VwGH 2005/05/0146

VwGH2005/05/014631.7.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. des Roman Wenzl und 2. der Gertrude Wenzl, beide in St. Pölten, beide vertreten durch Dr. Karl Trindorfer, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Hauptplatz 15/II, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. März 2005, Zl. RU1- V-03068/01 (hinsichtlich des Vornamens des Erstbeschwerdeführers idF des Berichtigungsbescheides vom 5. April 2005), betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Ernst Mischak, 2. Erna Mischak, beide in 3110 Neidling, Doppelgraben 10; 3. Gemeinde Neidling, vertreten durch Dr. Friedrich Nusterer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 1.171,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 12. Juli 2001 beantragten der Erst- und die Zweitmitbeteiligte (in der Folge: Bauwerber) die Erteilung der Baubewilligung u.a. für die Änderung des auf einem näher genannten Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde bestehenden Nebengebäudes (Schuppen). Nach den Einreichunterlagen war der Teilabbruch des konsenslos errichteten Dachgeschoßes, der Einbau einer Toröffnung, eine neue Deckenkonstruktion sowie Dachkonstruktion vorgesehen.

Mit Mitteilung vom 12. Oktober 2001 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde u.a. die Beschwerdeführer von dem geplanten Umbau des bestehenden Nebengebäudes in Kenntnis und teilte dazu mit, dass die von der Baubehörde am 26. September 2001 durchgeführte Vorprüfung ergeben habe, dass durch das Bauvorhaben Nachbarrechte nach § 6 Abs. 2 und 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (in der Folge: BO) nicht berührt würden, weshalb eine Bauverhandlung zu entfallen habe.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2001 sprachen sich hierauf die Beschwerdeführer mit Einwendungen u.a. betreffend Bauwich, Brandschutz und Immissionen hinsichtlich Hitze, Rauch, Ruß und Abgase gegen die Erteilung der Baubewilligung für das Bauvorhaben "Umbau des bestehenden Nebengebäudes" aus und beantragten Akteneinsicht im Baubewilligungsverfahren, welche ihnen verwehrt worden sei.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2002 ergänzten die Bauwerber ihr Bauansuchen vom 12. Juli 2002 dahingehend, dass nunmehr auch die Bewilligung für die Erhöhung des bestehenden Nebengebäudes von 2,40 m auf 3,00 m beantragt wurde.

In der Folge erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 26. Juni 2002 den Bauwerbern die mit den Schreiben vom 12. Juli 2001 und vom 20. Juni 2002 beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung mehrerer Auflagen.

Mit Schreiben vom 26. August 2002 beantragten die Beschwerdeführer die Zustellung des Baubewilligungsbescheides sowie die Feststellung ihrer Parteistellung im Baubewilligungsverfahren und wiederholten ihre bislang erhobenen Einwendungen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 20. Februar 2003 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 29. Oktober 2001 sowie vom 26. August 2002 zurückgewiesen. In der Begründung wurde zusammengefasst neuerlich auf das Ergebnis der Vorprüfung verwiesen, wonach Nachbarrechte im Sinne des § 6 Abs. 2 und 3 BO durch das Bauvorhaben nicht berührt würden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen machten sie darin noch Einwendungen hinsichtlich der Höhe des Nebengebäudes und der Nichteinhaltung des Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes geltend.

