VwGH 2005/06/0287

VwGH2005/06/028725.4.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der F Familienstiftung V in M, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Anna-Neumann-Straße 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. August 2005, Zl. FA13B-12.10 P 185 - 05/02, betreffend Einendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. S Gesellschaft mbH in K, vertreten durch Großmann und Wagner, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, Bahnhofstraße 6/1, 2. Marktgemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Stmk 1995 §13 Abs1 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §13 Abs4 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §13 Abs6 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §23 Abs1 Z4 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §23 Abs1 Z5 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §29 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §4 Z37a idF 2003/078;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §13 Abs1 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §13 Abs4 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §13 Abs6 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §23 Abs1 Z4 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §23 Abs1 Z5 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §29 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §4 Z37a idF 2003/078;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 17. Dezember 2004 (bei der Behörde am 21. Dezember 2004 eingelangt) kam die erstmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um die Erteilung der baubehördlichen Genehmigung für Änderungen bei einer Hotelanlage auf einem Grundstück im Gemeindegebiet ein. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines angrenzenden Grundstückes.

In der Bauverhandlung vom 7. Jänner 2005 führte der bautechnische Sachverständige unter anderem aus, die Bauwerberin habe im Zuge der Baumaßnahmen für die Errichtung der Hotelanlage (unter anderem) folgende zusätzliche Bauteile ausgeführt:

südöstlich sei der Wellnessanlage ein Freibereich mit einer Außensauna und einem Schwimmbecken angefügt worden. Diese Bauteile reichten bis ungefähr auf 1 m an die Grundstücksgrenze heran (Anmerkung: das ist die Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin), würden aber zur Gänze eingeschüttet und damit im Grenzbereich unterirdisch angelegt. Damit sei dieser Grenzabstand im Sinne des § 13 der Steiermärkischen Bauordnung 1995 zulässig.

Die Beschwerdeführerin erklärte, "sich gegen die nachträgliche Genehmigung zur Errichtung des Schwimmbeckens hart an der Grenze" zu ihrem Grundstück auszusprechen.

Der Verhandlungsleiter und der Sachverständige erwiderten hierauf, wie im Befund des Sachverständigen bereits festgestellt, würden "die beeinspruchten Bauteile zur Gänze im Bereich der Grenze eingeschüttet", womit der geringe Abstand im Sinne des § 13 Abs. 4 Stmk. BauG zulässig sei.

Hierauf erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 10. Jänner 2005 die angestrebte Bewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen, was im Wesentlichen unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen in der Bauverhandlung begründet wurde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Die Berufungsbehörde holte eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen (vom 19. März 2005) ein, in der unter anderem ausgeführt wurde, das Schwimmbecken sei zur Nachbargrundgrenze hin bis auf einen ganz geringen Teil im vorderen Bereich (Hinweis auf eine Bilddokumentation) niveaugleich angelegt. Der darunter liegende Technikraum sei zur Nachbargrenze völlig unterirdisch und nur zur östlichen Front hin teilweise sichtbar. Zur Nachbargrenze werde ein Abstand von ca. 1 m eingehalten. Nach § 13 Abs. 8 Stmk. BauG könne die Behörde für Nebengebäude geringere Abstände zu den Grundgrenzen bis auf ein Mindestmaß von 1 m zulassen. Im Übrigen ziele die Abstandsregelung des § 13 Stmk. BauG grundsätzlich auf die Geschoßanzahl ab, wobei als Geschoße solche zu werten seien, deren Außenwandfläche zu mehr als 50 % über dem natürlichen Gelände lägen, wobei auch nur die jeweilig betroffene Gebäudefront zu errechnen sei. Da im Beschwerdefall die betroffene Außenwandfront jedenfalls zu mehr als 50 % unterirdisch liege, sei die Abstandsregelung des § 13 leg. cit. nicht anwendbar.

