VwGH 2005/06/0233

VwGH2005/06/023325.4.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde

1. des EL in P, 2. des Dr. AM in L, 3. der EV in L, 4. des GA in I, 5. des GN in I, 6. des GR in I, 7. des CD in W, 8. der IP in I, 9. des DI FF in S, 10. der Dr. AK in I, 11. der EH in I,

12. des Dr. NO in I und 13. der PG in I, alle vertreten durch Dr. Lothar Stix, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 10. August 2004, Zl. I-Rm- 00062e/2004, II-AL-067e/2004, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: R GmbH in I, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20), zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg;
ROG Tir 2001 §40 Abs1;
ROG Tir 2001 §40 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauRallg;
ROG Tir 2001 §40 Abs1;
ROG Tir 2001 §40 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) ist Eigentümerin eines Grundstückes in X. Dieses grenzt teils an die öffentliche Verkehrsfläche I und im Übrigen an eine Reihe weiterer Grundstücke, darunter im Südosten an das Grundstück Nr. 278/1, welches im Eigentum der Erst- bis Zehntbeschwerdeführer steht, und im Nordosten an das Grundstück Nr. 269/1 (mit dem Wohn- und Geschäftshaus I 15), welches im Eigentum zahlreicher Personen steht (Wohnungseigentumsobjekt mit mehreren Hundert Miteigentumsanteilen), darunter der Bauwerberin selbst, aber auch der Elft- bis Dreizehntbeschwerdeführer (strittig ist unter anderem der Grenzverlauf zwischen letzterem Grundstück und dem zu bebauenden Grundstück, worauf zurückzukommen sein wird).

Aus der Vorgeschichte dieses Beschwerdeverfahrens ist hervorzuheben, dass die Bauwerberin bereits mit einem früheren Baugesuch vom 23. März 1998 (das am selben Tag bei der Behörde eingebracht wurde) um die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem zu bebauenden Grundstück eingekommen war. Dazu erging der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid vom 9. Juni 1998. Nach verschiedenen Verfahrensschritten (siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl. 2000/06/0126) wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 2002 der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz verwiesen. Schließlich wies die infolge Devolutionsantrages zuständig gewordene belangte Behörde mit dem (erstinstanzlichen) Bescheid vom 23. Dezember 2002 das Baugesuch gemäß § 13 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 26 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) zurück. Der tragende Zurückweisungsgrund war, dass die projektierte Tiefgarage über die bestehende Zufahrtsrampe der östlich gelegenen, bereits bestehenden Tiefgarage (auf dem Nachbargrundstück Nr. 269/1 mit dem Wohn- und Geschäftshaus I 15), durch Herstellung entsprechender Anschlussdurchbrüche erschlossen werden solle. Die bereits bestehende Tiefgaragenausfahrt, die mitbenützt werden solle, stehe aber im Miteigentum von rund 193 Miteigentümern der Nachbarliegenschaft. Die Bauwerberin habe trotz eines entsprechenden Verbesserungsauftrages die Berechtigung zur Mitbenützung der bestehenden Garagen- und Ausfahrt nicht nachgewiesen. Damit fehle es der zu bebauenden Liegenschaft an der nach § 3 Abs. 1 TBO 2001 erforderlichen, dem Verwendungszweck der baulichen Anlage entsprechenden, rechtlich gesicherten Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche. Im Übrigen befasste sich die belangte Behörde in der Begründung dieses Bescheides vom 23. Dezember 2002 mit dem Aspekt, dass die geplante Bebauung einer allgemein städtebaulichen Zielsetzung, innerstädtische Innenhöfe von einer Bebauung weitgehend freizuhalten und zu begrünen, nicht entspreche, sodass aus diesem Grund eine Baubewilligung "nicht zu erreichen wäre".

Die Bauwerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof; das Beschwerdeverfahren ist zur hg. Zl. 2003/06/0032 anhängig.

