VwGH 2006/04/0019

VwGH2006/04/001929.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, in der Beschwerdesache der S Baugesellschaft mbH in F, vertreten durch Dr. Christoph Ganahl, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schwefel 93/7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 7. Dezember 2005, Zl. UVS-314-027/E5-2005, betreffend Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (mitbeteiligte Partei: Stadt Feldkirch, 6800 Feldkirch, Schmiedgasse 1), zu Recht erkannt:

Normen

BVergG 2002 §105 Abs2 Z3;
BVergG 2002 §105 Abs2;
BVergG 2002 §105 Abs2 Z3;
BVergG 2002 §105 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 7. Dezember 2005 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung der mitbeteiligten Partei betreffend das Vergabeverfahren "F/Fuß- und Radwegbrücke über die Ill, Baumeisterarbeiten" gemäß den §§ 4 Abs. 2 und 13 Abs. 1 des Vorarlberger Vergabenachprüfungsgesetzes (Vbg VergNG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die mitbeteiligte Partei habe im Jahr 2004 beschlossen, die bestehende Brücke über die Ill abzubrechen und eine neue Fuß- und Radwegbrücke zu realisieren. Im August 2005 seien die Baumeisterarbeiten ausgeschrieben worden; die Vergabebekanntmachung im Amtsblatt für das Land Vorarlberg sei am 19. August 2005 erfolgt. Die Gesamtfertigstellungsfrist sei in der Ausschreibung mit 31. März 2006 angegeben worden, als verbindlicher Fertigstellungstermin im Leistungsverzeichnis sei die 13. Kalenderwoche 2006 genannt worden.

Am 22. bzw. 23. August 2005 habe in Vorarlberg ein Hochwasserereignis stattgefunden; im Nahebereich des Bauvorhabens sei im Zuge dieses Ereignisses eine Überbordung des linksseitigen Dammes (der Ill) erfolgt. Bis zum Ende der Angebotsfrist am 16. September 2005 seien sechs Angebote abgegeben worden, von denen die Beschwerdeführerin Bestbieterin gewesen sei. Am 11. Oktober 2005 seien der mitbeteiligten Partei vom Landeswasserbauamt die auf Grund des Hochwasserereignisses neu ermittelten hydraulischen Kennwerte bekannt gegeben worden. In der Folge seien die Tagesordnungspunkte der Stadtvertretungssitzung betreffend den Beschluss des Baues der gegenständlichen Brücke und der Beschluss der Vergabe der Baumeisterarbeiten an die Beschwerdeführerin abberaumt worden. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 habe die mitbeteiligte Partei den Bietern mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, nach Ablauf einer Frist von 14 Tagen die Ausschreibung zu widerrufen.

Der vorliegende Auftrag stelle einen Bauauftrag im offenen Verfahren dar und sei dem Unterschwellenbereich zuzuordnen. Gemäß § 105 Abs. 2 Z 3 BVergG 2002 sei zu fragen, ob der Grund für einen Widerruf in der konkreten Situation von einem solchen Gewicht gewesen sei, dass ein besonnener Auftraggeber versucht wäre, von einer Fortführung des Vergabeverfahrens abzusehen. Im vorliegenden Fall sei auf Grund des nach der Ausschreibung stattgefundenen Hochwasserereignisses eine schwerwiegende Änderung in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht eingetreten. Die mitbeteiligte Partei habe hiezu ausgeführt, dass wegen dieses Katastrophenereignisses von der Bezirkshauptmannschaft ein Gutachten der Raumplanungsstelle eingeholt worden sei, welches zuvor nicht vorgesehen gewesen sei. Zudem seien auf Grund der Analysedaten des Hochwassers vom Landeswasserbauamt die hydraulischen Bemessungswerte mit 830 m3/sec bekannt gegeben worden, wovon der HQ (Höhenquote) 30 und der HQ 100 betroffen gewesen seien. Dies hätte zu Mehrkosten, insbesondere auch bei einer Pauschalposition der Ausschreibung geführt. Weiters hätte eine Erhöhung der Brücke um ca. 30 bis 40 cm Widerstand bei den Landschaftsschutzsachverständigen hervorgerufen. Insgesamt hätten die Überarbeitung des Projektes und die Terminabläufe nicht abgeschätzt werden können. Auch habe das Hochwasser insofern eine Auswirkung auf die Haftung gehabt, als der "Arbeitnehmer" laut Ausschreibung lediglich bis zu einer Höhenquote von 431,0 für Schäden am Werk hafte. Zudem wären die zusätzlichen Kosten der notwendigen Projektsänderungen zu tragen gewesen und sei nicht klar gewesen, ob das Land Vorarlberg bzw. eine beteiligte Gemeinde diese Kosten mitgetragen hätten. In Anbetracht der geschilderten Umstände erscheine das Vorbringen der mitbeteiligten Partei, wonach eine Überarbeitung der hydraulischen und terminlichen Bedingungen des vorliegenden Bauvorhabens notwendig gewesen sei und das Ausmaß der Projektsänderungen und die Auswirkungen auf die Terminabläufe nicht abgeschätzt hätten werden können, nicht unschlüssig. Auch wäre im vorliegenden Fall die Zuschlagserteilung offensichtlich nur unter Abänderung der in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehenen Leistungsfrist möglich. Jede Abweichung von den in der Ausschreibung festgelegten Bestimmungen würde aber wesentliche Grundsätze des Vergabeverfahrens verletzen.

