VwGH 2005/11/0105

VwGH2005/11/010518.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der W in R, vertreten durch Stampfer, Orgler & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 24. Februar 2005, Zl. 44.140/11-7/03, betreffend Zustimmung zur Kündigung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (mitbeteiligte Partei: registrierte Genossenschaft X mit beschränkter Haftung in K, vertreten durch Dr. Josef Peissl, Rechtsanwalt in 8580 Köflach, Judenburgerstraße 1), zu Recht erkannt:

Normen

BEinstG §8 Abs4 idF 1999/I/017;
VwRallg;
BEinstG §8 Abs4 idF 1999/I/017;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin gehört auf Grund des Bescheides des Bundessozialamtes, Landesstelle Steiermark, vom 22. Juli 1998 seit 21. April 1998 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten an. Der Grad der Behinderung beträgt 70 v.H.

Mit Schreiben vom 24. September 2002 stellte die mitbeteiligte Partei den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung gemäß § 8 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG). Sie begründete ihren Antrag im Wesentlichen damit, die Beschwerdeführerin stehe seit 10. Februar 1997 in einem unbefristeten Dienstverhältnis mit ihr. Ab September 2000 sei es zu Umsatzeinbrüchen bei der mitbeteiligten Partei gekommen, sodass die mitbeteiligte Partei Maßnahmen der Restrukturierung und betrieblichen Neuorganisation habe treffen müssen. Dazu habe auch die Reorganisation der Buchhaltung und der Hausverwaltung, Kundenbetreuung, Telefonberatung, Einsatz neuer Dienstleistungen sowie die digitale Vernetzung der Verwaltung, Telebanking und die Auslagerung der Lohnverrechnung gehört. Die bisherigen Tätigkeiten der Beschwerdeführerin seien ausgelagert worden. Die Übernahme neuer Tätigkeiten durch die Beschwerdeführerin scheide infolge der bei ihr vorliegenden Gesundheitsschädigung aus. Alle Ersatztätigkeiten seien entweder mit durchgehender Bildschirmarbeit oder Telefondiensten und -beratung verbunden, letztere könne von der Beschwerdeführerin wegen bekannter festgestellter Sprach- und Hörschäden nicht wahrgenommen werden. Nach Wegfall des bisherigen Tätigkeitsbereiches der Beschwerdeführerin sei der mitbeteiligten Partei die weitere Beschäftigung der Beschwerdeführerin infolge der mangelnden körperlichen Eignung nicht mehr zumutbar.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2003 gab die erstinstanzliche Behörde dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG nicht statt. Sie hatte zuvor Gutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, einer Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie, die Stellungnahme einer klinischen Psychologin und ein Gutachten eines berufskundlichen Sachverständigen (in der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2003) eingeholt und ging von folgendem Sachverhalt aus:

"Die Dienstnehmerin gehört mit Bescheid vom 22.7.1998, seit 21.4.1998 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten gem. §§ 2 Abs. 1 und 14 Abs. 2 BEinstG an. Der Grad der Behinderung beträgt 70 v.H. Die Einschätzung erfolgte abstrakt nach der Richtsatzverordnung gem. § 7 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957), und unabhängig vom konkreten Arbeitsplatz der begünstigten Behinderten.

Bei der Dienstnehmerin sind folgende Gesundheitsschädigungen

gegeben:

1. Visuseinschränkung bei hochgradiger Kurzsichtigkeit und Glaskörperveränderungen

50 v.H.

2. Mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits

10 v.H.

3. Artikulationsschwäche

20 v.H.

Die Dienstnehmerin absolvierte die Handelsschule und hat anschließend die Bilanzbuchhaltungsprüfung abgelegt. Seit 1.2.1997 ist sie bei der (mitbeteiligten Partei) beschäftigt. Bereits 1999 stellte die (mitbeteiligte Partei) Köflach einen Kündigungsantrag, wobei dieser durch Schaffung des derzeitigen Tätigkeitsfeldes, Reduzierung des Stundenausmaßes von 38, 5 auf 30 Wochenstunden sowie Gewährung eines Lohnkostenzuschusses zurückgezogen wurde.