Unabhängig von dieser Beschwerdeführung brachte die Bauwerberin bei der Behörde am 3. Juli 2003 ein neuerliches Baugesuch vom 12. Juni 2003 (betreffend ein Wohn- und Geschäftshaus mit einer zweigeschoßigen Tiefgarage, einem Erdgeschoß und maximal sechs Obergeschoßen mit insgesamt 63 Wohnungen ) ein, das sich vom früheren Baugesuch (vom 23. März 1998) dadurch unterscheidet, dass die Zufahrt zur projektierten zweigeschoßigen Tiefgarage über eigene Rampen auf dem Baugrundstück erfolgen soll.

In der behördeninternen Vorbegutachtung vom 6. August 2003 wird unter anderem darauf verwiesen, dass im örtlichen Raumordnungskonzept für den fraglichen Bereich keine besonderen Festlegungen getroffen worden seien. Gemäß dem Flächenwidmungsplan IN-F1, in Kraft seit 27. April 1999, sei das Baugrundstück als Kerngebiet gewidmet. Es bestehe der Bebauungsplan Nr. 113/2, in Kraft seit 24. April 1980. Für das Vorhaben seien 126 Stellplätze erforderlich, die auch in der zweigeschoßigen Tiefgarage vorgesehen seien. In dieser Stellungnahme heißt es unter anderem auch, dass bei dem 1998 zur Genehmigung eingereichten Projekt die Tiefgarage über die bestehende Zufahrtsrampe der östlich gelegenen Nachbartiefgarage erschlossen worden wäre. Nunmehr sei vorgesehen, eigene Tiefgaragenauffahrts- und Abfahrtsrampen, getrennt hintereinander, entlang der nordöstlichen Grundgrenze liegend und unmittelbar neben der bestehenden Ein- und Ausfahrtsrampe des benachbarten Wohn- und Geschäftshauses (Anm: auf dem Grundstück Nr. 269/1) zu errichten. Die geplante Abfahrtsrampe sei nicht überdacht und liege im Hof des Baublockes. Die offene Auffahrtsrampe liege innerhalb des Hauptgebäudes. Die Errichtung eigener Rampen stelle gegenüber dem früheren Projekt aus dem Jahr 1998 eine Verschlechterung dar. Die zu erwartenden Emissionen und Lärmbelästigungen auf- und abfahrender Fahrzeuge führten zu Beeinträchtigungen der "angrenzenden Bewohner" sowie zu einer allgemeinen Verschlechterung des äußeren Erscheinungsbildes. Aus stadtplanerischer Sicht seien Maßnahmen zu überlegen, die sowohl zu einer gestalterischen Verbesserung führten als auch die Beeinträchtigungen gegenüber Nachbarn bzw. "dortigen Bewohnern" in Grenzen hielten (beispielsweise Einhausung).

Das Vorhaben wird aus stadtplanerischer Sicht positiv beurteilt.

In einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme vom 8. Oktober 2003 führte der Amtssachverständige für Stadtplanung zusammengefasst ergänzend aus, das Projekt mit der Lückenschließung der Blockrandbebauung am I und der nach Süden orientierten Hofbebauung stelle keinen Widerspruch zu den aktuellen städtebaulichen Planungsintentionen dar, weil eine grundsätzliche Freihaltung der Innenhöfe nicht realistisch sei. Überlegungen hinsichtlich einer alternativen Baustruktur und Situierung hätten kein überzeugendes Konzept ergeben, sodass auch aus heutiger Sicht die im bestehenden Bebauungsplan vorgesehene Baukörperfestlegung in Anbetracht der örtlichen Gegebenheiten eine städtebaulich noch vertretbare Lösung darstelle. Darüber hinaus stehe die geplante Bebauung nicht im Widerspruch zu dem am 6. Dezember 2002 in Kraft getretenen örtlichen Raumordnungskonzept. Dieses Konzept lege für den fraglichen Bereich Folgendes fest: "Innerstädtische Kernzone mit Wohnen, D3 - höhere Dichte (GFD 1,5 bis >2,0), Geschoßwohnungsbau, blockartige halboffene Bebauung, Blockrandbebauung, blockfüllende Bebauung". Das Projekt entspreche somit dem örtlichen Raumordnungskonzept. Die geplante Bebauung laufe im Sinne des § 113 Abs 2 lit. a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 (TROG 2001) einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung nicht zuwider. Weiters gewährleiste der Neubau eine zweckmäßige und bodensparende Bebauung des betreffenden Grundstückes im Sinne des § 113 Abs. 2 lit. c leg. cit. Aus dem weiteren Verfahrensgang ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer rechtzeitig vor bzw. in der Bauverhandlung vom 24. November 2003 umfangreiche Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben, so insbesondere, dass diesem Vorhaben im Hinblick auf den zurückweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 23. Dezember 2002 das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen stehe und die Grundgrenze zum Grundstück Nr. 269/1 strittig sei, sodass keine gesicherten Bauplatzgrenzen bestünden; überdies sei dadurch, dass ein Teil des benachbarten Hauses I 15 grenzüberschreitend auf dem nunmehr zu bebauenden Grundstück errichtet worden sei, davon auszugehen, dass die "Miteigentümergemeinschaft I 15" Eigentum an der überbauten Fläche erworben habe. Das geplante Vorhaben nehme daher Grundeigentum der Nachbarn in Anspruch, ohne dass sie hiezu ihre Zustimmung erteilt hätten. Weiters lägen die Voraussetzungen des § 113 Abs. 2 TROG 2001 nicht vor, das eingeholte Gutachten sei unzutreffend (zumal es mit dem früheren Gutachten zum Vorprojekt im Widerspruch stehe); durch die geplante Tiefgaragenauffahrts- und Abfahrtsrampe entstünden Immissionen, die im Widerspruch zu § 40 Abs. 1 TROG 2001 stünden. Das Vorhaben widerspreche auch den Erfordernissen des Brandschutzes, und halte überdies die erforderlichen Mindestabstände nicht ein.

In einer behördeninternen Besprechung, an der auch der Amtssachverständige der Bau- und Feuerpolizei teilnahm, wurde unter anderem festgehalten, dass die Abfahrtsrampe zur Tiefgarage nunmehr massiv (mit einer Stahlbetondecke) überdacht und extensiv begrünt werde; ein Tekturplan werde unverzüglich beigebracht. Obzwar seitens des feuerpolizeilichen Sachverständigen auch bei einer nicht überdachten Rampe keine brandschutztechnischen Bedenken bestünden, sei somit auch der diesbezügliche Einwand obsolet, zumal diese Variante aus der Sicht der Bau- und Feuerpolizei eine Verbesserung darstelle. Die Tiefgarage inklusive Zu- und Abfahrtsrampe weise keine Abgas- und Abluftmündungen auf, "diese erfolgen alle über das Hauptdach". Hinsichtlich der Mindestabstände nach der TBO 2001 sei festzustellen, dass dieses Bauansuchen höhen- und lagemäßig völlig mit dem früheren Bauansuchen ident sei und somit die im erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Juni 1998 angeführten Berechnungen nach wie vor aufrecht seien.

Im Plan betreffend das Erdgeschoß wurde eine entsprechende Änderung bei der Rampe (Einhausung) ersichtlich gemacht und mit 5. Dezember 2003 datiert.

