VwGH 2005/09/0005

VwGH2005/09/000522.2.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Ing. G H in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Dellhorn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gölsdorfgasse 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. November 2004, Zlen. UVS-07/A/2/5338/2004/8 und UVS- 07/V/2/8911/2004, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z6;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z6;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den Bezirk X, vom 10. Februar 2004 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz schuldig erkannt, und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von

3.500 EUR verhängt.

Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Rechtsvertreters am 26. März 2004 zugestellt.

Mit einem am 27. Mai 2004 bei der Erstbehörde persönlich eingebrachten Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob gleichzeitig die Berufung gegen das oben bezeichnete Straferkenntnis.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde damit begründet, die einzige Angestellte in der Kanzlei des Beschwerdevertreters habe völlig unverständlicherweise an Stelle der Frist von zwei Wochen eine solche von zwei Monaten vorgemerkt. Diese Angestellte sei in der Kanzlei des Beschwerdevertreters ununterbrochen seit 1980 beschäftigt und sei ihr ein solches Versehen noch nie unterlaufen. Nach Fristablauf sei der Akt dem Beschwerdevertreter am 26. Mai 2004 vorgelegt und das Versäumnis erkannt worden. Dabei handle es sich um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den Bezirk X, vom 1. Juni 2004 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 2004 wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben, der angefochtene Bescheid bestätigt (Spruchpunkt 1) und die Berufung gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den Bezirk X vom 10. Februar 2004 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt 2). Nach Darstellung des Verfahrensganges und wörtlicher Wiedergabe der Angaben der in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen (des Beschwerdevertreters und seiner Kanzleiangestellten) führte die belangte Behörde rechtlich unter Zitierung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG aus, ein Verschulden des Parteienvertreters sei einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes sei diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen habe. Insbesondere müsse der Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt werde. Dabei werde durch entsprechende Kontrollen dafür zu sorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen seien. Der Rechtsanwalt dürfe die Festsetzung von Fristen nicht völlig der Kanzleileiterin überlassen und sich lediglich auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen sei in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt selbst verantwortlich, denn er selbst habe die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen, und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks, betraut worden sei und es bisher nie zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Die bloß stichprobenartige Überprüfung der Eintragungen sei nicht ausreichend. Dies bedeute zwar nicht, dass der Rechtsanwalt die mit der Führung des Kalenders betraute Angestellte auf Schritt und Tritt überwachen müsse oder ihn die Pflicht zur sofortigen persönlichen Kontrolle jeder Eintragung treffe, doch habe er Maßnahmen vorzukehren, die Fehleintragungen verhinderten oder sie rechtzeitig als solche erkennen ließen. Für berufliche rechtskundige Parteienvertreter und deren Büroorganisation gälten strengere Sorgfalts- und Überwachungsmaßstäbe als jene, die an rechtsunkundige Personen anzulegen seien. Der Wiedereinsetzungsantrag im Beschwerdefall habe keinerlei Ausführungen darüber enthalten, ob und wie die einzige Kanzleiangestellte des Beschwerdevertreters von diesem hinsichtlich der richtigen Berechnung und Vormerkung bzw. Eintragung von Fristen bzw. Terminen kontrolliert werde. Erst in der Berufung gegen die Abweisung der Wiedereinsetzung sei vorgebracht worden, dass die gegenüber der Erstbehörde auf telefonische Nachfrage beim Beschwerdevertreter behauptete stichprobenartige Fristenkontrolle so zu verstehen gewesen wäre, dass Hand in Hand mit der zwangsläufig täglichen Einschau in das Kanzleijournal auch die Rechtsmittel- und sonstigen Fristen kontrolliert würden. Die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdevertreters bei seiner Einvernahme in der Verhandlung vor der belangten Behörde hätten vorbereitet gewirkt, zum Teil kontrolliert und letztlich unplausibel. Aus der Darstellung des Beschwerdevertreters gehe hervor, dass seine Angestellte die Post übernehme, öffne und nach Durchsicht selbständig die von ihr berechneten