Laut medizinischem Leistungskalkül ergibt sich trotz der beidseitigen trockenen Augen (der Beschwerdeführerin) keine wesentliche Beeinträchtigung. Bildschirmarbeit kann mindestens sechs Stunden täglich unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen geleistet werden. Durch die Bildschirmarbeit kommt es keinesfalls zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Dienstnehmerin. Telefonieren ist an beiden Ohren in Büroumgebung mit einem akustisch verstärkbaren Telefon einwandfrei möglich; ebenso kann an Teamsitzungen vom Hörvermögen her unbeeinträchtigt teilgenommen werden. Lediglich im Parteienverkehr wird die sprachliche Behinderung eine gewisse Einschränkung bewirken.

Dem berufskundlichen Sachverständigen zufolge ist die Dienstnehmerin von ihrer Ausbildung her grundsätzlich in der Lage, die nunmehr von den 2 neuen Buchhaltungskräften übernommenen Tätigkeiten - Diese Mitarbeiterinnen erledigen zudem die für (die Beschwerdeführerin) noch verbleibenden Resttätigkeiten. - auszuführen. Allerdings fehlen der Dienstnehmerin zur erfolgreichen Bewältigung der Tätigkeiten maßgebliche Kenntnisse, insbesondere im EDV-Bereich, in den vom Dienstgeber geforderten Gesetzen, aber auch im Steuerrecht. Unabhängig davon sind, von der psychologischen Sachverständigen adjustiert, zusätzliche Defizite einerseits im persönlichen Management andererseits im Kundenumgang gegeben. Trotz Vorliegens der genannten Defizite können diese mit großer Wahrscheinlichkeit, wie dies die psychologische Sachverständige auch angibt, kompensiert werden. In Summe muss davon ausgegangen werden, dass für den Erwerb dieser zusätzlichen Kenntnisse von wenigstens 6 wahrscheinlich 12 Monaten auszugehen ist.

Eine Stellungnahme des Betriebsrates scheidet aus, da der bisherige Betriebsrat seine Funktion zurückgelegt hat und diese zur Zeit vakant ist.

Für das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, hat die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg als zur Durchführung des Landesbehindertengesetzes zuständige Stelle zum Antrag auf Zustimmung zur Kündigung gem. § 8 BEinstG mit Schreiben vom 16.2.2002 insofern Stellung genommen, als dass keine Angaben zur Kündigungsabsicht der (mitbeteiligten Partei) gemacht werden können. Die BH Voitsberg wies lediglich auf den bewilligten Lohnkostenzuschuss hin.

Hr. L. vom Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg führte in der Verhandlung aus, dass das Arbeitsmarktservice die Dienstnehmerin damals im Bereich der Bilanzbuchhaltung und der Lohnverrechnung unterstützt habe, die Dienstnehmerin sei regelrecht 'schulungshungrig' gewesen.

Aufgrund des Defizits bezüglich aktueller Programme und mangelnder Sachbearbeitertätigkeit seitens der Dienstnehmerin sind die Chancen derzeit schlecht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Des weiteren werden als Erschwerungsgründe das Alter und die Begünstigteneigenschaft der Dienstnehmerin angeführt."

Die Erstbehörde führte nach Darstellung der Rechtslage aus, dass sie abzuwägen habe, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder der Dienstnehmerin der Verlust des Arbeitsplatzes eher zugemutet werden könne. Auf Grund der Gutachten könne die Beschwerdeführerin Telefondienste mit entsprechender Adaption des Telefonapparates bewerkstelligen, auch an Teamsitzungen könne vom Hörvermögen her unbeeinträchtigt teilgenommen werden. Lediglich im Parteienverkehr werde die sprachliche Behinderung eine gewisse Einschränkung bewirken. Gerade die von der mitbeteiligten Partei geforderte Bildschirmtätigkeit könne jedoch von der Beschwerdeführerin dem augenfachärztlichen Gutachten zufolge täglich bis zu sechs Stunden geleistet werden. Der Einsatz der Beschwerdeführerin auf einem Bildschirmarbeitsplatz könne daher kein Problem darstellen. Ein mangelndes Wissen im EDV-Bereich bzw. in den von der mitbeteiligten Partei genannten Rechtsbereichen, aber auch der Umgang in Konfliktsituationen könnten durch entsprechende Schulungen behoben werden. Der dafür eventuell notwendige Zeitraum könne der mitbeteiligten Partei zugemutet werden. Es sei daher der mitbeteiligten Partei die Weiterbeschäftigung der Beschwerdeführerin, auch wegen der sozialen Situation der Beschwerdeführerin, eher zuzumuten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der von der mitbeteiligten Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung Folge und gab dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung statt. Die belangte Behörde verwies in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten einer Sachverständigen für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, wonach bei der Beschwerdeführerin eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits gegeben sei. Im Einzelnen ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

