VwGH 2005/09/0129

VwGH2005/09/012918.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde 1. der Hotel A GmbH und 2. des DE in L, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 7. März 2005, Zl. LGSV/3/08114/2005 ABB 2439324, betreffend Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 2 Abs. 5 AuslBG, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §2 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 3.187,24 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 17. Januar 2005 beantragten die Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft B die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für unselbständige Schlüsselkraft (§ 18 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz). Begründet wurde dieser Antrag damit, der Zweitbeschwerdeführer verfüge über eine langjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet spezialisierter asiatischer Massageformen, wie Shiatsu und Reiki. Neben seiner Massagetätigkeit gebe er auch Yogastunden. Seit dem Jahr 1997 spezialisiere sich der Zweitbeschwerdeführer auf fernöstliche Massagemethoden, wobei der angefügte Lebenslauf zeige, dass er mehrere Jahre chinesische Medizin und Shiatsu studiert und daneben auch mehrere Jahre eine Yogaschule besucht habe. Auf Grund der hervorragenden Fremdsprachenkenntnisse (sechs Sprachen) habe der Zweitbeschwerdeführer vorwiegend in 5-Sterne-Hotels und Privatkliniken gearbeitet, deren Gäste entsprechend gehobene Ansprüche stellten. Er unterscheide sich damit hinsichtlich Berufserfahrung und Zusatzausbildung weit von standardmäßig ausgebildeten Masseuren. Die Erstbeschwerdeführerin betreibe ein Hotel der Spitzenklasse, dessen Gäste vielfach selbst eigene Fitnesstrainer oder Masseure hätten und daher auf dem Gebiet der gesundheitlichen Betreuung höchste Ansprüche stellten. Für die Zeit vom 4. Dezember 2003 bis 30. April 2004 sei der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid des Arbeitsmarktservice B vom 4. Dezember 2003 bereits eine befristete Beschäftigungsbewilligung erteilt worden.

Der Antrag der beschwerdeführenden Parteien vom 17. Januar 2005 wurde zur Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Zulassung als Schlüsselkraft im Sinne des § 2 Abs. 5 AuslBG vorlägen, gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 AuslBG der dafür zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B übermittelt, welche mit Bescheid vom 27. Jänner 2005 den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung des Zweitbeschwerdeführers als Schlüsselkraft nach Anhörung des Regionalbeirates abwies.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung nach Anhörung des Ausschusses des Landesdirektoriums gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 2 Abs. 5 und 12 AuslBG keine Folge.

Nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere Wiedergabe des Berufungsvorbringens und der Rechtslage, stellte die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht fest,

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung und auf Grund deren Ergebnisse erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 5 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 133/2003, gelten Ausländer als Schlüsselkräfte, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügen und für die beabsichtigte Beschäftigung eine monatliche Bruttoentlohnung erhalten, die durchwegs mindestens 60 v.H. der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zuzüglich Sonderzahlungen zu betragen hat. Überdies muss mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

1. die beabsichtigte Beschäftigung hat eine besondere, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für die betroffene Region, oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt, oder

2. die beabsichtigte Beschäftigung trägt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze bei, oder

3. der Ausländer übt einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Betriebes (Führungskraft) aus, oder

4. die beabsichtigte Beschäftigung hat einen Transfer von Investitionskapital nach Österreich zur Folge, oder

5. der Ausländer verfügt über einen Abschluss einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung, oder einer sonstigen fachlich besonders anerkannten Ausbildung.

Die Beschwerdeführer kritisieren die Beurteilung der belangten Behörde, dass Kenntnisse fernöstlicher Massagen zum Standard eines qualifizierten Masseurs in Österreich zählten, als unrichtig. Vielmehr seien Topmasseure gesuchte Leute und fänden Dauerstellungen in Spitälern und Rehabilitationsbetrieben oder würden eigene Massagestudios auf ganzjähriger Basis betreiben. Ein Masseur mit der Berufsqualifikation für ein Hotel jenseits der Fünfsternekategorie sei praktisch nicht zu finden. Die Erstbeschwerdeführerin habe im vergangenen Winter keine einzige Bewerbung für einen Massagearbeitsplatz gehabt. Der Zweitbeschwerdeführer habe mehrere Jahre chinesische Medizin und Shiatsu studiert, sowie eine Yogaschule besucht, er verfüge über hervorragende Fremdsprachenkenntnisse und habe auf Grund seiner weit überdurchschnittlichen Ausbildung in den letzten Jahren vorwiegend in Fünfsternehotels und Privatkliniken gearbeitet. Zudem sei Israel das Land, aus dem die Feldenkrais-Methode stamme, welche eine besonders sanfte Verbindung von Fernosttechniken mit westlicher Medizin darstelle. Zur Beantwortung der Frage nach den speziellen Kenntnissen und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung im Sinne des § 2 Abs. 5 AuslBG hätte die belangte Behörde einen Sachverständigen konsultieren müssen und sich nicht auf den eigenen Sachverstand berufen dürfen. Eine Begründung für die tragende These der Entscheidung der belangten Behörde, dass nämlich die vom Zweitbeschwerdeführer in vielen Jahren erlernte zusätzliche Qualifikation mittlerweile auch zu den Standardfertigkeiten eines Masseurs gehörten, sei unbegründet geblieben. Die belangte Behörde habe auch unberücksichtigt gelassen, dass auf Grund der überdurchschnittlichen Qualitäten des Zweitbeschwerdeführers als Masseur Buchungen bei der Erstbeschwerdeführerin wegen des Ausfalls des Zweitbeschwerdeführers zurückgenommen worden seien und Gäste nicht mehr hätten kommen wollen, weil sie mit den hervorragenden Diensten des Zweitbeschwerdeführers gerechnet, diese jedoch nicht erhalten hätten. Die Zulassung des Zweitbeschwerdeführers als Schlüsselkraft würde daher bestehende Arbeitskräfte sichern und möglicherweise weitere schaffen. Damit seien die speziellen Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Z. 1, Z. 2 und 5 AuslBG erfüllt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, das arbeitsmarktrechtliche Verfahren zur Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen betreffe den Arbeitsvertrag zwischen den Beschwerdeführern und damit ein "civil right". In diesem Falle bestehe ein Recht auf Entscheidung durch ein Gericht im Sinne von Tribunal, welches auf Grund selbständiger Feststellung und Würdigung der Tat- und Rechtsfragen eine meritorische Entscheidung zu fällen habe. In einem solchen Verfahren habe jeder einen Rechtsanspruch darauf, dass alle maßgeblichen Tatsachen in einem kontradiktorischen Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht (Tribunal) ermittelt werden müssten. In diesem Falle hätte die belangte Behörde auch offen legen müssen, wie sie zu der Behauptung gelange, es sei eine bestimmte Anzahl von arbeitsfähigen und arbeitsbereiten Masseuren mit gleicher Qualifikation für den fraglichen Arbeitsplatz als arbeitssuchend gemeldet.

