VwGH AW 2006/10/0037

VwGHAW 2006/10/00378.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der MMag. U, Umweltanwältin des Landes Steiermark, Stempfergasse 7, der gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. Juli 2006, Zl. FA13C-54 G 403/112-2006, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. P in S und 2. DI A in D, beide vertreten durch E, Rechtsanwaltssozietät), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

NatSchG Stmk 1976 §13b;
NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs6;
NatSchG Stmk 1976 §7 Abs4;
VwGG §30 Abs2;
NatSchG Stmk 1976 §13b;
NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs6;
NatSchG Stmk 1976 §7 Abs4;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. Juli 2006 wurde den mitbeteiligten Parteien die naturschutzrechtliche Bewilligung für die "Errichtung eines Trinkwasserkraftwerkes am S und S, eines Wasserkraftwerkes an der S sowie die Errichtung einer Beileitung zum KW G" nach Maßgabe näher beschriebener Unterlagen und bei Einhaltung von im Einzelnen genannten Auflagen erteilt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, von der Umweltanwältin gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über Einrichtungen zum Schutze der Umwelt erhobene Beschwerde, in der beantragt wird, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, das Vorhaben der mitbeteiligten Partei solle in einem Raum Platz greifen, in dem mehrere Schutzgebietskategorien nebeneinander bestünden: Betroffen sei das Europaschutzgebiet Nr. 3, das Landschaftsschutzgebiet Nr. 1, Koralpe, sowie durch § 7 Stmk. Naturschutzgesetz (NatSchG) geschützte Gebiete (Schutz von stehenden und fließenden Gewässern und Uferschutz). Überdies sei ein Verfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg anhängig, in dem die Naturdenkmalwürdigkeit der Kataraktstrecke geprüft werde. Die S sei über weite Teile unzugänglich und weise daher höchste Ursprünglichkeit auf. Hervorzuheben sei die Ausstattung mit und der Reichtum an vielfältigsten Strukturen des Gewässerbettes bei gleichzeitig weit gehendem Fehlen menschlicher Eingriffe. Während nur rund 10 % der Flüsse im Alpenraum als "naturnahe" zu bezeichnen seien, stelle die S vom Ursprung auf der B Alm bis in den Bereich westlich von S die längste und einzige flusstypspezifisch erhaltene Fließstrecke eines gestreckten Flusses mit zentralalpinem Einzugsgebiet dar. Die hohe Wertigkeit des Gebietes werde auch durch die Aufnahme in das "Buch der Flüsse" dokumentiert. Das Vorhandensein von vielfältigen, abwechslungsreichen gewässergeomorphologischen Ausprägungen und von zahlreichen schützenswerten Biotopen im Flussumland bewirke ein Erscheinungsbild der S von großer Schönheit. Durch das Vorhaben der mitbeteiligten Parteien verbliebe ein etwa 12 km langer Abschnitt der S nur mehr als Restwasserstrecke. Durch die Reduktion der Wassermenge komme es auf der gesamten Restwasserstrecke zu einer permanenten Absenkung der mittleren jährlichen Wasserführung. Die Reduktion des Wasserdurchflusses im Ausbauzustand betrage zwischen 54 % und 31 %, die Absenkung des Wasserspiegels durchschnittlich 13 cm (Einzelwerte im Bereich von

9 - 20 cm) und an der Referenzstrecke I 9 cm, wobei dieser Wert

nach oben korrigiert werden müsse. Eine derart verminderte Wasserführung in der S führe "natürlich auch zu entsprechenden Auswirkungen auf das Landschaftsbild". Den im Einzelnen genannten (der Beschwerde beigelegten) Gutachten sei zu entnehmen, dass es sich bei der in Anspruch genommenen Strecke um ein anthropogen kaum beeinflusstes Gebiet von einzigartiger landschaftlicher Schönheit mit einem "ungeheuren ökologischen Potenzial" handle. Durch die Verwirklichung des Projektes drohe die unwiederbringliche Zerstörung der österreichweit einzigen flusstypspezifisch erhaltenen Fließstrecke eines gestreckten Flusses mit zentralalpinem Einzugsgebiet als Landschaftselement und die Beeinträchtigung prioritär geschützter Arten und Lebensräume. Die geplanten Kraftwerke seien wirtschaftlich keineswegs notwendig, sodass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen stünden. Mit der Gebrauchnahme von der erteilten Bewilligung mit der jederzeit zu rechnen sei, würde hingegen die landschaftliche Schönheit und die besondere, weitestgehend ursprünglich gebliebene Charakteristik der Schluchtstrecken der S schwerstens geschädigt und deren Erholungswert vermindert. Arten und Lebensräume, die nach den Vorschriften der FFH-Richtlinie prioritär zu schützen seien, würden nachhaltig beeinträchtigt. Durch die Gebrauchnahme von der erteilten Bewilligung drohe insofern "eine Aushöhlung der Rechtsschutzfunktion der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof".

