Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, reiste gemäß seinen Angaben am 11. April 2005 in das Bundesgebiet ein und beantragte in der Folge die Gewährung von Asyl. Dies begründete er vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass sein älterer Bruder im Jahr 2000 bei einer Demonstration von Sicherheitskräften getötet worden sei. Es sei dann die Polizei gekommen, vor der er gemeinsam mit seiner Mutter (der Vater sei bereits 1999 bei einem Unfall verstorben) aus Angst vor Übergriffen geflüchtet wäre. Beim Davonlaufen, beim Überklettern einer Mauer, habe ihm noch ein Polizist mit einem Knüppel auf den Fuß geschlagen, wovon eine - vom Beschwerdeführer bei der Einvernahme am 29. August 2005 präsentierte - Narbe zurückgeblieben sei. Seine Mutter habe er bei der Flucht aus den Augen verloren und er sei dann noch im Jahr 2000 - damals wäre er dreizehn Jahre alt gewesen - aus Gambia geflüchtet. Über den Senegal, Mali, Algerien und Libyen sei er zunächst 2003 nach Spanien gelangt; dort habe er um Asyl ansuchen wollen, man habe das aber "negiert" und ihn nach Libyen zurückgeschickt, von wo aus er schließlich 2005 über Italien nach Österreich gelangt sei.
Mit Bescheid vom 13. Jänner 2006 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Gambia aus. Mangels Plausibilität sei das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig zu qualifizieren.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde "gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG" nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ab. Sie stellte dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgend fest, dass dieser bereits im Jahr 2000 Gambia verlassen und am 11. April 2005 nach Österreich eingereist sei. Bezüglich seiner weiteren Angaben sprach sie ihm jedoch wie die erstinstanzliche Behörde die Glaubwürdigkeit ab, was wie folgt begründet wurde (Berufungswerber = Beschwerdeführer):
"Der der Berufungsentscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt stützt sich auf die Aussagen des Berufungswerbers im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens sowie auf jene im Berufungsverfahren. Die Aussagen des Berufungswerbers waren dabei zwar nicht widersprüchlich, jedoch vermochte er den Vorfall mit der Polizei lediglich sehr allgemein darzustellen. Er konnte trotz mehrmaliger Befragung keine konkreten Angaben zum genauen Ablauf sowie zur Anzahl der einschreitenden Polizisten machen noch begründen, warum er der Meinung ist, dass dieser Vorfall mit dem Tod seines Bruders zusammenhängt und ihm daher Verfolgung droht. Hinsichtlich der behaupteten Aktivitäten seines 17jährigen Bruders konnte der Berufungswerber lediglich auf die Teilnahme an Schuldemonstrationen gegen gewalttätige Lehrer verweisen.
Diese sind nach Meinung der Berufungsbehörde jedoch nicht ausreichend, von einer allgemeinen regimefeindlichen Haltung des Bruders, die Auswirkungen auf die Familie haben könnte, auszugehen. Selbst bei Unterstellung des Wahrgehaltes, dass der Bruder des Berufungswerbers im Rahmen einer Demonstration getötet worden ist, erscheint nicht nachvollziehbar, warum seitens der Polizei gegen den damals 12 jährigen Berufungswerber, der nach eigenen Angaben zu keiner Zeit die Schule besucht und selbst niemals politisch oder im Rahmen von Schülerdemonstrationen in Erscheinung getreten ist, vorgegangen werden sollte. Der Berufungswerber vermochte keine persönliche Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Der lange Aufenthalt des Berufungswerbers gerechnet vom Zeitpunkt des Verlassens seiner Heimat bis zur Asylantragstellung in Österreich - es waren knappe 5 Jahre - wird weiters als Indiz dafür gewertet, dass es dem Berufungswerber trotz seines jungen Alters möglich gewesen ist, in anderen afrikanischen Staaten zu leben und seine Fluchtgründe letztlich wohl wirtschaftlicher Natur sind.
Aus seinem gesamten Vorbringen ergeben sich somit aus Sicht der Berufungsbehörde keinerlei - auch bloß vage - Hinweise auf eine politisch motivierte oder in irgendeiner anderen Form im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention relevante Verfolgung."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer, dessen Angaben zu seinem Geburtsdatum (15. August 1988) nie in Zweifel gezogen worden sind, war bei sämtlichen Einvernahmen im Asylverfahren noch minderjährig. Im Übrigen hatte er über (behauptete) Vorfälle zu berichten, die er im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren erlebt habe, die somit im Zeitpunkt seiner Einvernahmen vor dem Bundesasylamt rd. vier Jahre bzw. bei seiner Vernehmung in der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde rd. fünf Jahre zurücklagen und denen eine mehrjährige Flucht durch verschiedene afrikanische Länder nachfolgte. Es liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auf der Hand, dass diese Umstände eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erfordern und dass die Dichte dieses Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden darf.
Der bekämpfte Bescheid lässt nicht erkennen, dass die erwähnten Gesichtspunkte in die behördliche Beweiswürdigung Eingang gefunden hätten. Insbesondere ist ihm keine Bedachnahme darauf zu entnehmen, dass die Schilderung der Fluchtgeschichte auf Ereignissen aus dem Blickwinkel eines damals zwölf- (allenfalls dreizehn-) jährigen Kindes beruht, das nach den vorgebrachten traumatischen Erlebnissen (ua. Verlust von Bruder und Mutter) mehrere Jahre auf sich allein gestellt als "unbegleiteter Minderjähriger" außerhalb seiner Heimat zubringen musste (zur gebotenen Berücksichtigung derartiger Umstände in der behördlichen Beweiswürdigung vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 2000/20/0200). Die belangte Behörde ist weiter darüber hinweggegangen, dass die von ihr übernommenen Feststellungen des Bundesasylamtes zur Situation in Gambia jedenfalls insoweit das Vorbringen des Beschwerdeführers bestätigen, als dort von im Jahr 2000 blutig niedergeschlagenen Jugendprotesten die Rede ist. Wenn die belangte Behörde argumentiert, es wäre selbst "bei Unterstellung des Wahrgehaltes, dass der Bruder des Berufungswerbers im Rahmen einer Demonstration getötet worden ist" nicht nachvollziehbar, "warum seitens der Polizei gegen den damals 12 jährigen" Beschwerdeführer vorgegangen worden sein sollte, so ist sie - ohne Erhebungen in diese Richtung anzustellen - über die eine Sippenhaftung andeutenden Ausführungen des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung ("Die sind gekommen um die Familie zu töten, wenn es Demonstrationen gibt kommen die Polizisten um andere Mitglieder zu töten") kommentarlos hinweggegangen.
Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 14. Dezember 2006
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