VwGH 2005/05/0094

VwGH2005/05/009431.1.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde 1. der DI Regina Reinprecht in Großhöflein und 2. des Dr. Rudolf Ehn in Müllendorf, beide vertreten durch Mag. Valentin Piskernik, Rechtsanwalt in 2380 Perchtoldsdorf, Hochstraße 31, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 2. Februar 2005, Zl. EU-02-04-41-2, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Müllendorf, 7052 Müllendorf, Kapellenplatz 1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Bgld 2003 §84 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Bgld 2003 §84 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. November 2004 wurde die von den Beschwerdeführern in einer Bauangelegenheit eingebrachte Berufung als unbegründet abgewiesen. Nach den im Akt befindlichen Rückscheinen wurde dieser Bescheid den Beschwerdeführern sowie dem Beschwerdeführervertreter jeweils am 30. November 2004 zugestellt.

Die Beschwerdeführer brachten eine ausdrücklich als "fristgerecht" bezeichnete Vorstellung ein. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Vorstellung als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der bekämpfte Berufungsbescheid sei am Dienstag, dem 30. November 2004, zugestellt worden. Auf Grund des gut lesbaren Poststempels auf dem Kuvert, mit dem die Vorstellung eingebracht worden sei, sei diese am Mittwoch, dem 15. Dezember 2004, zur Post gegeben worden. Die Vorstellung hätte nur dann als fristgerecht eingebracht gegolten, wenn sie am letzten Tag der Frist (am 14. Dezember 2004) zur Post gegeben worden wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, die Abfertigung der fristgebundenen Schriftstücke erfolge durch die Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführer so, dass noch vor der Unterfertigung durch den Beschwerdevertreter zu den als "Einschreiben" zur Post zu gebenden Schriftstücken der Aufgabeschein ausgefüllt und zum entsprechenden Schriftstück gelegt werde. In der letzten Zeile des Vordruckes des Aufgabescheines der Österreichischen Post AG werde dabei die Bezeichnung des Aktes und des Schriftstückes hinzugefügt, damit eine zweifelsfreie Zuordnung der Aufgabescheine gewährleistet sei. Nach der Unterfertigung durch den Beschwerdevertreter würden die abzufertigenden Schriftstücke in ein kanzleiinternes Postbuch eingetragen, zur Post gebracht und der bestätigte, selbstklebende Aufgabeschein auf der zugehörigen, für den Akt bestimmten Ausfertigung angebracht. Wie dem in Kopie angeschlossenen und vom Postamt bestätigten Aufgabeschein entnommen werden könne, sei die Vorstellung am 14. Dezember 2004, also fristgerecht, beim Postamt Gumpoldskirchen aufgegeben worden. Wie ein Poststempel mit dem Datum 15. Dezember 2004 auf das Briefkuvert habe gelangen können, sei nicht erklärbar. Der der Mitarbeiterin des Beschwerdevertreters ausgehändigte und mit Poststempel vom 14. Dezember 2004 bestätigte Aufgabeschein trage dieselbe fortlaufende Zahl wie der am Briefkuvert angebrachte Teil des Aufgabescheines. Eine Verwechslung der Aufgabescheine sei daher ausgeschlossen. Zu erwähnen sei, dass sich wenige Tage zuvor bei demselben Postamt eine gleichartige, abweichende Beurkundung des Aufgabedatums auf Aufgabeschein und Briefkuvert ereignet habe. Der Beschwerdevertreter habe das Postamt um Aufklärung gebeten, bislang jedoch keine Antwort erhalten. Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführern die vermeintliche Verspätung vorgehalten, hätten sie entsprechendes Vorbringen erstatten und unter Beweis stellen können, sodass die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung aber dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 1200 unter E 257 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Hat der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsmittel einen Hinweis auf die Rechtzeitigkeit angebracht, so gibt dies zu behördlichen Erhebungen über die Rechtzeitigkeit oder Verspätung dieses Rechtsmittels Anlass (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O., S. 1200 unter E 259 zitierte hg. Rechtsprechung).

Es trifft zu, dass auf dem Kuvert, mit dem die Vorstellung eingebracht wurde, der Poststempel vom 15. Dezember 2004 angebracht ist. Der Beschwerdeführer hat einen Abschnitt eines Aufgabescheines mit einem Poststempel vom 14. Dezember 2004 in Kopie vorgelegt. Die auf dieser Kopie ersichtliche vorgedruckte Kombination aus Buchstaben und Ziffern (nach der Beschwerde "fortlaufende Zahl" bezeichnet) stimmt mit jener überein, die sich auf dem am Vorstellungskuvert angebrachten Strichcode befindet.

Es ist daher nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde dann, wenn sie im Sinne der oben zitierten hg. Rechtsprechung den Beschwerdeführern die Verspätung vorgehalten und gegebenenfalls Ermittlungen zur Rechtzeitigkeit durchgeführt hätte, zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. Jänner 2006

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