VwGH 2006/18/0344

VwGH2006/18/03448.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde 1. der MS, (geboren 1971), und 2. ihres Sohnes NS, (geboren 2005), in L, beide vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. September 2006, Zl. St-272/05, betreffend Erlassung einer Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 22. September 2006 wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, aus Österreich ausgewiesen.

Die Erstbehörde habe folgenden rechtlich relevanten Sachverhalt festgestellt:

"Sie (die Erstbeschwerdeführerin) gelangten am 05.11.2001 schlepperunterstützt nach Österreich und stellten einen Asylantrag.

Das Asylverfahren wurde letztendlich mit Beschluss des VwGH vom 15.03.2004, mit dem die Behandlung der Beschwerde im Asylverfahren abgelehnt wurde, negativ abgeschlossen - Österreich gewährt Ihnen kein Asyl.

Seither halten Sie sich ohne jegliche asyl- bzw. fremdenrechtliche Bewilligung und somit nicht rechtmäßig in Österreich auf.

In Ihren Stellungnahmen vom 05.07.2004 und vom 11.04.2005 führen Sie im Wesentlichen an, dass humanitäre Niederlassungsbewilligungen gem. § 19 Abs. 2 Zi. 6 FrG beantragt wurden.

..........

Das Bundesministerium für Inneres hat mit Erlass vom 25.08.2005 die ursprüngliche Zustimmung zur Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen dahingehend geändert, dass der Erteilung nun nicht zugestimmt wird.

Sie halten sich seit November 2001 in Österreich auf. Aus diesem Aufenthalt in Österreich kann allerdings noch kein so hoher Integrationsgrad abgeleitet werden, der eine Ausweisung unzulässig machen würde.

Ein Eingriff in Ihr Familienleben ist insofern zu relativieren, weil sich Ihr Gatte auch nicht rechtmäßig in Österreich aufhält, und gegen ihn auch die Ausweisung verfügt wird.

Gemäß § 28 Abs. 2 FrG sind Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, während ihrer ersten sechs Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes allein zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist, dies gilt jedoch nur solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem aus anderem Grund als wegen Verzichts der Mutter allein das Recht zur Pflege und Erziehung zukommt. Außerdem besteht für solche Kinder Sichtvermerksfreiheit während der ersten sechs Lebensmonate, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt.

Da im gegenständlichen Fall keine der geforderten Voraussetzungen vorliegt, hält sich Ihr Sohn nicht rechtmäßig hier auf."

Die Erstbeschwerdeführerin halte sich insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihr weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Auch komme ihr nach der Aktenlage kein Aufenthaltsrecht auf Grund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu bzw. sei von ihr ein derartiges Aufenthaltsrecht auch nicht behauptet worden.