Darüber hinaus machen die Beschwerdeführer geltend, es seien insoweit befangene Entscheidungsträger an der Erlassung des angefochtenen Bescheides beteiligt gewesen, als das Arbeitsmarktservice B nach Anhörung des Regionalbeirates, die belangte Behörde nach Anhörung des Ausschusses des Landesdirektoriums entschieden habe, wobei es sich um Organe des Arbeitsmarktservice, sohin Organe der bescheiderlassenden Behörden, gehandelt hätte. Dabei lege das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit einerseits durch Verordnung die Landeshöchstzahlen fest, andererseits werde ein Mitglied des Landesdirektoriums auf Vorschlag dieses Ministers ernannt. Dadurch entstehe eine Interessenkollision. Aus diesem Grund sei das Verfahren vor dem Arbeitsmarktservice, dessen Organe in erster bzw. zweiter Instanz der Regionalbeirat bzw. das Landesdirektorium seien, kein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 EMRK, was die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt habe.

In der vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten mündlichen Verhandlung stellte der Vertreter der belangten Behörde klar, dass nach Ansicht der belangten Behörde die am Ende des Einleitungssatzes des § 2 Abs. 5 AuslBG genannte "besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung" des Zweitbeschwerdeführers nicht vorliege, da es - mit Ausnahme der erstbeschwerdeführenden Partei - keine Nachfrage am inländischen Arbeitsmarkt nach den vom Zweitbeschwerdeführer angebotenen Massagetechniken gebe. Dabei sei die Wortfolge "am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung" an Hand der gemeldeten offenen Stellen mit den jeweils angebotenen Qualifikationen untersucht worden. Die belangte Behörde ziehe bei Beurteilung der in Rede stehenden Rechtsfrage nur die unbefriedigte Nachfrage heran, zumal das Arbeitsmarktservice lediglich die Möglichkeit habe, auf eine Statistik der gemeldeten offenen Stellen zuzugreifen.

Die Auslegung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach eine "besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung" im Sinne des Einleitungssatzes des § 2 Abs. 5 AuslBG lediglich an Hand der in der Statistik als offen aufscheinenden Stellen für Arbeitsuchende mit den jeweils in Rede stehenden Qualifikationen im jeweiligen Bundesland zu prüfen sei, ist rechtswidrig. Es kommt nicht darauf an, ob auch bei anderen Arbeitgebern eine unbefriedigte Nachfrage derselben Art festgestellt werden kann. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die besondere Ausbildung des potenziellen Arbeitnehmers für die angebotene Tätigkeit eine sein muss, die am inländischen, das heißt bundesweiten Arbeitsmarkt an sich nachgefragt ist und zwar unabhängig davon, ob diese Nachfrage bereits ohne Einschaltung des Arbeitsmarktservice befriedigt wurde oder nicht. Wesentlich ist lediglich, dass die "besondere Ausbildung" am inländischen Arbeitsmarkt an sich nachgefragt wird, die Nachfrage des antragstellenden Unternehmens jedoch nicht durch eine inländische Arbeitskraft abgedeckt werden kann; entscheidend ist daher die tatsächliche (befriedigte oder unbefriedigte) Nachfrage nach der angebotenen Qualifikation am inländischen Arbeitsmarkt schlechthin und das Fehlen verfügbarer inländischer Arbeitskräfte.

Der der belangten Behörde unterlaufene Rechtsirrtum erweist sich auch als entscheidungswesentlich, weil die belangte Behörde, bei Vorliegen einer der Voraussetzungen des Einleitungssatzes des § 2 Abs. 5 AuslBG - die kumulativ erforderliche Voraussetzung einer der in den Z. 1 bis 5 leg. cit. genannten besonderen Voraussetzungen hatte sie ja bereits als gegeben angenommen -, zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass der Zweitbeschwerdeführer die erforderlichen Voraussetzungen für seine Anerkennung als Schlüsselkraft im Sinn des § 2 Abs. 5 AuslBG erfüllt.

Daher belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Dezember 2006

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