"Die (Beschwerdeführerin) ist seit früher Kindheit kurzsichtig, wobei die Kurzsichtigkeit bis auf 18 Dioptrien zugenommen hat. Der grüne Star ist ausreichend reguliert, es sind weder Sehnervenschäden noch Gesichtsfeldausfälle festzustellen. Aus augenärztlicher Sicht besteht zusammenfassend kein Einwand gegen eine reine Bildschirmarbeit auch über den ganzen Tag hinweg. Eine Augenschädigung oder weitere Zunahme der Kurzsichtigkeit wäre dadurch nicht gegeben.

Das Hals-Nasen-Ohren fachärztliche Gutachten erbrachte eine Umgangssprachenverständlichkeit rechts und links von nur 0,4 Metern, eine Flüstersprachenverständlichkeit von 0 Metern. Es liegt ein prozentueller Hörverlust (nach Röser) beiderseits von 89 % vor. Zusammenfassend ist eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits gegeben.

Bei der (Beschwerdeführerin) liegt eine Artikulationsschwäche vor; diese sprachliche Behinderung bewirkt im Parteienverkehr eine Einschränkung .... Der Sachverständige Ministerialrat Dr. H. bezeichnete das Sprechvermögen der (Beschwerdeführerin) als 'stark herabgesetzt' ....

Die bereits in erster Instanz veranlaßte psychologische Begutachtung erbrachte, dass eine Schulbarkeit grundsätzlich gegeben ist, sofern Rücksicht auf die Hörbeeinträchtigung genommen wird. Teamfähigkeit ist auf Grund der Persönlichkeitsstruktur der (Beschwerdeführerin) nur im eingeschränkten Maße vorhanden. Bei der Kundenberatung und Beschwerdeberatung 'tut sich die (Beschwerdeführerin) grundsätzlich mit konkreten und klaren Formulierungen schwer'. Kundenorientiertheit, Konfliktkalmierung und Einhaltung eigener Kompetenzgrenzen könnten aber als Stärken bewertet werden. Dennoch ist auf diesem Gebiet auf Grund der Formulierungsmängel und der grundsätzlichen Tendenz der (Beschwerdeführerin), sich auch durch neutralen Fragstellungen in ihrer Integrität angegriffen zu fühlen, eine Nachschulung bzw. ein speziell abgezieltes Kommunikationstraining in Konfliktsituationen indiziert ....

Im Arbeitsalltag hat sich erwiesen, dass die (Beschwerdeführerin) Vorschlägen bzw. Ratschlägen von Vorgesetzten und Arbeitskollegen nicht zugänglich ist; sie tut diese vielfach mit dem Bemerken ab, dass sie das schon wisse. Im Zusammenhalt mit der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit der (Beschwerdeführerin) wurde die Zusammenarbeit der in der Buchhaltung beschäftigten 3 Personen so beeinträchtigt, dass sich das Betriebsklima verschärfte und der (Beschwerdeführerin) auf ihren Wunsch hin ein eigenes Büro zugewiesen werden musste. Solange ihr Vater Obmann und Chef der (mitbeteiligten Partei) gewesen war, trug die (Beschwerdeführerin) Probleme, die zwischen Arbeitskollegen ansonsten untereinander besprochen werden, sofort an ihren Vater heran. Bei Einschulung sagte die (Beschwerdeführerin), dass sie keine Erklärung benötigt und dies und das bereits wisse. Dennoch erledigte sie dann die ihr aufgetragenen Arbeiten nicht richtig. Als ihr daraufhin neuerlich versucht wurde, diese Umstände näher zu bringen und ihr die Arbeit zu erklären, führte dies zu neuerlichen Spannungen. Dadurch war die Zusammenarbeit und das Arbeitsklima beeinträchtigt ....

