VwGH 2006/18/0267

VwGH2006/18/02674.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des SD, geboren 1970, vertreten durch Mory & Schellhorn OEG, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Juni 2006, Zl. St 255/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg impl;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg impl;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. Juni 2006 wurde der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 18. Juli 2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist und habe am 20. Juli 2001 einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid vom 25. Juli 2002 sei der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers (in sein Heimatland) zulässig sei. Der Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 AsylG sei mit 10. August 2002, der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gemäß § 8 AsylG sei mit 21. März 2003 in Rechtskraft erwachsen. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers (nach dem Asylgesetz) sei am 25. August 2003 widerrufen worden. Am 16. Juli 2003 habe der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes Linz vom 18. Oktober 2003 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen worden sei. Die dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Jänner 2004 abgewiesen worden.

Seit dem Abschluss seines Asylverfahrens halte sich der Beschwerdeführer rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß.

Unter Bezugnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass er seit Mai 2002 auf Grund einer gültigen Arbeitserlaubnis bei einem Linzer Unternehmen beschäftigt sei. Mit dem Einkommen aus dieser Berufstätigkeit könne er seinen Lebensunterhalt zur Gänze allein bestreiten. Seine Ehefrau sowie seine drei minderjährigen Kinder würden derzeit als Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben.

Die Ausweisung sei gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich kämen, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung sei erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch gemacht werden müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich der Beschwerdeführer seit Abschluss des Asylverfahrens rechtswidrig im Bundesgebiet aufhält. Die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG ist daher erfüllt. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines Antrags auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung, über die noch nicht entschieden worden sei, nicht ausgewiesen werden könne, trifft nicht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0089). Auch gegen das Ergebnis der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 FPG hegt der Verwaltungsgerichtshof in Anbetracht der zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid keine Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bringt indes vor, die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, weshalb der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat Mazedonien verlassen habe und welche Situation ihn im Fall seiner Rückkehr erwarten würde. Es gäbe für ihn und seine Familie keine Alternative, als in Österreich Sicherheit und eine Lebensgrundlage vorzufinden. Er sei zum Dienst in der albanischen Untergrundarmee gezwungen worden und von dort desertiert. Er habe in Mazedonien keine Wohnung, kein Haus, keine Arbeit und keine medizinische Versorgung. Er und seine Familie hätten dort "ihre Existenz verloren". In Österreich hätten sie ein neues Leben begonnen. Der Beschwerdeführer gehe hier seit vier Jahren einer geregelten Beschäftigung nach. Seine Kinder würden hier zur Schule bzw. in den Kindergarten gehen. Die ganze Familie verfüge über gute Deutschkenntnisse. Das jüngste Kind sei in Österreich geboren worden. Sie seien niemals der öffentlichen Hand zur Last gefallen. Dies alles habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, sondern sich auf allgemeine Ausführungen betreffend eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung beschränkt. Hätte die belangte Behörde die Gründe, die gegen die Ausweisung sprächen, richtig gewürdigt, so hätte sie "eine Ausweisung gegenüber dem Bf. nicht verlangen können bzw. dürfen." Sie habe eine gesetzwidrige Ermessensentscheidung getroffen.

2.2. In seinem Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0034, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit einer von derselben belangten Behörde getroffenen Ermessensentscheidung befasst, die eine mit der Begründung identische Begründung aufweist, und hat Letztere als unzureichend qualifiziert. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Der Beschwerdeführer hat - unvorgreiflich des Ergebnisses der behördlichen Ermessensübung - die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufgezeigt, indem er - wenngleich inhaltlich unter Heranziehung von auch für die Beurteilung nach § 66 Abs. 1 FPG bedeutsamen Umständen - ausführlich darlegte, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu seinen Gunsten Ermessen zu üben gehabt hätte.

3. Da es die belangte Behörde unterlassen hat, eine dem Beschwerdeführer die Verfolgung seiner subjektiven Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids andererseits ermöglichende Begründung für ihre Ermessensentscheidung zu geben, leidet der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

4. Der Zuspruch von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren betreffend die Pauschalgebühren war in Ansehung der bewilligten Verfahrenshilfe abzuweisen.

Wien, am 4. Oktober 2006

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