In einer Stellungnahme vom 15. Dezember 2003 an die Bauwerberin zur Frage des strittigen Grenzverlaufes heißt es, die Bauwerberin habe seinerzeit auf dem Grundstück Nr. 269/1 einen Komplex im Wohnungseigentum errichtet. Es sei damals unterlassen worden, die Grenze zwischen diesem und dem Baugrundstück "neu zu vermessen". Der auf dem Grundstück Nr. 269/1 errichtete Baukörper rage nunmehr in das Baugrundstück hinein. Zur einvernehmlichen Lösung sei über Veranlassung der Bauwerberin eine Vermessungsurkunde vom 25. März 1998 erstellt worden. Es habe dann auch eine Vereinbarung mit den Miteigentümern getroffen werden sollen, wonach demgemäß ein Teil des Baugrundstückes an die Eigentümer des Grundstückes Nr. 269/1 übertragen werden solle. Dieser Vertrag sei aber nicht zu Stande gekommen. Dementsprechend stehe den Miteigentümern des Grundstückes Nr. 269/1 auch kein Miteigentumsrecht am Baugrundstück zu. Ein Erwerb durch Bauführung auf fremdem Grund gemäß den §§ 417 und 418 ABGB komme nicht in Frage, weil das benachbarte Gebäude von der Bauwerberin auf eigenem Grund selbst in eigenem Namen und auf eigene Rechnung errichtet worden sei. Bauherr sei somit die nunmehrige Bauwerberin als Bauträger gewesen, den Wohnungseigentumswerbern und späteren Wohnungseigentümern sei keine "Bauherreneigenschaft" zugekommen.

Am 18. Dezember 2003 legte die Bauwerberin der Behörde geänderte Lagepläne vor.

Sodann erging eine ergänzende Stellungnahme der für Stadtplanung zuständigen Magistratsabteilung vom 22. Dezember 2003, in der es unter anderem heißt, die Versuche und Bemühungen, unter Berücksichtigung der vorhandenen Parzellen- als auch Baustruktur im fraglichen Baublock eine alternative Bebauung bzw. bessere städtebauliche Lösung zu finden und in der Folge den Bebauungsplan bzw. Aufbauplan zu ändern, hätten zu keinem Ergebnis geführt. Wie die Erhebungen ergeben hätten, habe auch "die Politik" einer Änderung des Bebauungsplanes bzw. Aufbauplanes nicht zugestimmt. Im Gegensatz zu Blockrandbebauungen außerhalb des engeren Stadtzentrums, bei denen die Hoffreihaltung als übergeordnete städtebauliche Zielsetzung formuliert sei, erscheine bei den innerstädtischen Baublöcken auch unter Bedachtnahme wirtschaftlicher Aspekte die vorgesehene Verdichtung im Hofbereich im Sinne der Planungsintention vertretbar. Zum Vorwurf, dass das Gutachten vom 8. Oktober 2003 im Widerspruch zum früheren Gutachten der Stadtplanung stehe, sei Folgendes anzuführen: Die Ziele der örtlichen Raumordnung seien besonders im erwähnten Zeitraum relativiert worden. Im Zuge der Ausarbeitung des örtlichen Raumordnungskonzeptes seien die im seinerzeitigen Stadtentwicklungskonzept festgelegten Ziele überprüft und neu formuliert worden. Ein Leitziel für die räumliche Entwicklung der Stadt sei die Vorsorge für eine zweckmäßige und bodensparende Bebauung. Dies bedeute, dass vorhandene Baulandreserven vorrangig zu mobilisieren und auszuschöpfen seien und bereits bebaute Gebiete verdichtet und "umgenutzt" werden sollten (wurde näher ausgeführt). Die in der Stellungnahme vom 6. April 1998 festgehaltenen Einwände gegen das Projekt seien aus heutiger Sicht nicht mehr tragbar.