Der bisherige Arbeitsbereich Lohnverrechnung, Kassawesen reduzierte sich weitestgehend bzw. hat sich aufgelöst, sodass die noch verbleibenden Resttätigkeiten als Nebentätigkeiten von den beim Unternehmen beschäftigten beiden Buchhaltungskräften ohne wesentliche Zusatzbelastung miterledigt werden können. Von ihrer Ausbildung her wäre die (Beschwerdeführerin) grundsätzlich in der Lage, die von den beiden Buchhaltungskräften ausgeführten Tätigkeiten auszuführen. Allerdings fehlen ihr zur erfolgreichen Bewältigung der Tätigkeiten maßgebliche Kenntnisse wie insbesondere im Bereich der EDV (Word, Access, PT, tiefergreifende Excell-Kenntnisse) die offensichtlich durch die Beschäftigung bei Steuerberatungsbüros von den beiden Buchhalterinnen mit eingebrachten steuerrechtlichen Erfahrungen und Kenntnissen und darüber hinaus Grundkenntnissen des MRG, ABGB und des WEG, WG-G vorhanden sind.

Wenngleich so wie die von der psychologischen Sachverständigen angeführten Defizite durch Schulungen im Ausmaß von wenigstens 6 wahrscheinlich jedoch von 12 Monaten kompensiert werden könnten (wobei die Kurse zumeist Trainingseinheiten von 16, 20 oder 28 Stunden am Abend oder am Wochenende umfassen; der Hausverwalterkurs, welchem Kenntnisse im Bezug auf Wohnungseigentumsgesetz, Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, Wohnbauförderungs- und Mietsrechtsgesetz erworben werden können, nimmt ein Jahr in Anspruch), so verbleibt doch das Problem, dass in der Realität erst durch praktische Übungen und Auseinandersetzung mit den Programmen und Gesetzen einer Verwertbarkeit der Kenntnisse gegeben ist. Die Erfahrung aus berufskundlicher Sicht zeigt, dass - wenn jemand einen Kurs besucht hat - er dann nicht unmittelbar sämtliche in der Praxis erforderlichen Kenntnissen und Erfahrungen besitzt. So haben sich vom Ausbildungsstandart besser qualifizierte Mitarbeiterinnen .... entsprechenden Kenntnisse bzw. Erfahrungen erst nach 12-monatiger Arbeitstätigkeit aneignen können ....

Unabhängig von dieser Problematik des Erwerbs neuer Kenntnisse stellt sich jedoch das Problem, dass die (Beschwerdeführerin) für Tätigkeiten die mit einer Kommunikation mit Kunden (Mietern, Eigentümern, Mitarbeitern in Behörden und Banken) verbunden sind, praktisch nicht einsetzbar ist. Andere Tätigkeiten, die keinerlei Kommunikation voraussetzen würden, existieren im Betrieb nicht. Auch die Tätigkeiten im Kundenservice/dem Sekretariat- und Marketingbereich setzen entsprechende kommunikative Fähigkeiten voraus. Ebenso jener Bereich der Haustechnik und Hausverwaltung, wofür im Übrigen der Erwerb gänzlich anderer Kenntnisse unumgänglich wäre. Bei den bei der (mitbeteiligten Partei) verbleibenden Tätigkeiten handelt es sich um Führungsarbeiten, nämlich jene der Prokuristin sowie des Verrechnungsleiters.

Zudem kam es mehrfach zu Kundenbeschwerden über die Art der Kommunikation der (Beschwerdeführerin). So teilte die Kundin C. der (mitbeteiligten Partei) beispielsweise mit, dass sie mit der (Beschwerdeführerin) nicht kommunizieren könne (obwohl sie diese nicht persönlich angreifen möchte). 'Es liege daran, dass - wenn sie eine telefonische Auskunft brauche, die (Beschwerdeführerin) einfach nicht 'verstehe'. Kundenanrufen ist die (Beschwerdeführerin) auf sprachlicher Ebene und auf Ebene des Hörens nicht gewachsen.