Fristen und die sich daraus ergebenden Termine (nur) im Journal vermerke. Der Beschwerdevertreter nehme entweder schon auf dem Posttisch oder auf seinem Schreibtisch Einsicht in die neu eingelaufenen Poststücke (auf denen die von der Kanzleiangestellten berechneten und eingetragenen Fristen jedoch nicht vermerkt seien). Dass der Beschwerdevertreter - wie mehrfach betont worden sei - täglich ins gemeinsame Kanzleijournal Einblick nehmen müsse, um seine Termine für denselben oder für die nächsten Tage festzustellen, verstehe sich von selbst, da sich der Beschwerdevertreter die von ihm in nächster Zukunft zu erledigende Arbeit (wie die Abfassung fristgebundener Schriftsätze und die Wahrnehmung von Verhandlungs- und Besprechungsterminen) sonst schwerlich einteilen könne. Insofern der Beschwerdevertreter nunmehr - sichtlich um eine Nachbesserung des Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag bemüht - den Eindruck zu vermitteln versuche, er würde bei der Einsichtnahme in das Kanzleijournal, um die Termine für die nächsten Tage festzustellen, auch die (eingetragenen) Termin- bzw. Fristvormerke an Hand der Eingangspost überprüfen, hätten diese Angaben des Vertreters des Berufungswerbers konstruiert und unglaubwürdig gewirkt. Die weitere Darstellung des Beschwerdevertreters, dass er den Endtermin der Frist nicht selbständig noch einmal berechne, dass er aber auf Grund des Poststückes im Journal nach vor blättere und schaue, ob ein diesbezügliches Fristende von der Kanzleiangestellten im Journal eingetragen worden sei, und der Umstand, dass die mit zwei Monaten statt zwei Wochen eklatant falsch berechnete Frist erst am letzten Tag der falschen Zweimonatsfrist aufgefallen sei, verstärke den Eindruck, dass der Beschwerdevertreter seine Kanzleiangestellte bezüglich der ihr überlassenen Fristberechnung und -vormerkung, wenn überhaupt, nur sporadisch im Hinblick auf die Richtigkeit der Fristsetzung sehr oberflächlich und lediglich hinsichtlich der in der laufenden und der folgenden Woche ablaufenden Fristen kontrolliere. Ineffektiv und unsicher erscheine die mangelhafte Kontrolle überdies auch deshalb, weil das von der Kanzleiangestellten festgesetzte Fristende offenbar nur im Journal aufscheine und nicht auf dem Poststück oder auf dem Handakt vermerkt werde und diesbezüglich Kontrollzeichen nirgends angebracht würden. Dies bedinge, dass weder für den Beschwerdevertreter noch für die Kanzleikraft ersichtlich sei, ob zu einem bestimmten Poststück bzw. dem dazugehörigen Handakt eine Frist vorgemerkt sei und ob die Richtigkeit eines Fristvormerks kontrolliert worden sei oder nicht. Dies ergebe sich auch aus der nachvollziehbaren, lebendig wirkenden Aussage der Kanzleiangestellten, die weitgehend um eine wahrheitsgemäße Darstellung bemüht schien. Sie habe angegeben, dass sie nicht wisse, ob der Beschwerdevertreter Termine oder Fristenden, die von ihr mehrere Wochen in der Zukunft eingetragen würden, auf die Richtigkeit der Berechnung und Eintragung kontrolliere. Die belangte Behörde gehe daher auf Grund der Ergebnisse der Berufungsverhandlung und der dargestellten Würdigung davon aus, dass die Setzung der Fristen und deren Vormerkung ohne Dazwischentreten einer Anordnung oder Weisung des Beschwerdevertreters dessen Kanzleiangestellten überlassen gewesen sei und dass die Richtigkeit der Berechnung und Vormerkung bzw. Eintragung in der Regel vom Beschwerdevertreter nicht kontrolliert worden sei. Kontrollen seien lediglich sporadisch, unsystematisch und oberflächlich im Rahmen der Feststellung von Terminen für die nächsten ein bis zwei Wochen erfolgt. Es könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenständliche Fristversäumnis auf einem weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruhe und in der Person des Beschwerdevertreters ein Verschulden oder ein bloß minderer Grad des Versehens vorliege. Da dieser seiner ihm zumutbaren und nach Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seiner Kanzleibediensteten nicht nachgekommen sei, stelle das Versehen der Kanzleibediensteten für den Beschwerdevertreter (und damit auch für die von ihm vertretene Partei) kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, das ohne sein Verschulden die Einhaltung der Frist verhindert hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde aus dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid enthält zwei Absprüche, nämlich die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid über die Abweisung seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die - daraus folgende - Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers als verspätet. Die vorliegende Beschwerde richtet sich nach der Anfechtungserklärung gegen den angefochtenen Bescheid als Ganzes. Der Urteilsantrag lautet jedoch wie folgt:

"Der Verwaltungsgerichtshof wolle in Stattgebung meiner Beschwerde den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes dahin abändern, dass meinem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des MBA ... vom 10. Februar 2004, MBA ... - S 8235/03, Folge gegeben wird."

Diese bedeutet zunächst, dass dem Verwaltungsgerichtshof zwar ein Entscheidungsantrag vorliegt, der sich jedoch - wie auch die Begründung der Beschwerde - von vornherein nur auf den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffenden Spruchpunkt bezieht, nicht aber auch auf jenen, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen wurde. Der letztgenannte Spruchpunkt ist daher nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Das gemäß § 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG bestimmt zu bezeichnende Begehren bei Beschwerden nach Art. 131 B-VG hat dahin zu lauten, den angefochtenen Bescheid wegen der in § 42 Abs. 2 Z. 1, 2 oder 3 VwGG genannten Gründe ganz oder teilweise aufzuheben. Der Beschwerdeführer verkennt somit überdies, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht zur Abänderung von Bescheiden in eine bestimmte Richtung, sondern nur zur Aufhebung von Bescheiden aus den Gründen des § 42 Abs. 2 VwGG befugt ist. Ist jedoch - wie hier - aus dem Beschwerdevorbringen in seinem Zusammenhalt zu entnehmen, in welchem Recht der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet, dann ist eine Beschwerde nicht deswegen zurückzuweisen, weil der Beschwerdeführer, statt richtigerweise die Aufhebung, die Abänderung des angefochtenen Bescheides in einer bestimmten Richtung beantragt. In diesem Fall ist auch ein Mängelbehebungsauftrag nicht erforderlich (vgl. dazu das Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/11/0059).

Die Beschwerde ist aber auch nicht deshalb etwa mangels Beschwer zurückzuweisen, weil der Beschwerdeführer nicht gleichzeitig auch die Zurückweisung der verspätet erhobenen Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft hat, sondern sich auf die Bekämpfung der Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages beschränkte: Für den Fall des Beschwerdeerfolges und der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im fortgesetzten Verfahren würde nämlich Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides ipso iure außer Kraft treten (vgl. § 72 Abs. 1 VwGG und die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, § 72, E1 ff wiedergegebene Rechtsprechung), weshalb es der Bekämpfung auch dieses Spruchpunktes vor dem Verwaltungsgerichtshof in der Tat nicht bedurfte.

