VwGH 2005/18/0622

VwGH2005/18/062220.4.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des I, geboren 1970, vertreten durch Dr. Manfred Lirk, Rechtsanwalt in 5280 Braunau, Stadtplatz 50/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Juli 2005, Zl. St 157/05, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs5;
FrG 1997 §75;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs5;
FrG 1997 §75;
EMRK Art3;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Juli 2005 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers vom 31. Jänner 2005 auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 75 Abs. 1 iVm § 57 Abs. 1 und Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, zurückgewiesen.

Das Bundesasylamt habe bereits mit Bescheid vom 8. November 1999 gemäß § 8 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien-Montenegro, Provinz Kosovo, zulässig sei. Die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. April 2004, erlassen am 9. April 2004, abgewiesen worden. Die Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 2004 abgelehnt worden.

Die Erstbehörde habe die Ansicht vertreten, dass der Beschwerdeführer keinen wesentlich neuen Sachverhalt geltend gemacht hätte.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass ihm am 13. April 2005 ein weiterer ehelicher Sohn geboren worden wäre. Dieser würde unter einer Bewegungseinschränkung der rechten Hand leiden, weshalb er täglich im Krankenhaus therapiert würde. Diese Therapie wäre im Kosovo nicht möglich, der weitere Aufenthalt der Familie in Österreich wäre deshalb erforderlich. Auf Grund dieser Behinderung des Kindes würde sich jedenfalls der Unterhaltsbedarf im Kosovo erhöhen. Zudem würde die Familie des Beschwerdeführers über keine Unterkunftsmöglichkeit in der Heimat verfügen. Dort würde eine Arbeitslosenrate von über 50 % herrschen. Die Familie des Beschwerdeführers wäre in ihrer menschlichen Existenz bedroht.

Der rechtskräftige Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gemäß § 8 AsylG entfalte solange verbindliche Wirkung, als sich die für seine Erlassung maßgebliche Sach- oder Rechtslage nicht geändert habe.

Im Anschluss daran enthält der angefochtene Bescheid umfangreiche Feststellungen über die allgemeine Lage im Kosovo unter Zitierung mehrerer Berichte verschiedener internationaler Organisationen.

Aus diesen Feststellungen folgerte die belangte Behörde, dass es derzeit und in weiterer Zukunft mit hinreichender Sicherheit auszuschließen sei, dass es im Kosovo erneut zu Massenvertreibungen, Tötungen und Misshandlungen von albanischen Volkszugehörigen kommen werde. Die Bedrohungssituation sei nach der tatsächlichen und nachhaltigen Übernahme der Hoheitsgewalt durch UNMIK und KFOR weggefallen, sodass für den Beschwerdeführer nunmehr die Möglichkeit bestehe, ohne Risiko in den Kosovo zurückzukehren. Die Behörde verkenne nicht, dass es durch Kampfhandlungen und mutwillige Zerstörungen bis Juni 1999 zu einer umfassenden Beschädigung der Infrastruktur und einer nicht unbeträchtlichen Verschlechterung der allgemeinen Lebensbedingungen gekommen sei. Den dargestellten Berichten könne jedoch kein Hinweis entnommen werden, dass derzeit zurückkehrende Albaner aus dem Kosovo grundsätzlich in ihrer Lebensgrundlage bedroht wären. Vielmehr ergebe sich angesichts umfassender Hilfsmaßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft und zahlreicher internationaler Organisationen, dass sich die Lebensumstände in allen Bereichen so weit verbessert hätten, dass von einer allgemeinen lebensbedrohenden Notlage nicht gesprochen werden könne.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Behandlungsbedürftigkeit seines Sohnes sei zu entgegnen, dass aus den dargestellten Berichten über die Lage im Kosovo ersichtlich sei, dass die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung als gesichert anzusehen sei und lediglich komplizierte Behandlungen nur eingeschränkt möglich seien. Ebenso stehe allen Bewohnern das Sozialhilfesystem offen, sofern die Antragsvoraussetzungen gegeben seien und die Hilfsbedürftigkeit dokumentiert werden könne. Die Geburt des behinderten Sohnes am 13. April 2005 stelle daher keine wesentliche Sachverhaltsänderung dar. Zweifellos entspreche die Sicherheitslage im Kosovo nicht dem Standard Österreichs, die Straftaten seien jedoch stark rückläufig; eine Verletzung der von Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte sei nicht zu befürchten. Eine fehlende Unterkunftsmöglichkeit wäre nur dann als Grund für eine unmenschliche Behandlung in Erwägung zu ziehen, wenn keine "komplementären Auffangmöglichkeiten", etwa in Lagern, bestünden. Derzeit bestünden im Kosovo mangels diesbezüglichen Bedarfs keine großen Auffanglager mehr. Wohnmöglichkeiten für Einzelpersonen oder Familien würden bei Bedarf von der Kommune zur Verfügung gestellt. Insgesamt sei seit dem Bescheid gemäß § 8 AsylG somit keine wesentliche Verschlechterung der Situation eingetreten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte - zum Verfahren über die Beschwerde gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers, hg. Zl. 2005/18/0560 - die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 75 Abs. 1 FrG hat die Behörde auf Antrag eines Fremden festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht.