Am allgemeinen Arbeitsmarkt ist eine Beschäftigung als kaufmännische Angestellte - sei es als bürokaufmännische Angestellte oder im Bereich der Buchhaltung sowie auch als Kanzleikraft - bei der Diagnose 'an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits' nicht möglich (berufskundliches Gutachten des SV H., Aktenseite 96).

Diese Feststellungen beruhen auf den von der Berufungsbehörde ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten der Hals-, Nasen-Ohren fachärztlichen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. L. sowie dem berufskundlichen Gutachten des SV H. Dem Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. L. wurde aus folgenden Gründen gefolgt:

Dieses steht mit dem von der Behörde erster Instanz eingeholten Hals-Nasen-Ohren fachärztlichen Gutachten des MR Dr. H. insofern im Widerspruch, als dieser zu einer nur mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit gelangt, währendessen die Sachverständige Prof. Dr. L. zu einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit gelangt. Die Sachverständige Prof. Dr. L. nahm auf das Gutachten des Dr. H. Bezug und klärte die Differenz so auf, dass ihrer Meinung nach, die (Beschwerdeführerin) bemüht sei, ihre Hörschwäche zu dissimulieren und sie daher offensichtlich gegenüber dem Sachverständigen H. bessere Werte angegeben habe, als sie der Realität entsprechen. Diese Werte hätten durch das Tonaudiogramm, durch die Überprüfung der Umgangssprachenverständlichkeit wie auch durch das Sprachaudiogramm nicht bestätigt werden können. Dass dieses Ergebnis das Gutachten der Prof. L. den Tatsachen entspricht, ergibt sich insbesondere auch daraus, dass der Sachverständige MR Dr. H. in seinem Gutachten darauf hinweist, auf Grund der mangelhaften sprachlichen Ausdrucksweise müsse eine schon seit Kindheit bestehende Hörstörung vorhanden sein. Weiters hält der Sachverständige fest, dass insgesamt das Hörvermögen 'besser sei, als die sprachliche Beeinträchtigung erwarten lässt'. Dies lässt sich mit dem Gutachtensergebnis der Sachverständigen Dr. L. durchaus in Einklang bringen. Ferner stimmt dies mit dem Vorbringen bzw. der Aussage der (Beschwerdeführerin) überein, sie habe bei der Sachverständigen Dr. L. einen 'schlechten Tag' gehabt. Zusammenfassend ist als erwiesen anzunehmen, dass tatsächlich bei der (Beschwerdeführerin) eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits vorliegt.

Infolge des von Prof. Dr. L. erstellten Hals-Nasen-Ohren fachärztlichen Sachverständigengutachtens wird die von der Behörde erster Instanz getroffene auf dem Gutachten des MR Dr. H. beruhende Feststellung, die (Beschwerdeführerin) könne an beiden Ohren im Büro mit einem akustisch verstärkbaren Telefon einwandfrei telefonieren nicht übernommen. Ebenso nicht die weiters von der Behörde erster Instanz getroffene Feststellung, die (Beschwerdeführerin) könne vom Hörvermögen her an Teamsitzungen unbeeinträchtigt teilnehmen."

Die belangte Behörde führte weiters im Wesentlichen aus, der sozialen Schutzbedürftigkeit der Beschwerdeführerin sei das Interesse der mitbeteiligten Partei an der Beendigung des Dienstverhältnisses gegenüber zu stellen. Nach den Feststellungen sei die Beschwerdeführerin am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar, sodass ihre Beeinträchtigung im Falle der Gewährung der Berufsunfähigkeitspension in dem Differenzbetrag zwischen dem bisher erzielten Arbeitsentgelt und der Berufsunfähigkeitspension liegen würde. Eine Wohnmöglichkeit im eigenen Haus sei gegeben, Sorgepflichten oder sonstige finanzielle Belastungen bestünden nicht. Die Beschwerdeführerin könne auf keinem vorhandenen Arbeitsplatz der mitbeteiligten Partei beschäftigt werden, eine Umorganisation derart, dass der bisherige Arbeitsplatz erhalten bliebe, sei nicht möglich. Darüber hinaus gliedere sich die Beschwerdeführerin nur störend in den Betriebsablauf ein. Im Falle der Weiterbeschäftigung müsse die mitbeteiligte Partei ein Entgelt in nicht unwesentlicher Höhe bezahlen, ohne dass diesem eine adäquate Arbeitsleistung gegenüber stünde. Das Interesse der mitbeteiligten Partei an der Beendigung des Dienstverhältnisses sei daher höher zu bewerten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsvorschriften des Behinderteneinstellungsgesetzes lauten (auszugsweise):

"Kündigung

§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist eingehalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.