In weiterer Folge erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Innsbruck mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 22. April 2004 die angestrebte Baubewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen; die Behörde erachtete (in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) die Einwendungen der Beschwerdeführer als unbegründet.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer (in verschiedenen Schriftsätzen) Berufungen, die mit dem nun angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurden.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, die Bebauung solle entsprechend den im Bebauungsplan Nr. 113/2 dargestellten Festlegungen (als Ziel der örtlichen Raumordnung) erfolgen, welche zum I hin eine Baufluchtlinie festlegten, die identisch mit der Straßenfluchtlinie verlaufe, und in der damals festgelegten besonderen Bauweise die Situierung der Gebäude bestimme. Darüber hinaus gliedere sich das Bauvorhaben entsprechend den Festlegungen dieses Bebauungsplanes in Bereiche mit verschiedenen Wandhöhen und Vollgeschoßzahlen. Das örtliche Raumordnungskonzept für die Stadtgemeinde Innsbruck sei am 6. Dezember 2002 wirksam geworden. Eine Änderung des bestehenden Flächenwidmungsplanes im Sinne des § 107 TROG 2001 sei nicht vorgenommen worden. Der seit 24. April 1980 bestehende Bebauungsplan Nr. 113/2 lege inhaltlich zwar Straßenfluchtlinien fest, enthalte jedoch hinsichtlich der möglichen bzw. gewünschten Bebauung keine Mindestbaudichten. Diesbezüglich stehe dieser Bebauungsplan (Verbauungsplan), auch wenn andere Festlegungen durchaus mit möglichen Festlegungen des TROG 2001 vergleichbar seien, im Widerspruch, weshalb gemäß § 112 Abs. 1 TROG 2001 darauf nicht Bedacht zu nehmen sei. Aus den schlüssigen stadtplanerischen Gutachten ergebe sich, dass das Vorhaben die Vorgaben des § 113 Abs. 2 lit. a einhalte, demnach einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung nicht zuwiderlaufe (wurde näher ausgeführt).

Entgegen den in den Berufungen vertretenen Auffassungen sei dem Verfahren ein brandschutztechnischer Sachverständiger beigezogen worden. Sowohl der Vertreter der Bau- und Feuerpolizei als auch der zuständige Sachverständige der Berufsfeuerwehr hätten Befund und Gutachten erstellt. Durch die Aufnahme der von diesen Sachverständigen genannten Auflagen in den erstinstanzlichen Bescheid sei sichergestellt, dass das Vorhaben den brandschutztechnischen Vorschriften entspreche, insbesondere auch deshalb, weil nunmehr die Abfahrtsrampe mit einer Stahlbetondecke überdacht werde.

Das zu bebauende Grundstück sei im Flächenwidmungsplan als Kerngebiet ausgewiesen. Das Vorhaben sei im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung jedenfalls widmungskonform, sodass den Anträgen auf Einholung weiterer Gutachten bezüglich der zu erwartenden Emissionen, der Ruß- und Lärmbelästigungen, Statik und Brandschutz nicht zu entsprechen gewesen sei, zumal einerseits durch die in den erstinstanzlichen Bescheid aufgenommenen Auflagen sowohl Brandschutz als auch Statik des Gebäudes sichergestellt seien, und zum anderen das Vorhaben mit der Widmung Kerngebiet in Übereinstimmung stehe.

Wenn darüber hinaus wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Nichteinhaltung der gesetzlichen Mindestabstände gerügt werde, so könne hiezu auf die detaillierten Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen werden, aus welchen hervorgehe, dass die gesetzlich für Kerngebiet geforderten Mindestgrenzabstände zu allen Seiten hin eingehalten bzw. sogar überschritten würden (Anmerkung: im erstinstanzlichen Bescheid sind entsprechende Berechnungen aus dem erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Juni 1998 betreffend die verschiedenen "Wandhöhen" wiedergegeben). Dazu komme, dass das Vorhaben den Festlegungen des Bebauungsplanes 113/2 hinsichtlich der Festlegungen über die besondere Bauweise entspreche.

Eigentümer des Bauplatzes sei die Bauwerberin. Andere Eigentümer, deren Zustimmung zur Bauführung, wie von den Beschwerdeführer behauptet, erforderlich wären, schienen im Grundbuch nicht auf. Im Übrigen stehe den Nachbarn im Bauverfahren ein Mitspracherecht dahingehend nicht zu, ob die für eine positive Bescheiderledigung erforderlichen Zustimmungserklärungen vorlägen. Das Vorhaben befinde sich zur Gänze auf dem Baugrundstück. Teile des Nachbargrundstückes Nr. 269/1 würden nicht in Anspruch genommen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 23. Juni 2005, B 1213/04-10, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung behalten hat.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), anzuwenden.

