VwGH 2005/01/0699

VwGH2005/01/069920.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des E, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Mag. Dr. Bernhard Glawitsch und Mag. Ulrike Neumüller-Keintzel, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. September 2005, Zl. Gem(Stb)-425729/6-2005- Mah, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
EMRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. September 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion (Linz) vom 5. September 2003 gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) ausgewiesen worden, nachdem über den Asylantrag des Beschwerdeführers, welcher am 14. Juni 1995 illegal nach Österreich eingereist sei, vom unabhängigen Bundesasylsenat negativ entschieden worden und die beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde erfolglos geblieben sei. Die Ausweisung des Beschwerdeführers sei damit begründet worden, dass er sich ohne Reisepass und ohne jegliche fremdenrechtliche Bewilligung und somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Das weitere Verfahren habe ergeben, dass in der Verwaltungsstrafkartei mehrere Vormerkungen des Beschwerdeführers aufschienen, die in erster Linie die Straßenverkehrsordnung beträfen. In strafrechtlicher Hinsicht und betreffend die Absicherung seines Lebensunterhaltes sei nichts Nachteiliges erhoben worden.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG sei die Behörde dazu berufen, aus dem bisherigen Verhalten des Staatsbürgerschaftswerbers eine Prognose für sein zukünftiges Verhalten zu stellen. Wie im zitierten Bescheid der Bundespolizeidirektion (Linz) ausgeführt werde, stelle ein unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich grundsätzlich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Besonders schwer wiegend werde die öffentliche Ordnung beeinträchtigt, wenn Fremde nach Abschluss ihres Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht verließen, sondern sich weiterhin in Österreich aufhielten, womit sie versuchten, die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Da der Beschwerdeführer weiterhin in Österreich lebe und auch nicht abzusehen sei, dass er in Zukunft seinen Aufenthalt in irgendeiner Weise legalisiere, sei schon aus diesem Grund eine positive Zukunftsprognose nicht zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, kann die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auf von ihm begangene Straftaten Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2006, Zl. 2004/01/0459, mwN).

Die belangte Behörde hat ihre Prognose gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG alleine auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers nach Beendigung seines Asylverfahrens in Österreich gestützt.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, erheblich beeinträchtigt hat (vgl. das die Ausweisung des Beschwerdeführers betreffende hg. Erkenntnis vom 3. November 2004, Zl. 2004/18/0304, und darüber hinaus zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum hohen Stellenwert der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/21/0141 bis 0144, mwN; im Übrigen gleich lautend zum neuen Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0109, mwN). Es trifft auch zu, dass es für die gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorzunehmende Beurteilung des Gesamtverhaltens auch von Bedeutung ist, welche Zeiten sich der Einbürgerungswerber erlaubt oder unerlaubt in Österreich aufgehalten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1999, Zl. 99/01/0323).

Wenn die belangte Behörde jedoch bei ihrer gebotenen Zukunftsprognose zukünftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers schon deshalb verneinte, weil der Beschwerdeführer "weiterhin in Österreich" lebe und auch nicht abzusehen sei, "dass er in Zukunft seinen Aufenthalt in irgendeiner Weise legalisieren" werde, verkennt sie, dass das dem Beschwerdeführer angelastete Fehlverhalten - worauf die Beschwerde hinweist - gerade durch die beantragte Verleihung der Staatsbürgerschaft beseitigt würde. Eine Prognose nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG müsste daher in Betracht ziehen, inwieweit dieses Fehlverhalten unter Einbeziehung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers einzelfallbezogen den Schluss zulässt, der Beschwerdeführer werde in Zukunft andere zum Schutz der in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter erlassene Vorschriften missachten. Derartige Erwägungen lässt der angefochtene Bescheid ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht zur Gänze vermissen, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 20. September 2006

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