VwGH 2006/08/0198

VwGH2006/08/019820.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Rechtsanwälte Brüggl & Harasser OEG in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 16. Mai 2006, Zl. uvs-2005/14/2337- 2, betreffend Übertretung des § 111 ASVG, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §51f Abs2;
VStG §51f Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 1. August 2005, Zl. HV-27- 2004, abgewiesen. Demnach wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe als Arbeitgeberin in der Zeit vom 6. Juni 2004 bis zum 8. Juni 2004 die kroatische Staatsangehörige A. in ihrem Betrieb als Köchin beschäftigt, ohne sie beim zuständigen Träger der Sozialversicherung zumindest in die Teilversicherung der Unfallversicherung anzumelden, obwohl sie dies binnen 7 Tagen nach Beginn der Pflichtversicherung am 6. Juni 2004 hätte tun müssen. Sie habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 111 iVm § 33 Abs. 1 und 2 ASVG verletzt und es wurde über sie gemäß § 111 ASVG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 730,-- verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides legt die belangte Behörde zunächst den Inhalt der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung dar und führt aus, dass die Beschwerdeführerin den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gestellt habe. Am 16. Mai 2005 sei die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe am Vortag mitgeteilt, dass er sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung entschuldige und er habe an der Verhandlung auch nicht teilgenommen. Eine Einvernahme der Beschwerdeführerin in der Verhandlung habe nicht erfolgen können, da diese trotz Ladung nicht erschienen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe in ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt. Am 20. April 2006 seien an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin sowohl der Ladungsbescheid für ihn als auch für die Beschwerdeführerin für eine mündliche Berufungsverhandlung ergangen. In diesen Ladungsbescheiden sei der Verhandlungsgegenstand zunächst wie folgt beschrieben worden:

"E.H. (Beschwerdeführerin), Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - Berufung". Sodann sei ausgeführt worden wie folgt: "Sie haben gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 28.7.2004, Zahl AB-25-2004 Berufung erhoben. In dieser Angelegenheit wird die öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt."

Diese - mit dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten übereinstimmende - Darlegung wird von der belangten Behörde nicht bestritten.

Zum weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei gegen sie im Jahre 2004 aus demselben Sachverhalt heraus auch eine Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes geführt worden, in dem die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel das Straferkenntnis vom 28. Juli 2004, Zl. AB-25-2004, erlassen habe, gegen das Berufung erhoben worden sei, führt die belangte Behörde aus, dass diese Angelegenheit bereits mit einer am 3. Oktober 2004 rechtskräftig gewordenen Berufungsentscheidung abgeschlossen worden war. Zum Zeitpunkt der Ladung sei nur das Verfahren betreffend die Übertretung des ASVG offengewesen und die Ladung habe nur diesen Berufungsgegenstand betreffen können.

2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, sodass die mündliche Berufungsverhandlung am 16. Mai 2006 nicht in Abwesenheit der Beschwerdeführerin und ihres Rechtsvertreters hätte durchgeführt werden dürfen.

§ 51f Abs. 2 VStG lautet:

"Wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dann hindert dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses."

Gemäß § 19 Abs. 2 AVG ist in der Ladung außer Ort und Zeit der Amtshandlung u.a. auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet.

Da § 51f Abs. 2 VStG ausdrücklich auf die ordnungsgemäße Ladung abstellt, ist die Verhandlung in Abwesenheit der betreffenden Partei nur zulässig, wenn die Ladung fehlerfrei erfolgt ist; das heißt, jeder Mangel der Ladung hindert die Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit der Partei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2004, Zl. 2004/02/0032).

3. Die belangte Behörde meint in ihrer Gegenschrift unter Bezugnahme auf "§ 62 Abs. 4 VStG" (gemeint: AVG), dass es sich bei der im Ladungsbescheid erfolgten unrichtigen Angabe des Verhandlungsgegenstandes sowie des Datums und der Geschäftszahl des erstinstanzlichen Straferkenntnisses um einen Schreib- oder Rechenfehler oder eine diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit handle, welche von der Behörde jederzeit von Amts wegen berichtigt werden könne. Mit diesem Vorbringen soll offenbar zum Ausdruck gebracht werden, dass aus der Sicht des Empfängers des Ladungsbescheides nach Ansicht der belangten Behörde offenkundig gewesen sei, dass sich die Ladung nicht auf den angegebenen Verhandlungsgegenstand, sondern auf die hier verfahrensgegenständliche Übertretung nach dem ASVG bezogen habe.

Eine derartige Offenkundigkeit des Versehens kann jedoch im vorliegenden Fall schon deshalb nicht angenommen werden, weil der Ladungsbescheid nicht etwa bloß das Datum und die Geschäftszahl des erstinstanzlichen Straferkenntnisses falsch zitierte, sondern einen gänzlich falschen Verhandlungsgegenstand angab und - in sich schlüssig - auch Datum und Geschäftszahl eines zum angeführten Gegenstand ergangenen Bescheides.

4. Im Beschwerdefall kann daher von einer ordnungsgemäßen Ladung zur Verhandlung über die der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht gesprochen werden, sodass die Durchführung der Verhandlung in ihrer Abwesenheit unzulässig war.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. September 2006

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