Sie halte sich also, bedingt durch das rechtskräftig negativ abgeschlossene Asylverfahren seit dem 15. März 2004, seit zwei Jahren, illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß, die Ausweisung sei demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Zwar halte sich die Erstbeschwerdeführerin schon seit mehr als vier Jahren im Bundesgebiet auf, aus Gründen der Aufenthaltsdauer und der daraus resultierenden Integration werde durch die Ausweisung nicht unerheblich in das familiäre Fortkommen eingegriffen, dieser Eingriff ereiche aber nicht ein Ausmaß, der die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme als unzulässig erscheinen ließe. Aus der Ausweisung ergebe sich lediglich die Verpflichtung, unverzüglich das Bundesgebiet zu verlassen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Erstbeschwerdeführerin räumt ein, dass - wie im angefochtenen Bescheid festgehalten - ihr Asylantrag abgewiesen worden sei, und führt aus, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom März 2004 die Behandlung der Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid abgelehnt habe. Ferner wendet sie sich nicht gegen die Feststellung, dass ihr weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Mit dem Hinweis der Beschwerdeführerin, ihr im Jahr 2004 gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, über den noch nicht entschieden worden sei, würde ihr nach wie vor einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland verschaffen, ist für sie nichts gewonnen. Die bloße Stellung dieses Antrags konnte ihren Aufenthalt nicht legalisieren. Zudem gibt es vorliegend keinen Anhaltspunkt dafür, dass dieser Antrag als Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu werten gewesen wäre, und ihr im Grund des § 31 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 bzw. des § 24 Abs. 2 zweiter Satz des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes ein rechtmäßiger Aufenthalt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zustehen würde. Dass dem Zweitbeschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich zugekommen wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet; auch aus dem angefochtenen Bescheid lässt sich dafür kein Anhaltspunkt gewinnen. Vor diesem Hintergrund kann die Auffassung der belangten Behörde, dass sich die beschwerdeführenden Parteien unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und daher der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.1. In der Beschwerde wird vorgebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann und dem im Jahr 2005 geborenen Zweitbeschwerdeführer in aufrechter Familiengemeinschaft in einer Wohnung lebe, darüber hinaus bestünde ein familiärer Anschluss zu Brüdern und Cousins, auch gegenüber ihrem Schwiegervater, der österreichischer Staatsbürger sei. Die Erstbeschwerdeführerin sei seit ca. fünf Jahren durchgehend in Österreich aufhältig und habe zwischenzeitlich die deutsche Sprache erlernt. Sie sei zudem unbescholten, weder verwaltungsstrafrechtlich noch gerichtlich vorbestraft. Ihr Ehemann stehe in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis, er finanziere den Unterhalt für die Familie, die zu keinem Zeitpunkt von öffentlichen Unterstützungen oder Geldern gelebt habe. Die beschwerdeführenden Parteien hätten keine Bindungen mehr zu ihrer Heimat und könnten dort auch keinerlei Kontakte mehr herstellen. Sie seien in Österreich integriert, wohingegen sie in ihrer Heimat keinerlei Familienanschluss und auch keine Wohnung hätten. Sie wüssten nicht, wo sie im Ausland Aufenthalt nehmen oder in welches Land sie gehen sollten. Die mit der Ausweisung verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation der Erstbeschwerdeführerin, ihres Ehemannes, des Zweitbeschwerdeführers und der sonstigen Familienmitglieder würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung überwiegen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Grund des § 66 Abs. 1 FPG auf. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 20. April 2006, Zl. 2006/18/0071). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Erstbeschwerdeführerin durch ihren rechtswidrigen Aufenthalt nach Beendigung ihres Asylverfahrens in der Dauer von mehr als zwei Jahren gravierend beeinträchtigt. Zudem wird das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration der Erstbeschwerdeführerin dadurch maßgebend gemindert, dass ihr Aufenthalt während des Asylverfahrens nur auf Grund eines Antrags, der sich als unberechtigt erwiesen hat, vorläufig berechtigt war. Der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin (behauptetermaßen) unbescholten sei, vermag ihre persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich nicht maßgeblich zu verstärken. Auch der Hinweis, die beschwerdeführenden Parteien hätten zu keinem Zeitpunkt von öffentlichen Unterstützungen oder Geldern gelebt, kann keine relevante Verstärkung ihrer persönlichen Interessen bewirken. Angesichts der Ausweisung der Erstbeschwerdeführerin - seiner Mutter - erscheinen auch die persönlichen Interessen des Zweitbeschwerdeführers in Österreich entscheidend relativiert. Dem Vorbringen in der Beschwerde hinsichtlich der Lage im Heimatland der beschwerdeführenden Parteien ist entgegenzuhalten, dass mit einer Ausweisung nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde, und dass durch § 66 FPG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0631).

3. Auf dem Boden des Gesagten erweisen sich die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe (auch infolge der Unterlassung der Vernehmung von angebotenen Zeugen) den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und den angefochtenen Bescheid unzureichend begründet, als nicht zielführend.

4. Da somit bereits die Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 8. November 2006

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