Die Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 8. Oktober 2003 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung keine Folge. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass ein eingeschoßiger Schuppen an der Grundgrenze dem Rechtsbestand angehöre. Durch die Erhöhung des Schuppens werde der Bauwich als vorgeschriebener Mindestabstand eines Gebäudes zu den Grundstücksgrenzen oder zur Straßenfluchtlinie nicht verändert. Die gesetzlichen Voraussetzungen über die Errichtung von Nebengebäuden im seitlichen Bauwich würden durch das gegenständliche Projekt erfüllt. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit die Erhöhung des Schuppens die Ein- und Ausfahrt der Nachbargrundstücke behindern könne. Dem Nachbarn stehe hinsichtlich des Brandschutzes nur dort ein Mitspracherecht zu, wo durch die Ausgestaltung des Bauvorhabens selbst eine Brandbelastung anzunehmen sei. Hinsichtlich der Ausgestaltung der zu erhöhenden Außenmauer an der seitlichen Grundgrenze seien keine Einwendungen erhoben worden. Das Projekt sehe den Abbruch des bestehenden Kamins sowie die ausschließliche Nutzung des Erdgeschoßes des Schuppens als Lagerräume vor. Die Errichtung einer Feuerstelle sei nicht projektiert. Eine Immissionsbeeinträchtigung der Nachbarn durch Hitze, Rauch, Ruß und Abgase sei daher nicht möglich. Die Parteistellung der Beschwerdeführer sei am eingereichten Bauvorhaben (Umbauprojekt) zu messen. Die Beschwerdeführer würden durch das gegenständliche Umbauprojekt des an der Grundgrenze stehenden Schuppens nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten berührt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgebenden Bestimmungen der BO lauten auszugsweise:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

...

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn),

...

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind. ...

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

...

§ 22 Entfall der Bauverhandlung

(1) Ergibt die Vorprüfung (§ 20), daß das geplante Vorhaben keine Rechte nach § 6 Abs. 2 und 3 berührt, dann entfällt die Bauverhandlung. Die Baubehörde hat diese Feststellung 14 Tage vor Erteilung der Baubewilligung den Nachbarn (§ 6 Abs. 1 Z. 3 und 4) und dem Straßenerhalter (§ 6 Abs. 3) mitzuteilen. Durch die Mitteilung werden keine Nachbarrechte begründet. ..."

Zunächst ist festzuhalten, dass im Beschwerdeverfahren lediglich die Frage zu beurteilen ist, ob die Parteistellung der Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren zu Recht verneint wurde.

Die Beschwerdeführer weisen in diesem Zusammenhang in der Beschwerde zutreffend darauf hin, dass die Wortfolge in § 6 Abs. 1

BO "wenn sie ... in den .... subjektiv-öffentlichen Rechten

berührt sind" im Sinne von " ... verletzt werden können" zu

verstehen ist. Bei der Beurteilung der Parteistellung eines Nachbarn kommt es nämlich nur auf die konkrete Möglichkeit der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes an; dass eine solche Verletzung im Ergebnis dann nicht eintritt, ist ein Zweck des Baubewilligungsverfahrens (vgl. Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 7. Auflage, S. 151; ebenso zu § 22 Abs. 1 BO S. 357; vgl. auch z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 89/05/0240). Die tatsächliche Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer ist also nicht Voraussetzung der Parteistellung.

Im vorliegenden Fall ist u.a. die Erhöhung des bestehenden Nebengebäudes von 2,40 m auf 3,00 m projektgegenständlich. Da nach der BO Vorschriften über die Gebäudehöhe ein subjektives Recht vermitteln (vgl. § 6 Abs. 2 Z 3 BO), hätte es einer Auseinandersetzung damit bedurft, weshalb trotz dieser erst am 20. Juni 2002 beantragten Erhöhung Nachbarrechte der Beschwerdeführer von vornherein nicht verletzt werden können. Eine entsprechende Darlegung dazu ist weder den im Verfahren ergangenen Bescheiden noch der Aktenlage zu entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus der inhaltlichen Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer zu den - im Übrigen ohne Kenntnis des konkreten Projektes - behaupteten Verletzungen subjektiv-öffentlicher Rechte, dass sie die Worte "berührt werden" als "verletzt werden" verstanden hat, sodass sie schon dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastete.

In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde auch keine konkreten Feststellungen insbesondere zur Situierung des Grundstückes der Beschwerdeführer und der baulichen Gegebenheiten und Ausnützbarkeiten getroffen, sodass nicht beurteilt werden kann, ob vielleicht in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Nachbarrechten bereits von vornherein unmöglich ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob auch eine Rechtsverletzung dadurch eingetreten ist, dass die Anträge der Beschwerdeführer mit Bescheid des Bürgermeisters vom 20. Februar 2003 (der durch den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 8. Oktober 2003 eine Bestätigung erfahren hat) zurückgewiesen (und nicht abgewiesen) wurden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. Juli 2006

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