§ 25 Abs. 3 TBO 2001 lautet:

"(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit

damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

b) der Bestimmungen über den Brandschutz;

c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich

der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;

d) der Abstandsbestimmungen des § 6."

Im Beschwerdefall ist weiters das Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 (TROG 2001), LGBl. 93 (Wiederverlautbarung), anzuwenden. Die §§ 38 und 40 TROG 2001 lauten auszugsweise (§ 40 Abs. 2, 4 und 5 sind im Beschwerdefall nicht relevant; Abs. 2 betrifft nämlich das allgemeine Mischgebiet, Abs. 4 das Tourismusgebiet, Abs. 5 das landwirtschaftliche Mischgebiet. Die §§ 38 und 40 erhielten ihre - sodann wiederverlautbarte - Fassung durch Art I Z 22 bzw. 26 der Novelle LGBl. Nr. 73/2001; nach Art II Abs. 3 dieser Novelle sind diese Fassungen auch auf die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Novelle bestehenden oder bereits beschlossenen Widmungen anzuwenden, demnach auch im Beschwerdefall maßgeblich).

"§ 38

Wohngebiet

(1) Im Wohngebiet dürfen errichtet werden:

a) Wohngebäude,

b) Gebäude, die der Unterbringung von nach § 12 Abs. 1

lit. b zulässigen Ferienwohnungen oder der Privatzimmervermietung

dienen,

c) Gebäude, die neben Wohnzwecken im untergeordneten

Ausmaß auch der Unterbringung von Büros, Kanzleien, Ordinationen

und dergleichen dienen,

d) Gebäude für Betriebe und Einrichtungen, die der

täglichen Versorgung oder der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.

(2) Im Wohngebiet können Grundflächen als gemischtes Wohngebiet gewidmet werden. Im gemischten Wohngebiet dürfen neben den im Abs. 1 genannten Gebäuden auch öffentliche Gebäude, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Gebäude für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit höchstens 40 Betten und Gebäude für sonstige Kleinbetriebe errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.

(3) ...

§ 40

Mischgebiete

(1) Mischgebiete sind das allgemeine Mischgebiet, das Kerngebiet, das Tourismusgebiet und das landwirtschaftliche Mischgebiet. In den Mischgebieten dürfen nach Maßgabe der Abs. 2 bis 5 nur Gebäude errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, nicht wesentlich beeinträchtigen. Gebäude für Anlagen von Betrieben im Sinn des § 1 Abs. 2 lit. e dürfen in Mischgebieten nicht errichtet werden.

(2) ...

(3) Im Kerngebiet dürfen die im gemischten Wohngebiet zulässigen Gebäude und Gebäude für Gastgewerbebetriebe, für Veranstaltungs- und Vergnügungsstätten, wie Theater, Kinos und dergleichen, sowie für sonstige Betriebe und Einrichtungen, die der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung dienen, errichtet werden.

(4) ..."

Die Beschwerdeführer machen zunächst, wie im Verwaltungsverfahren, geltend, dem nunmehrigen Vorhaben stehe im Hinblick auf den Bescheid der belangten Behörde vom 23. Dezember 2002 das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Mit dem Bescheid vom 23. Dezember 2002 wurde nämlich das seinerzeitige Baugesuch deshalb zurückgewiesen, weil einem Verbesserungsauftrag, die Zustimmung aller Miteigentümer der Garagenrampe auf dem Nachbargrundstück (die für das Vorhaben mitverwendet werden sollte) beizubringen, nicht entsprochen wurde. Das nunmehrige Vorhaben sieht aber die Errichtung eigenständiger Rampen auf dem Baugrundstück vor, womit schon deshalb ein rechtlich entscheidend anders gelagerter Sachverhalt gegeben ist.