Somit ergebe sich, dass die Entscheidung der mitbeteiligten Partei, die vorliegende Ausschreibung widerrufen zu wollen, nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen des BVergG 2002 stehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 105 Abs. 2 Z 3 Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG 2002) kann die Ausschreibung nach Ablauf der Angebotsfrist widerrufen werden, wenn andere für den Auftraggeber schwerwiegende Gründe bestehen, die den Widerruf sachlich rechtfertigen. Ein Widerruf der Ausschreibung zu dem alleinigen Zweck, eine neuerliche Ausschreibung zu ermöglichen, um einen Angebotspreis zu reduzieren, ist sachlich nicht gerechtfertigt.

§ 105 Abs. 2 BVergG 2002 erfasst jene Gegebenheiten, in denen nachträglich - d.h. nach der Ausschreibung - sonstige wesentliche Änderungen von für das Vergabeverfahren relevanten Umständen vorliegen. Dabei ist zu fragen, ob der Grund für einen allfälligen Widerruf in der konkreten Situation von einem solchen Gewicht ist, dass ein besonnener Auftraggeber versucht wäre, von der Fortführung des Vergabeverfahrens abzusehen (vgl. Schramm/Öhler/Stickler in: Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2002 (2004), 1266f mit Verweis auf die Materialien in AB 1118 BlgNR XXI. GP, 54).

2. Die Beschwerde bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, im Beschwerdefall sei ein schwerwiegender Grund im Sinne des § 105 Abs. 2 Z 3 BVergG 2002 nicht vorgelegen. Das Verfahren habe eindeutig ergeben, dass die infolge des Hochwasserereignisses zu treffenden zusätzlichen Maßnahmen (Erhöhung der Widerlager um ca. 30 cm) im Vergleich zu den Gesamtkosten des Projektes keine nennenswerte Kostenerhöhung verursachten. Andere Gründe seien im Verfahren nicht hervorgekommen, sodass der von der mitbeteiligten Partei vorgenommene Widerruf der Ausschreibung rechtswidrig gewesen sei.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschwerdefall keine Zweifel, dass die von der belangten Behörde festgestellten und nachträglich eingetretenen Gegebenheiten wesentliche Änderungen von für das Vergabeverfahren relevanten Umständen darstellen und somit für den Auftraggeber schwerwiegende Gründe gemäß § 105 Abs. 2 Z 3 BVergG 2002 sind, welche den Widerruf sachlich rechtfertigen.

Die mitbeteiligte Partei wäre im vorliegenden Fall bei Fortführung des Vergabeverfahrens in der vorliegenden Situation gezwungen gewesen, ein Bauwerk zu beschaffen, welches sie in der ausgeschriebenen Form auf Grund der zwischenzeitlichen Änderungen der Umstände (insbesondere der Notwendigkeit der - auch von der Beschwerde als erforderlich angesehenen - Erhöhung der Widerlager) gar nicht mehr benötigt. Schon aus diesem Grund geht das wesentliche Beschwerdevorbringen, es wären ja nur "zusätzliche Maßnahmen (Erhöhung der Widerlager um ca. 30 cm)" notwendig gewesen, grundsätzlich fehl.

Vielmehr hat die belangte Behörde zu Recht angenommen, dass ein besonnener Auftraggeber von der Fortführung des Vergabeverfahrens abgesehen hätte.

4. Aus diesem Grund fehlt es auch den von der Beschwerdeführerin angeführten Verfahrensmängeln im Hinblick auf die behauptete mangelhafte Begründung des angefochtenen Bescheides bzw. die behauptete Nichtbeachtung eines Beweisantrages bzw. Verweigerung der Akteneinsicht an Relevanz. Nach der oben dargestellten Rechtslage ist nämlich die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den behaupteten Verfahrensfehlern aufgeworfene Frage, welche Mehrkosten durch das Hochwasser zu erwarten gewesen wären und ob die ursprünglich erstellte Kostenschätzung bereits mangelhaft gewesen sei, nicht von Relevanz.

5. Da aus diesem Grund bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. März 2006

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