VwGH 2006/18/0045

VwGH2006/18/004515.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über den Antrag des D, geboren 1985, vertreten durch Dr. Christian Fuchs, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillhöfe 7, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 22. Oktober 2004, Zl. III 4033-94/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (hg. Zl. 2005/18/0668), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;
AVG §71;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

I.

1. Mit hg. Verfügung vom 2. Dezember 2005, dem Beschwerdeführer am 7. Dezember 2005 zugestellt, erging an diesen im obgenannten Beschwerdeverfahren gemäß § 34 Abs. 2 VwGG die Aufforderung, die von ihm erhobene Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol binnen sechs Wochen ab Zustellung dieser Verfügung in mehreren (näher bezeichneten) Punkten zu verbessern. Der aufgetragene Mängelbehebungsschriftsatz wurde innerhalb der gesetzten Frist nicht eingebracht.

2. Mit dem vorliegenden, am 30. Jänner 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist, wobei er die versäumte Handlung durch Vorlage des aufgetragenen Mängelbehebungsschriftsatzes in dreifacher Ausfertigung nachholte.

Zu diesem Wiedereinsetzungsantrag führte der Beschwerdeführer begründend aus, dass im Fristenkalender seines Rechtsvertreters, des Beschwerdevertreters, die sechswöchige Frist für die Vorlage des ergänzenden Schriftsatzes (Mängelbehebungsschriftsatzes) richtig für den 18.Jänner 2006 kalendiert worden sei und zusätzlich eine Vorwarnung kalendarisch für den 17. Jänner 2006 unter Hinweis auf das Fristende 18. Jänner 2006 (mit blauer Farbe) vorgemerkt worden sei. Der Beschwerdevertreter habe diesen Schriftsatz erarbeitet und in dreifacher Ausfertigung am 16. Jänner 2006 abends - und zwar mit der gesamten zum Versand vorbereiteten Post - unterfertigt und diese Post im Sekretariat seiner Kanzlei hinterlassen. Ab 17. Jänner 2006 habe er für drei Tage auswärtige Termine wahrzunehmen gehabt und sei erst am 20. Jänner 2006 wieder in seine Kanzlei zurückgekehrt. Da die Ausfertigung des ergänzenden Schriftsatzes "absendefertig eingerichtet worden ist" und die bisher stets verlässliche Sekretariatskraft angewiesen gewesen sei, Schriftsätze und behördliche Eingaben immer ohne Verzug zur Post zu bringen, habe er guten Gewissens davon ausgehen können, dass dies auch tatsächlich geschehe. Unmittelbar nach seiner Rückkehr am 20. Jänner 2006 habe er die vor seiner Abreise erledigten Fristakten kontrolliert und im gegenständlichen Handakt das Fehlen des "Einschreibezettels" festgestellt, der üblicherweise nach Versand der kanzleiinternen Ausfertigung des Schriftsatzes hätte angeheftet werden müssen. Wie die weitere Kontrolle des Beschwerdevertreters ergeben habe, sei der zur Absendung vorbereitete Mängelbehebungsschriftsatz noch immer in der Postausgangsmappe gelegen. Im Nachhinein habe recheriert werden können, dass dieser Schriftsatz in einer Postmappe abgelegt gewesen sei, in der sich nur formlose (nicht fristgebundene) Briefe befunden hätten. Offenbar habe das Sekretariat diesen Schriftsatz in der mit den Briefen prall gefüllten Postmappe übersehen. Dieser Fehler sei erst am 20. Jänner 2006 zutage getreten.

Grundsätzlich überprüfe der Beschwerdevertreter regelmäßig persönlich die Einhaltung der im Kalender vorgemerkten Fristen. Dies geschehe dadurch, dass vor dem Ausgang der Post nochmals die kalendarisch vorgemerkten Fristen mit der Ausgangspost verglichen würden. Tatsächlich sei es in seiner Kanzlei seit ihrem über 10- jährigen Bestehen noch zu keiner Fristversäumnis gekommen. Da er bereits am 16. Jänner 2006 die Kanzlei habe verlassen müssen und erst am 20. Jänner 2006 in diese zurückgekehrt sei, habe diese übliche Form der Überprüfung während dieser Zeit durch ihn nicht erfolgen können. Er habe sich hiebei auf sein Sekretariat, konkret auf den in seiner Kanzlei für den Posteingang und -ausgang zuständigen Mitarbeiter P., der seit Herbst 2004 dort tätig sei, verlassen, der diesbezüglich auch bei früheren kurzen Auswärtsaufenthalten (des Beschwerdevertreters) äußerst zuverlässig den Postversand erledigt habe. Dieses Vertrauen sei durch die "langjährige" zuverlässige Arbeit des P., der regelmäßig die Fristen eintrage und fristgebundene Schriftstücke aufgebe, wohlbegründet.

Der genannte Sachverhalt stelle für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis dar, das ihn an der rechtzeitigen Einbringung des ergänzenden Schriftsatzes gehindert habe. Die Fristversäumnis sei nicht auf ein Verschulden des Beschwerdeführers oder eines in der Kanzlei tätigen Juristen zurückzuführen. Außerdem sei der manipulative Fehler, der im Sekretariat unterlaufen sei, nur als ein Versehen minderen Grades zu qualifizieren, könne doch auch einer äußerst umsichtigen und verlässlichen Kanzleikraft bzw. bestens organisierten Kanzlei einmal in elf Jahren an einem Tag mit starker Arbeitsbelastung ein solches Versehen unterlaufen.

II.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist Letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst im Zug der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Allerdings ist die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen. (Vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom 30. November 2004, Zl. 2004/18/0333, mwN.)

3. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als zielführend. Zunächst deutet im vorliegenden Fall nichts auf ein Verschulden des Beschwerdevertreters bei der Auswahl der Kanzleikraft P. hin. Aus dem - durch die eidesstättige Erklärung des Beschwerdevertreters und seines Mitarbeiters P. vom 27. Jänner 2006 - bescheinigten, als nicht unglaubwürdig zu beurteilenden Vorbringen ergibt sich, dass der für den Beschwerdevertreter auf Grund seiner bisherigen Erfahrung als verlässlich einzustufende P. den bereits zur Versendung vorbereiteten Mängelbehebungsschriftsatz versehentlich nicht zur Post gebracht hat. Die Nichtbefolgung des mit hg. Verfügung vom 2. Dezember 2005 erteilten Verbesserungsauftrages ist daher lediglich auf einen Fehler des P. bei der rein manipulativen Tätigkeit der Abfertigung der bereits vom Beschwerdevertreter unterfertigten Sendung zurückzuführen.

4. Im Hinblick darauf war dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG stattzugeben.

Wien, am 15. März 2006

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