VwGH 2005/18/0527

VwGH2005/18/05274.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des I M (vormals: P) in L, geboren 1988, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Juni 2005, Zl. St 150/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art50 Abs2;
Übk Rechte des Kindes 1993;
B-VG Art50 Abs2;
Übk Rechte des Kindes 1993;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Juni 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Den Ausführungen der Bundespolizeidirektion Linz (Erstbehörde) in ihrem Bescheid (vom 6. Mai 2005) zufolge sei der Beschwerdeführer im Sommer 2002 zusammen mit seiner Mutter nach Österreich eingereist und habe sich seither hier niedergelassen. Er verfüge über keine fremdenrechtliche Bewilligung, die ihn zum Aufenthalt in Österreich berechtigen würde, und halte sich demnach nicht rechtmäßig hier auf.

Am 5. April 2004 sei über ihn mit Urteil des Landesgerichtes Linz gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 3 und § 130 erster und vierter Fall StGB (und - wie sich aus den weiteren Ausführungen der belangten Behörde ergibt - gemäß § 164 Abs. 2, 3 und 4 zweiter Fall StGB) eine bedingte Freiheitsstrafe von 13 Monaten rechtskräftig verhängt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass er von Juli bis Oktober 2003 in insgesamt ca. 50 Fällen anderen Fahrräder, teilweise durch Einbruch, mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wodurch ein Schaden in der Höhe von ca. EUR 7.500,--

entstanden sei, wobei er die Diebstähle und Einbruchsdiebstähle in der Absicht begangen habe, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Am 18. November 2004 sei die Mutter des Beschwerdeführers bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Im Februar 2005 habe er beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gestellt, über den bisher noch nicht entschieden sei.

Der Stiefvater und die Halbschwester des Beschwerdeführers befänden sich in Rumänien. Sein Stiefvater verweigere jede Unterstützung. Ansonsten habe der Beschwerdeführer weder in Rumänien noch in Österreich Verwandte. Sein Vater sei ihm nicht bekannt. Würde ihm eine Aufenthaltsberechtigung erteilt werden, könnte er eine Lehre als Mechaniker beginnen.

Seit dem Tod seiner Mutter habe der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten mehr. Er werde vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz betreut und habe in dieser Stadt ein außerfamiliäres Bezugssystem aufbauen können. In Rumänien habe er keine Wohnmöglichkeit.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass angesichts der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und der Tatsache, dass er in Österreich die Hauptschule besucht habe, über einen entsprechenden Schulabschluss verfüge, sich im Arbeitstraining in einem näher genannten Zentrum extrem bemüht zeige und er zudem über eine Wohnmöglichkeit und über die Unterstützung des Amtes für Soziales, Jugend und Familie (des Magistrates der Landeshauptstadt Linz) verfüge, ihm eine diesen Aspekten entsprechende Integration zuzugestehen sei. Diese Integration werde jedoch in ihrer sozialen Komponente durch das seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhalten in erheblichem Ausmaß gemindert.

Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass er gemeinsam mit einem anderen in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken in der Zeit zwischen 1. Juli 2003 bis Mitte Oktober 2003 in zahlreichen, jedenfalls mehr als 22 Angriffen einer Vielzahl von Geschädigten insgesamt ca. 48 Stück Fahrräder, zum Teil durch Aufbrechen oder Aufzwicken des Absperrschlosses, sowie allein in der Zeit von Sommer 2003 bis 25. Oktober 2003 anderen in sechs Angriffen sechs Fahrräder, ebenfalls zum Teil durch Aufbrechen des Absperrschlosses, gestohlen habe. Ferner habe er in der Zeit zwischen Juli 2003 und Mitte Oktober 2003 in zahlreichen Angriffen zumindest 20 gestohlene Fahrräder im Wert von jeweils zwischen EUR 100,-- und EUR 600,-- zu einem Preis von jeweils zwischen EUR 30,-- und EUR 40,-- verkauft.

Allein bereits die Vielzahl der vom Beschwerdeführer verwirklichten Angriffe und der über mehrere Monate währende Tatzeitraum ließen die Geringschätzung der Rechtsgüter anderer Personen bzw. der österreichischen Rechtsordnung durch den Beschwerdeführer erkennen und rechtfertigten die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Die Zeitspanne seines behaupteten Wohlverhaltens seit Oktober 2003 sei als zu kurz anzusehen, um eine Verhaltensprognose zu seinen Gunsten zu treffen.

Aus den genannten Tatsachen sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werden konnte, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden musste". Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweise, dass er weder in Rumänien noch in Österreich familiäre Bindungen hätte, er jedoch in Österreich wenigstens über eine Wohnung und über die Unterstützung seitens des Magistrates der Landeshauptstadt Linz verfügte, so sei diesem Vorbringen zu erwidern, dass auch in Rumänien Normen betreffend die Kinderfürsorge (vgl. den Bericht über die Fortschritte Rumäniens auf dem Weg zum Beitritt der Kommission der Europäischen Gemeinschaft vom 6. Oktober 2004) bestünden und er zudem angesichts seines Alters in wenigen Monaten die Volljährigkeit erreichen werde. Bezugnehmend auf diesen Bericht sei darauf hinzuweisen, dass (offensichtlich gemeint: in Rumänien) die Unterbringung akzeptabel sei und landesweit verbindliche Qualitätsnormen verabschiedet worden seien.