Hierauf wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Berufungsbescheid vom 17. Mai 2005 die Berufung als unbegründet ab, was im Wesentlichen unter Hinweis auf die ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen begründet wurde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie unter anderem rügte, dass das Ermittlungsverfahren unzureichend geblieben sei. Ermittlungsergebnisse zum Verlauf des natürlichen Geländes fehlten völlig.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Zusammengefasst führte sie begründend aus, wie sich aus den vorliegenden planlichen Unterlagen und dem Befund des bautechnischen Sachverständigen ergebe, werde im Beschwerdefall gerade die Voraussetzung des § 13 Abs. 4 Stmk. BauG, nämlich dass eine Außenwandfläche zu mehr als 50 % und im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liege, nicht erfüllt. Demzufolge sei kein abstandrelevantes Geschoß gegeben. Daran könnten auch die umfangreichen Ausführungen in der Vorstellung nichts ändern, soweit sie darauf hinwiesen, dass sich unterhalb des Schwimmbeckens ein oberirdischer Raum befinde, weil eben die Voraussetzungen des § 13 Abs. 4 leg. cit. nicht vorlägen. Auch durch die Errichtung eines Zaunes (Anmerkung: am Rande dieser baulichen Anlage) könne kein abstandsrelevantes Geschoß entstehen.

Die Beschwerdeführerin sei zwar im Recht, wenn sie geltend mache, dass die im Berufungsbescheid gewählte Formulierung, wonach zur Nachbargrenze ein Abstand von "ca. 1 m" eingehalten werde, nicht konkret sei, doch werde sie dadurch nicht in Rechten verletzt, weil die Einhaltung eines Abstandes zur Nachbargrundgrenze mangels des Vorliegens der Voraussetzungen des § 13 Abs. 4 leg. cit. überhaupt nicht erforderlich wäre. Es sei auch zutreffend, dass es sich bei dieser baulichen Anlage um kein Nebengebäude handle. Es sei daher völlig korrekt und notwendig gewesen, diesbezüglich ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen, was ja auch erfolgt sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003, anzuwenden.

"§ 13

Abstände

(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) ...

(4) Als Geschosse in der jeweiligen Gebäudefront sind jene anzurechnen,

(5) ...

(6) Bei Gebäuden oder Gebäudeteilen ohne die übliche Geschoßeinteilung oder mit Geschoßhöhen von über 3,0 m ist die Abstandsermittlung unter Zugrundelegung einer fiktiven Geschoßeinteilung mit einer Höhe von 3,0 m an jeder Gebäudeecke über dem natürlichen Gelände vorzunehmen. Restgeschoßhöhen von mehr als 1,5 m sind als Geschoß anzurechnen."

Gemäß § 4 Z 37a leg. cit. gilt als "natürliches Gelände" von Grundflächen jenes, das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der letzten Revision des Flächenwidmungsplanes gegeben war.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Bauteil mit dem Schwimmbad einen Abstand zur Grundgrenze einzuhalten hat, und wenn ja, welchen. Dies kann aber anhand der Projektunterlagen nicht beurteilt werden. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist und nicht ein tatsächlich gegebener Bestand maßgeblich ist, sondern die Projektsunterlagen (siehe dazu beispielsweise Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, S. 67 und 369, mwN). In den in den Gemeindeakten befindlichen Projektunterlagen ist dieses Schwimmbad im Grundriss im Plan betreffend das erste Obergeschoß dargestellt, erkennbar auch im "Lage-Absteckplan". Nähere Darstellungen, wie Schnitte und Ansichten, die die erforderlichen Angaben zur Feststellung eines allenfalls einzuhaltenden Abstandes enthielten, fehlen (dies entgegen § 23 Abs. 1 Z 4 und 5 Stmk. BauG). Soweit sich die Behörde des Verwaltungsverfahrens auf die Ausführungen des auf Gemeindeebene beigezogenen bautechnischen Sachverständigen berufen haben, wonach dieser Bauteil "zur Gänze eingeschüttet und damit im Grenzbereich unterirdisch angelegt" sei, kommt es darauf nach § 13 Abs. 4 leg. cit. aber nicht an, Beurteilungsmaßstab ist vielmehr der Verlauf des natürlichen Geländes (dies wiederum im Sinne der Legaldefinition des § 4 Z 37a leg. cit.). Abgesehen davon, dass die Behörde des Verwaltungsverfahrens dies verkannt haben, kann der Verlauf des "natürlichen Geländes" den Projektunterlagen ebenfalls nicht entnommen werden, die somit, wie gesagt, unzureichend sind, um die Abstandproblematik beurteilen zu können. Damit ist auch nicht weiter zu erörtern, ob allenfalls auch die auf den Lichtbildern sichtbare, somit nicht "eingegrabene" Front dieses Bauteiles (mit einer Öffnung) abstandsrelevant sein kann.

Daraus folgt, dass das Verfahren auf Gemeindeebene (wegen des unzutreffenden Beurteilungsmaßstabes und der unzureichenden Projektunterlagen) mangelhaft war. Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. April 2006

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