Gemäß § 75 Abs. 5 erster Satz leg. cit. ist der Bescheid, mit dem über einen Antrag gemäß Abs. 1 rechtskräftig entschieden wurde, auf Antrag oder von Amts wegen abzuändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, sodass die Entscheidung hinsichtlich dieses Landes anders zu lauten hat.

Die letztgenannte Bestimmung ist auch auf den Fall anzuwenden, dass eine rechtskräftige Entscheidung der Asylbehörden gemäß § 8 AsylG vorliegt. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz für die gegenständliche Entscheidung zukommt. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2004/18/0406.) Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, an den die für eine neuerliche Entscheidung positive Prognose anknüpfen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020).

2.1. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, dass sein am 13. April 2005 geborener Sohn seit Geburt an einer Bewegungseinschränkung der rechten Hand leide und die notwendige Therapie nur in Österreich durchgeführt werden könne. Eine Behandlung im Kosovo sei nicht möglich, jedenfalls aber für den Beschwerdeführer nicht leistbar. Ein gemeinsames Familienleben sei daher nur in Österreich möglich. Die belangte Behörde habe konkrete Feststellungen über die Behandlungsmöglichkeit der Behinderung seines Sohnes im Kosovo unterlassen und den angefochtenen Bescheid diesbezüglich nicht ausreichend begründet.

2.2. Dieses Vorbringen ist schon im Ansatz verfehlt, ist doch im Verfahren nach § 75 FrG nur die Frage gegenständlich, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Fremde im antragsgegenständlichen Staat der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wäre (§ 57 Abs. 1 FrG iVm Art. 3 EMRK) oder dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (§ 57 Abs. 2 FrG). Hingegen kommt es nicht darauf an, ob dem Fremden die Ausreise aus anderen Gründen - etwa des Privat- oder Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK - nicht zugemutet werden kann.

Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel liegen daher nicht vor.

3. Mit dem in der Beschwerde enthaltenen umfangreichen Verweis auf Berichte internationaler Organisationen gelingt es dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht, eine wesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes seit Erlassung des Bescheides gemäß § 8 AsylG am 9. April 2004 aufzuzeigen, weil die in der Beschwerde zitierten Berichte alle aus der Zeit vor Erlassung dieses Bescheides stammen.

Ebenso wenig gelingt dies dem Beschwerdeführer mit dem Verweis auf die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach viele junge Männer auf Grund der fehlenden Chance, einen festen Job zu erhalten, und der damit verbundenen Unmöglichkeit der Gründung einer Familie den Kosovo verlassen würden, weil sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem Beschwerdevorbringen konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich diesbezüglich die Lage im Kosovo seit 9. April 2004 wesentlich geändert (verschlechtert) hätte.

Von daher vermag der Beschwerdeführer auch die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht aufzuzeigen.

4. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Ein Ausspruch über den Aufwandersatz konnte entfallen, weil die obsiegende belangte Behörde - die lediglich darauf hingewiesen hat, die Verwaltungsakten bereits zu einem anderen Beschwerdeverfahren vorgelegt zu haben - keinen Aufwandersatz verzeichnet hat.

Wien, am 20. April 2006

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