Die belangte Behörde teilte mit, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen stünden. Der für die Ausführung des Vorhabens erforderliche wasserrechtliche Bewilligungsbescheid sei allerdings noch nicht ergangen.

Die mitbeteiligten Parteien sprachen sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Sie brachten u.a. vor, die von der beschwerdeführenden Partei befürchteten Beeinträchtigungen der Natur entbehrten einer Konkretisierung; es handle sich um pauschale Behauptungen. Überdies habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Schutzgüter im Sinne der FFH-Richtlinie ausgeschlossen sei und dass eine Beeinträchtigung der besonderen landschaftlichen Schönheit und Eigenart, der seltenen Charakteristik und des Erholungswertes durch das Kraftwerksprojekt nicht eintreten werde. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde für die mitbeteiligten Parteien allerdings unverhältnismäßige Nachteile mit sich bringen, weil sie dann die ihnen auf Grund des Bewilligungsbescheides zukommende Parteistellung in den Naturdenkmalerklärungsverfahren wieder verlieren würden. Im Übrigen sei ihnen aber eine Gebrauchnahme von der erteilten naturschutzrechtlichen Bewilligung "weder rechtlich noch faktisch möglich", zumal sie noch nicht über alle erforderlichen Bewilligungen verfügten und auch im Hinblick auf die klimatischen Bedingungen in den nächsten Monaten nicht mit der Errichtung des Kraftwerkes beginnen könnten.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Für die Annahme, es bestehe an der sofortigen Umsetzung des angefochtenen Bescheides ein zwingendes öffentliches Interesse, liegt kein Anhaltspunkt vor. Auch hat keine Verfahrenspartei ein Vorbringen erstattet, dem Derartiges zu entnehmen wäre. Es ist daher in die Interessenabwägung einzutreten.

Unter dem "für den Beschwerdeführer" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG "verbundenen Nachteil" ist ein Nachteil für die von der Landesumweltanwältin wahrzunehmenden öffentlichen Interessen des Umweltschutzes zu verstehen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 12. Oktober 1999, Zl. AW 99/10/0047). Bei diesen öffentlichen Interessen handelt es sich um jene an der Hintanhaltung von erheblichen Beeinträchtigungen des Schutzzweckes von Europaschutzgebieten (§ 13b NatSchG), bzw. von Eingriffen in das ökologische Gleichgewicht der Natur, in den Landschaftscharakter oder die Wohlfahrtsfunktion, durch den die Natur geschädigt, das Landschaftsbild verunstaltet oder der Naturgenuss gestört wird (§ 6 Abs. 6 bzw. § 7 Abs. 4 iVm § 2 Abs. 1 NatSchG).

Bei der Beurteilung, ob ein Eingriff in die solcherart geschützten Güter einen "unverhältnismäßigen Nachteil" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG darstellt, ist u.a. maßgeblich, inwieweit die Folgen des Eingriffes im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides wieder beseitigt werden können, wobei den Antragsteller eine Konkretisierungspflicht trifft (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom 12. Oktober 1999). Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt somit entscheidend von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes ab.

Dem Aufschiebungsantrag ist hiezu allerdings lediglich zu entnehmen, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Verwirklichung des Projektes entsprechende Auswirkungen auf das Landschaftsbild sowie eine "unwiederbringliche Zerstörung der österreichweit einzigen flusstypspezifisch erhaltenen Fließstrecke eines gestreckten Flusses mit zentralalpinem Einzugsgebiet als Landschaftselement und die Beeinträchtigung prioritär geschützter Arten und Lebensräume" befürchtet. Mit diesen allgemein gehaltenen Behauptungen wird jedoch ein den geschützten Gütern aus der Gebrauchnahme des angefochtenen Bescheides - bei Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung - in einem solchen Ausmaß konkret drohender Nachteil, dass er die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit übersteigt, nicht dargetan.

Dem Aufschiebungsantrag war daher keine Folge zu geben. Bei diesem Ergebnis war auf die Frage, inwieweit der Umstand, dass die mitbeteiligten Parteien von der ihnen mit dem angefochtenen Bescheid erteilten Bewilligung zufolge ausstehender weiterer notwendiger Bewilligungen derzeit keinen Gebrauch machen können, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegensteht, nicht mehr einzugehen.

Wien, am 8. November 2006

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