VwGH 2005/11/0168

VwGH2005/11/016821.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in V, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 26. Juli 2005, Zl. VwSen-520998/2/Bi/Be, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §7 Abs3 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7;
SMG 1997 §28 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
VwRallg;
FSG 1997 §7 Abs3 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7;
SMG 1997 §28 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 31. März 2005 wurde der Beschwerdeführer - nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid - zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt, "weil er

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes

lauten (auszugsweise):

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

...

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

eine strafbare Handlung gemäß den §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, ...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. ...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. ..."

Im Hinblick auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung hatte die belangte Behörde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Taten in der im Spruch des Strafurteiles dargestellten Weise begangen hat. Die Feststellungen zum Tatgeschehen werden vom Beschwerdeführer auch gar nicht bestritten. Die bestimmten Tatsachen, die zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit führen können, sind im Abs. 3 des § 7 FSG aufgezählt. Aus dem Wort "insbesondere" folgt, dass die Aufzählung im Abs. 3 demonstrativ ist. Es können demnach auch andere als im Abs. 3 des § 7 FSG erwähnte Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Verkehrszuverlässigkeit einer Person in Zweifel zu ziehen, dann als bestimmte Tatsachen herangezogen werden, wenn sie im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit diesen beispielsweise bezeichneten strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen etwa gleich kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/11/0201, m.w.N.). Ein derartiges Verhalten hat der Beschwerdeführer nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid verwirklicht. Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber den Tatbestand des § 28 Abs. 1 SMG nicht "expressis verbis" in § 7 FSG erwähnt. Nach den von der belangten Behörde - nach dem Inhalt des Strafurteils - aufgezeigten Umständen der Tat ist der Einwand des Beschwerdeführers, die von ihm an den Tag gelegte "kriminelle Energie" sei als wesentlich geringer einzustufen, jedoch nicht zielführend. Dass der Verkauf des Suchtgifts unterblieb, war nicht in einer Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers begründet. Auch dass die verdeckte Ermittlerin offensichtlich eine Vertrauensbasis zum Beschwerdeführer suchte, lässt für seinen Standpunkt nichts gewinnen. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, das Verhalten des Beschwerdeführers sei auf Grund der Schwere und Verwerflichkeit mit dem Tatbestand des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG vergleichbar, und somit angenommen hat, dass eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 FSG vorliegt. Die Wertung des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG ergibt wegen der im angefochtenen Bescheid dargestellten Tatumstände, insbesondere - wie bereits erwähnt - weil von der Tat des Beschwerdeführers eine große Menge von Suchtgift, darunter so genannte "harte Drogen" betroffen waren, und damit im Hinblick auf das Inkaufnehmen, dass die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet wird, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 17. Mai 2005 jedenfalls verkehrsunzuverlässig war. Es kann auch nicht der im angefochtenen Bescheid erkennbar zum Ausdruck gebrachten Auffassung der belangten Behörde widersprochen werden, dass im Hinblick auf die Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat seine Verkehrsunzuverlässigkeit auch noch über den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hinaus, welcher am 3. August 2005 zugestellt wurde, andauerte.

Dennoch ist die Beschwerde begründet. Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, dass der Beschwerdeführer für zwei Jahre ab der Haftentlassung am 23. Februar 2005 als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei, sodass die Dauer von Haftzeiten nicht einzurechnen sei. Nun hat es der Verwaltungsgerichtshof zwar auch im Geltungsbereich des FSG nicht für unzulässig erachtet, Entziehungszeiten unter Nichteinrechnung von Haftzeiten festzusetzen, dies aber nur dann, wenn es über das Wohlverhalten während der Haft hinaus noch eines weiteren Wohlverhaltens bedarf, um die Verkehrszuverlässigkeit zu erweisen. Haftzeiten sind in diesem Zusammenhang auch bei Delikten nach dem SMG keineswegs ohne Bedeutung, sondern in die Prognose über den Zeitpunkt des Wiedererlangens der Verkehrszuverlässigkeit einzubeziehen, insbesondere weil die Strafe - neben anderen Zwecken - auch spezialpräventiven Zwecken dient (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 2006, Zl. 2005/11/0196, mwH). Besondere Gründe, die für die Notwendigkeit sprächen, die Haftzeiten aus dem Prognosezeitraum auszunehmen, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner nunmehrigen Rechtsprechung zum Führerscheingesetz bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass die bedingte Strafnachsicht zwar für sich allein noch nicht zwingend dazu führt, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen sei, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass nach § 43 Abs. 1 StGB im Rahmen der Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen seien und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könne, die für die in § 7 Abs. 4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können (siehe dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0172, mwN).

Die belangte Behörde erwähnt zwar im angefochtenen Bescheid diese Judikatur, misst aber der im vorliegenden Fall zu berücksichtigenden bedingten Strafnachsicht hinsichtlich eines weit überwiegenden Teiles von zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe und der Frage des Verhaltens des Beschwerdeführers seit der Tat im Einzelnen nicht die notwendige Bedeutung zu.

Indem die belangte Behörde eine Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für 24 Monate ab der Haftentlassung aussprach, hat sie - unter Bedachtnahme auf das Ende des Tatzeitraumes im März 2004 - implizit zum Ausdruck gebracht, dass sie den Beschwerdeführer für insgesamt rund 35 Monate als verkehrsunzuverlässig erachtet. Diese Prognose ist jedoch ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es eines derartig langen, durch die Haftzeit verlängerten Zeitraumes des Wohlverhaltens bedürfte, ohne den von einer Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit nicht gesprochen werden könnte, nach den oben genannten Darlegungen verfehlt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. November 2006

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