sei, der mitgeführte Feuerlöscher keine Plombierung aufgewiesen habe, die Beförderungseinheit trotz zwei Lenkern nur mit einer Handlampe ausgestattet gewesen sei, sowie die Schaublätter im Kontrollgerät länger als 24 Stunden verwendet worden seien, weshalb wegen vorliegender Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes der Betrag von EUR 2.178,-- als vorläufige Sicherheit vom Berufungswerber als Vertreter des Beförderers einbehalten worden sei und die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn diesen Betrag für verfallen erklärt habe.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe das ihm angelastete Delikt nicht begangen, weshalb die Behörde von einer Strafverhängung hätte Abstand nehmen müssen, sei entgegenzuhalten, dass im Verfallsverfahren die Deliktssetzung als solche keiner Nachprüfung zu unterziehen sei, sondern ausschließlich die Rechtmäßigkeit des Verfallsausspruches Gegenstand des Verfahren sei.

Aus der den Verfall betreffenden Gesetzesbestimmung ergebe sich nämlich, dass es sich bei einer Sicherheitsleistung bzw. der vorläufigen Sicherheit ausschließlich um ein Sicherungsmittel handle, durch dessen Einsatz die Durchführung des Strafverfahrens und der nachfolgende Strafvollzug gesichert werden solle. Dem Wesen dieser Instrumente entsprechend bedürfe ihre Anwendung keines strengen Beweises der Begehung einer Verwaltungsübertretung. Es genüge diesbezüglich vielmehr das Vorhandensein eines entsprechend konkreten Verdachts. Es müsse deshalb jenes Risiko verwirklicht werden, dem durch die Einhebung der Sicherheitsleistung bzw. der vorläufigen Sicherheit entgegengewirkt werden solle, also jenes Risiko, dass sich der Betroffene durch seinen Aufenthalt in einem Staat, mit dem kein entsprechendes Rechtshilfeübereinkommen bestehe, der Strafverfolgung bzw. der Vollstreckung der Strafe entziehe. Voraussetzung hiefür sei wiederum, dass zum Zeitpunkt des Verfallsausspruches noch eine entsprechende Verdachtslage vorhanden gewesen sei. Diese Verdachtslage zum Zeitpunkt des Verfallsausspruches durch die Erstbehörde sei aufgrund der dem Verfahren zugrunde liegenden Anzeige gegeben. Vom Beschwerdeführer, als Verantwortlichem des Beförderers sei deshalb die gegenständliche Sicherheitssumme, die der gesetzlichen Mindeststrafe nach dem Gefahrgutbeförderungsgesetz entspreche, einbehalten worden. Ausgehend davon, dass mit der Republik Polen kein entsprechendes Rechtshilfeabkommen bestehe und somit weder die Strafverfolgung noch die Vollstreckung der Strafe möglich wäre, sei die Behörde zu Recht mit dem Verfallsausspruch gemäß § 37 Abs. 5 VStG vorgegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten erwogen:

Gemäß § 37a Abs 1 VStG kann die Behörde besonders geschulte Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigen, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen eine vorläufige Sicherheit bis zum Betrag von EUR 180,-- festzusetzen und einzuheben.

Gemäß § 37a Abs. 2 Z. 2 VStG kann sich die Ermächtigung darauf beziehen, dass das Organ von Personen, die auf frischer Tat betreten werden und bei denen eine Strafverfolgung oder der Strafvollzug offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, die vorläufige Sicherheit einhebt.

Gemäß § 37 Abs. 5 VStG kann die Sicherheit für verfallen erklärt werden, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 VStG ist sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 27 Abs. 4 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes - GGBG, BGBl. I Nr. 145/1998, idF BGBl. I Nr. 32/2002, kann als vorläufige Sicherheit im Sinn des § 37a VStG bei Verdacht einer Übertretung gemäß § 27 Abs. 1 GGBG ein Betrag von EUR 7.267,-- bei Verdacht einer Übertretung gemäß § 27 Abs. 2 GGBG ein Betrag bis EUR 2.180,-

- festgesetzt werden. Der Lenker der Beförderungseinheit gilt als Vertreter des Beförderers, falls nicht dieser selbst oder ein von ihm bestellter Vertreter bei der Amtshandlung anwesend ist.

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er für die Durchführung des in Rede stehenden Transports als Vertreter des Beförderers verantwortlich war und dass er seinen Wohnsitz in Polen hat. Da - was die Beschwerde ebenfalls nicht in Zweifel zieht - zwischen der Republik Österreich und Polen kein Vertrag über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungsstrafsachen besteht (vgl. dagegen den diesbezüglichen Vertrag der Republik Österreich mit der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. Nr. 526/1990; weitere Hinweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Anm. 3 zu § 1 VVG und Anm. 1 zu § 11 ZustellG), war im Beschwerdefall eine Strafverfolgung iSd § 37 Abs. 5 und § 17 Abs. 3 VStG nicht möglich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2005, Zl. 2003/03/0084).

Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, dass er bereits in seiner Berufung darauf hingewiesen habe, dass der erstinstanzliche Bescheid an ihn adressiert worden sei, inhaltlich aber über den Verfall einer Sicherheit abgesprochen worden sei, die von der H. Polska Sp.z.o.o. eingehoben worden sei.

Wie sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt, wurde die vorläufige Sicherheit von einem Organ der Bundesgendarmerie Retz auf der Grundlage des § 27 Abs. 4 GGBG von dem genannten Unternehmen, vertreten durch den Fahrer der Beförderungseinheit, eingehoben. Verfahrensgegenstand war somit der Verfall einer Sicherheitsleistung, die von einer ausländischen juristischen Person als Beförderer gestellt wurde. Sowohl der Spruch des erstinstanzlichen als auch des angefochtenen Bescheides richten sich jedoch ohne Bezugnahme auf den Erleger der Sicherheit an den Beschwerdeführer.

Lässt der Spruch eines Bescheides, für sich allein beurteilt, Zweifel an seinem Inhalt offen, so kann nach der hg. Rechtsprechung die beigegebene Begründung als Auslegungsbehelf herangezogen werden (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 27, 50 und 51 zu § 59 AVG). In der Begründung des angefochtenen Bescheides begnügt sich die belangte Behörde damit, den Beschwerdeführer als "Vertreter" des Beförderers zu bezeichnen, ohne den Beförderer namentlich zu benennen. Damit ist jedoch der normative Gehalt des angefochtenen Bescheides unklar geblieben, weil sich weder aus dem Spruch noch aus der zu seiner Auslegung herangezogenen Begründung ein Hinweis auf jene Sicherheitsleistung, die von der H. Polska Sp.z.o.o gestellt wurde und deren Verfall sich auch nur im Vermögen des genannten Unternehmens auswirken kann, ergibt (vgl. in diesem Zusammenhang zur Beschwer des Beförderers das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2006, Zl. 2004/03/0220).

Da auch unklare, aus sich allein nicht verständliche Spruchteile normative Wirkung entfalten und daher in Rechtskraft erwachsen können, sind sie, wenn sie in Rechte einer Partei eingreifen und den Anforderungen der - gemäß § 24 VStG auch im Beschwerdefall anzuwendenden - §§ 59 und 60 AVG nicht entsprechen, mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, aaO, zu § 59 AVG, S. 984 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Dezember 2007

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