(3) Der Behindertenausschuss hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn

a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiter beschäftigt werden kann;

c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.

..."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten erteilt werden soll, im freien Ermessen der Behörde. Bei dieser Ermessensentscheidung ist es Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust eines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. März 2005, Zl. 2003/11/0163, mit weiteren Hinweisen). Durch die Novellierung mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/1999 sollte sich nach der Absicht des Gesetzgebers daran nichts ändern (vgl. den AB 1543 BlgNR 20.GP). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Ermessensentscheidung entsprechend Art. 130 Abs. 2 B-VG ausschließlich daraufhin zu prüfen, ob die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Nicht im Sinne des Gesetzes läge die Erteilung zur Zustimmung zu einer Kündigung eines begünstigten Behinderten, wenn diese etwa nur den Zweck gehabt hätte, diesen trotz grundsätzlicher Eignung zur Dienstleistung wegen seiner Behinderung zu benachteiligen bzw. aus dem Betrieb zu entfernen. Der Zweck des Behinderteneinstellungsgesetzes ist einerseits darin gelegen, die Nachteile der Behinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugleichen; andererseits bezweckt dieses Gesetz aber nicht, die zu schützenden Behinderten praktisch unkündbar zu machen.

Die Bestimmung des § 8 Abs. 4 BEinstG, die durch die Novelle BGBl. I Nr. 17/1999 eingefügt wurde, zählt demonstrativ jene Gründe auf, die nach den Erläuterungen zur letztgenannten Novelle (RV 1518 BlgNR 20. GP) die Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung in der Regel rechtfertigen werden. Dies dient nach den genannten Gesetzesmaterialien der Erhöhung der Rechtssicherheit und soll verdeutlichen, dass behinderte Menschen zwar einen erhöhten Kündigungsschutz genießen, jedoch nicht als praktisch unkündbar anzusehen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2005, Zl. 2004/11/0034, mwH).

Die belangte Behörde hat ihre Ermessensentscheidung im angefochtenen Bescheid - aufbauend auf den Ermittlungsergebnissen im Berufungsverfahren - im Wesentlichen damit begründet, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für die Mitbeteiligte unzumutbar sei.

Die belangte Behörde ging dabei insbesondere von dem von ihr eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde aus, wonach bei der Beschwerdeführerin eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit gegeben sei.

Es trifft zwar zu, dass die im Berufungsverfahren beigezogene Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde diese Beurteilung abgab, wohingegen der im erstinstanzlichen Verfahren beigezogene Sachverständige lediglich eine "mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit" festgestellt hatte. Es trifft auch zu, dass die im Berufungsverfahren beigezogene Sachverständige das zuvor eingeholte Gutachten erwähnt hat. Dennoch trägt dies den Standpunkt der belangten Behörde nicht.

Wörtlich führte die im Berufungsverfahren beigezogene Sachverständige dazu unter anderem aus:

"... Es kam der untere Rahmensatz entsprechend dem klinischen Bild zur Anwendung.

Stellungnahme zur Diskrepanz zum GA v. Dr. H., HNO-FA Graz vom 24.1.2003:

Bei der Patientin ist während des gesamten Untersuchungsvorganges ein stetes Bemühen der Dissimilation ihres Leidens aufgefallen. Außerdem kann sie offensichtlich sehr gut Lippen lesen, da in einer mittellauten Umgebung eine geordnete Unterhaltung trotz ihres ausgeprägten Hörverlustes ausgezeichnet möglich ist.

Es ist daher anzunehmen, dass sie während der letzten Untersuchung bessere Werte angegeben hat, als sie der Realität entsprechen.

Bei der Untersuchung am 15.10.2003 war sowohl beim Tonaudiogramm, wie auch bei Überprüfung der Umgangssprachenverständlichkeit, wie auch beim Sprachaudiogramm eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit zu erheben. Auf Grund dieser Untersuchungsergebnisse ist daher die Einschätzung wie durchgeführt, vorgenommen worden."