In Ausführung der Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, sein Vertreter habe anlässlich seiner Einvernahme am 16. November 2004 einen völlig plausiblen Tagesablauf in einer kleinen Rechtsanwaltskanzlei dargelegt. Der tägliche Posteingang werde sowohl von ihm wie auch von seiner einzigen Angestellten durchgesehen und u.a. auch auf erforderliche Fristenvormerke überprüft. Der eigentliche Fristenvormerk werde von der Angestellten durchgeführt, die Kontrolle erfolge täglich durch den Rechtsanwalt durch die zwangsläufige Einsicht in das Kanzleijournal, welches zur Feststellung des Arbeitsanfalles, aber eben auch zur Überwachung des Fristenvormerkes erfolge. Die ebenfalls einvernommene Kanzleiangestellte habe diesen Sachverhalt detailgetreu bestätigt. Die belangte Behörde habe den Sachverhalt auch so festgestellt, habe ihn aber unverständlicherweise dahingehend eingeschränkt, dass die Einschau in das Journal durch den Beschwerdevertreter nicht zu dessen Fristenkontrolle diene. Die negative Wertung der Aussage des Beschwerdevertreters habe die belangte Behörde nicht gerechtfertigt. Vielmehr erweise sich die Einschätzung der belangten Behörde als unrealistisch und auch mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht vereinbar, zumal unbestritten feststehe, dass die Kanzleiangestellte in der Kanzlei des Beschwerdevertreters schon mehr als 20 Jahre beschäftigt sei, was wohl nicht der Fall sein würde, wenn eine derart fehlerhafte Arbeitsleistung vorliegen würde. Allein aus dem Umstand, dass die gegenständliche Fehleintragung erfolgt sei, könne keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass die gebotene und zumutbare Überwachungspflicht des Rechtsanwalts betreffend seine Kanzlei nicht eingehalten würde. Der gegenständliche Fall stelle eben jene Ausnahme dar, welche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen Wiedereinsetzungsgrund bilde. Danach gebe es keine Haftung für ein ausgesprochen weisungswidriges Verhalten einer Kanzleiangestellten, sofern den Anwalt sonst kein Verschulden treffe. Nur eine vorhersehbare Verfehlung reiche für eine Wiedereinsetzung nicht hin, wenn sie vom Rechtsanwalt auch durch zumutbares Verhalten nicht abgewendet werden könne. Bei verlässlichen Kanzleiangestellten werde diese Überwachungspflicht sogar eingeschränkt. Die von den Behörden vertretene Rechtsansicht würde jegliche Wiedereinsetzung ausschließen, was der Ansicht des Gesetzgebers eklatant widerspreche.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei, die durch die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur einen minderen Grad des Verschuldens trifft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muss der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft ihn in einem solchen Fall nur dann nicht, wenn dargetan wird, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten beruht. Die Art und Intensität der über die Kanzlei ausgeübten Kontrolle ist bereits im Wiedereinsetzungsantrag darzutun.

Der Beschwerdeführer verkennt mit seinem Vorbringen die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwaltes bei der Eintragung von Fristen: Die von ihm in den Vordergrund gestellte "Einschau in das Journal" (womit ersichtlich das Termin- und Fristvormerkbuch gemeint ist) vermag nur jene Eintragungen zutage zu fördern, die tatsächlich vorgenommen wurden, nicht aber auch jene, die versehentlich unterlassen worden sind (und daher definitionsgemäß in diesem "Journal" nicht aufscheinen). Gleiches gilt für Fristen, die versehentlich um mehrere Wochen zu spät eingetragen wurden, wenn die "Einschau in das Journal" dazu dient, die "Termine für den selben Tag bzw. für die nächsten Tage festzustellen", wie der Beschwerdevertreter vor der belangten Behörde selbst bekundet hat. Auch wenn diese Einschau daher auch der Fristenkontrolle dienen sollte, vermag sie eine effiziente Kontrolle der Eintragung der Fristen schon beim Einlangen des Poststücks nicht zu ersetzen. Vor allem verkennt der Beschwerdeführer nämlich, dass die auffallende Sorglosigkeit des Beschwerdevertreters schon in einem früheren Stadium seines Kanzleiablaufes einsetzt: Sie ist schon in dem Umstand zu erblicken, dass eingetragene Fristen von der Kanzleikraft weder im Akt noch auf dem betreffenden Posteingangsstück vermerkt werden, wie diese vor der belangten Behörde ausgesagt hat und die Behörde unbekämpft feststellte. Werden Termine, die eingetragen wurden, nicht auf den Poststücken vermerkt, die sodann dem Rechtsanwalt vorgelegt werden, vermag diese Kontrolle der Eingangspost weder in der Richtung wahrzunehmen, ob eine aus dem Eingangsstück hervorgehende Frist eingetragen wurde oder ob dies unterlassen worden ist, noch dahin, für welche Tage Fristvormerke überhaupt durchgeführt wurden. Wenn in einem solchen System eine Fristeintragung unbemerkt bleibt, bei welcher statt einer Berufungsfrist von zwei Wochen eine solche von zwei Monaten eingetragen wird, dann ist dies nicht weiter verwunderlich. Einem Rechtsanwalt, der ein solches "Kontrollsystem" verwendet, liegt daher grobe Fahrlässigkeit zur Last, wie die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht erkannt hat.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Februar 2006

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