Die Beschwerdeführer machen weiters geltend, eine Zustimmung der Miteigentümer des Grundstückes Nr. 269/1 zur Bauführung liege nicht vor. Die Elft- bis Dreizehntbeschwerdeführer seien neben der Bauwerberin (außerbücherliche) Miteigentümer des Bauplatzes gemäß ihres Eigentumserwerbes nach den §§ 417 ff ABGB.

Nun trifft es zu, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit diesem Aspekt nicht auseinander gesetzt bzw. verkannt hat, was damit gemeint war. Es entspricht nämlich dem Wesen des außerbücherlichen Eigentumserwerbes, dass hiezu eine Verbücherung nicht erforderlich ist, womit das Argument der belangten Behörde, andere Personen, als die Bauwerberin, schienen im Grundbuch nicht auf, aus diesem Blickwinkel nicht zielführend ist. Die Beschwerdeführer verkennen aber, dass der durch einen solchen Grenzüberbau allenfalls bewirkte Eigentumserwerb hier keineswegs das gesamte Baugrundstück erfassen kann, sondern nur die überbaute Grundfläche und allenfalls zur bestimmungsgemäßen Benützung unentbehrliche mitbeanspruchte Flächen (siehe dazu Spielbüchler in Rummel I3, § 418 Rz 4); der Erwerb von Miteigentum am gesamten Baugrundstück käme daher nicht in Betracht.

Jedenfalls zeigen die Beschwerdeführer nicht auf, dass das Vorhaben auf Flächen realisiert werden sollte, an denen ein solcher außerbücherlicher Eigentumserwerb in Betracht kommen könnte, also auf den vom Grenzüberbau betroffenen Flächen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die vorgelagerte Frage, ob ein solcher außerbücherlicher Eigentumserwerb überhaupt in Frage kommen kann, wenn jemand, wie von der Bauwerberin behauptet, sein eigenes Grundstück überbaut (hier: einen Teil des nunmehrigen Baugrundstückes aus Anlass der Bebauung des Grundstückes Nr. 269/1) und anschließend am errichteten Gebäude Wohnungseigentum begründet wird und die Anteile sukzessive abverkauft werden, somit Miteigentum entsteht.

Die belangte Behörde hat die Einholung von Gutachten zu den von den Beschwerdeführern befürchteten Immissionen mit der Begründung abgelehnt, das Vorhaben entspreche der Flächenwidmung. Damit verkannte sie den Regelungsinhalt des § 40 Abs. 1 TROG 2001, wenngleich es richtig ist, dass das Vorhaben grundsätzlich der Widmung "Kerngebiet" entspricht. Nach § 40 Abs. 1 leg. cit. dürfen aber in den Mischgebieten, demnach auch im Kerngebiet, nur Gebäude errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, nicht wesentlich beeinträchtigen. Demnach ist eine Prüfung der Auswirkungen des konkreten Vorhabens erforderlich, mag es auch grundsätzlich der Flächenwidmung entsprechen. Anders gewendet: Ein Vorhaben, das den Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 TROG 2001 entspricht, kann dennoch im Hinblick auf die in Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Auswirkungen unzulässig sein. Dass die Fahrtbewegungen, die mit einer Garage mit 126 Stellplätzen verbunden sind, geeignet sein könnten, solche Beeinträchtigungen hervorzurufen, ist evident (worauf schon in der Vorbegutachtung vom 6. August 2003 verwiesen wurde). Dabei darf nicht übersehen werden, dass zwar die Abfahrtrampe eingehaust werden soll, nicht aber der zwischen der Abfahrtrampe und dem straßenseitigen "Hauptgebäude" gelegene, ebenerdig verlaufende Teil der Zufahrt.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG ohne Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. April 2006

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