Im Einzelnen ist die Zweitgutachterin jedoch auf das Erstgutachten und insbesondere die dort eingeholten Werte nicht eingegangen. Dass die Beschwerdeführerin lediglich ("offensichtlich") durch Lippenablesen den Hörverlust ausgeglichen habe, stellt eine bloße Vermutung dar ("ist ... anzunehmen..."), ohne dass dies näher begründet wird. Ferner wird im Zweitgutachten auch nicht näher erörtert, dass auch im Erstgutachten ein Audiogramm die Grundlage der Beurteilung war. Ohne eingehende Auseinandersetzung auch in dieser Hinsicht ist das Zweitgutachten, auf welchem im Übrigen auch die im Berufungsverfahren eingeholte berufskundliche Stellungnahme aufbaut, nicht schlüssig.

Insoweit die belangte Behörde ihrer Entscheidung eine "sprachliche Behinderung" der Beschwerdeführerin zugrundelegt, ist weder auf Grund der Feststellungen im angefochtenen Bescheid noch auf Grund des Inhaltes der Verwaltungsakten ersichtlich, welche konkrete sprachliche Behinderung eine relevante Einschränkung der Beschäftigungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin darstellt, die eine Weiterbeschäftigung unzumutbar erscheinen lässt. In den Gutachten wird eine "gewisse Einschränkung" als sprachliche Behinderung erwähnt (die bereits beim Eintritt ins Berufsleben bestanden haben müsse), die mitbeteiligte Partei hat auch Äußerungen einiger Kunden vorgelegt, wonach diese sprachliche Probleme - die jedoch nicht näher beschrieben werden - beim Gespräch mit der Beschwerdeführerin gehabt hätten und lieber mit anderen Mitarbeitern der mitbeteiligten Partei kommunizieren würden. Konkretes ist daraus jedoch nicht ersichtlich, sodass nicht nachvollzogen werden kann, inwieweit die sprachliche Behinderung der Beschwerdeführerin relevant ist. Gleiches gilt für die Annahme der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin "Arbeitseinweisungen bzw. Erklärungen ihrer Arbeitskollegen oder Vorgesetzten über die betreffende Arbeit nur bedingt anzunehmen bereit" sei, und sich nur störend in die Organisation des Betriebes eingliedere. Abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, ob die belangte Behörde diese Argumente dem von ihr primär angenommenen Zustimmungsgrund des § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG zuordnet oder nunmehr zu § 8 Abs. 4 lit. c leg. cit. tendiert, wurden keine genauen Feststellungen über ein diesbezügliches Verhalten der Beschwerdeführerin, ihre konkreten Äußerungen zu Kollegen oder Vorgesetzten oder die im Einzelnen gezeigten Verhaltensweisen getroffen, die eine weitere Beschäftigung an einem Arbeitsplatz der mitbeteiligten Partei unzumutbar machen würden. Nur am Rande ist zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin auf Grund des Akteninhaltes unter anderem als "schulungshungrig", jedenfalls aber als einschulbar bezeichnet wurde, was auch von der berufskundlichen Stellungnahme vom 29. Jänner 2004 (3. Februar 2004) nicht widerlegt wird. Es erweist sich daher die Ermessenentscheidung der belangten Behörde als nicht ausreichend begründet.

Dem steht auch das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, 2002/11/0207, nicht entgegen, welches von einem anders gelagerten Sachverhalt ausging. Kern der Erwägungen des vorgenannten Erkenntnisses war jedoch die Beantwortung der Frage, ob auf Grund des Verlustes der Fähigkeit des begünstigten Behinderten, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, es dem Dienstgeber unzumutbar sei, den begünstigten Dienstgeber weiter zu beschäftigen. Dass im vorliegenden Fall seit Einstellung der Beschwerdeführerin im Unternehmen der mitbeteiligten Partei sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert oder sie die Fähigkeit, die im Dienstvertrag vereinbarten Arbeiten zu leisten, verloren habe (und damit § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG erfüllt sei), wurde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt.

Da somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten der Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Dezember 2006

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