Da unter Abwägung aller genannten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Verhaltensprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, sei das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In Anbetracht der unbestrittenen (rechtskräftigen) Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Linz vom 5. April 2004 begegnet die - unbekämpfte - Heranziehung des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG durch die belangte Behörde keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die im angefochtenen Bescheid in Bezug auf den Beschwerdeführer getroffene Verhaltensprognose und bringt vor, dass es sich zwar bei den Raddiebstählen um eine sehr hohe Anzahl von "Tatbestandsverwirklichungen" des Beschwerdeführers handle, er jedoch diese Taten sehr bereue, seither nicht mehr straffällig geworden sei und sich seine innere Einstellung geändert habe. Er arbeite nach wie vor in dem oben genannten Zentrum (einem von der Jugendwohlfahrt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vermittelten Platz für ein Arbeitstraining), habe bereits eine Lehrstelle als Mechaniker in Aussicht und erhalte vom AMS Linz einen Befreiungsschein, weil er das letzte Schuljahr dort abgeschlossen habe. Auch seien die Beurteilungen der Krisenunterbringung "WAKE" und seiner Betreuer sehr positiv ausgefallen und sei er als ein unauffälliger, liebenswürdiger und verantwortungsvoller junger Mann bezeichnet worden.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der genannten Verurteilung des Beschwerdeführers liegt, wie oben (I.1.) angeführt, eine große Anzahl von Diebstählen bzw. Einbruchsdiebstählen in einer mehrmonatigen Dauer wie auch das Verbrechen der Hehlerei zu Grunde. Diese zahlreichen Straftaten des Beschwerdeführers lagen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, um von einem Wegfall oder doch einer entscheidungswesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr für das Vermögen anderer Personen ausgehen zu können. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand, besteht doch ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität.

3.1. Die Beschwerde bringt weiters vor, dass der Beschwerdeführer auf Grund der oben (II.2.1.) genannten Umstände einen so hohen Integrationsgrad (in Österreich) aufweise und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes derart in sein Privat- und Familienleben eingreife, dass diese Maßnahme nicht hätte getroffen werden dürfen. Er habe in Rumänien keine näheren Angehörigen mehr, die bereit wären, für ihn zu sorgen, und habe in Österreich entsprechend Fuß gefasst und ausgezeichnet deutsch gelernt.

3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 36 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem Sommer 2002 und den Umstand berücksichtigt, dass er in Österreich die Hauptschule besucht hat, über einen entsprechenden Schulabschluss verfügt, sich in einem näher genannten Zentrum in einem Arbeitstraining befindet, wo er sich extrem bemüht zeigt, und zudem über eine Wohnmöglichkeit und über eine Unterstützung durch das Amt für Soziales, Jugend und Familie des Magistrates der Landeshauptstadt Linz verfügt. Wenn die belangte Behörde dennoch angesichts der Vielzahl der Straftaten des Beschwerdeführers die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 Abs. 1 FrG für zulässig, weil dringend geboten, erachtet hat, so ist dies in Ansehung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten bedeutenden öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Rechte anderer nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Unter Zugrundelegung dieses maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich er nicht unbeträchtliche persönliche Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich hat, kommt diesen jedenfalls kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse, hat er doch über mehrere Monate in zahlreichen Angriffen gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), schwere Diebstähle durch Einbruch verübt und darüber hinaus das Verbrechen der Hehlerei begangen.

4. Die Beschwerde bringt vor, dass das Aufenthaltsverbot auch einen Verstoß gegen die von Österreich ratifizierte UN-Konvention über die Rechte der Kinder ("Übereinkommen über die Rechte des Kindes", BGBl. Nr. 7/1993) darstelle, wonach das Wohl eines Kindes vorrangig zu berücksichtigen sei, weshalb die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung von der Erlassung dieser Maßnahme hätte Abstand nehmen müssen.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass das genannte Übereinkommen keine im vorliegenden Zusammenhang zu beachtenden subjektiv-öffentlichen Rechte begründet, zumal der Nationalrat beschlossen hat, dass dieser Staatsvertrag im Sinn des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist. Nach den Erläuternden Bemerkungen war eine entsprechende Beschlussfassung im Hinblick darauf erforderlich, dass die Bestimmungen des Übereinkommens weitgehend nicht unmittelbar anwendbar bzw. nicht ausreichend determiniert sind, um in einer innerstaatlichen Rechtsordnung unmittelbar vollzogen zu werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 2003, Zl. 2002/10/0084, und vom 17. Februar 2005, Zl. 2002/18/0068, mwN).

Im Übrigen ergeben sich weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 4. Oktober 2006

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