VwGH 2004/10/0213

VwGH2004/10/021315.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Senatspräsidenten Dr. Novak und Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, in der Beschwerdesache der H O in W, vertreten durch Meisterernst Düsing Manstetten Rechtsanwälte in D-48151 Münster, Geiststraße 2 (Einvernehmensrechtsanwalt und Zustellungsbevollmächtigter: Graff Nestl Baurecht Zorn Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Weihburggasse 4), gegen 1. den Bescheid des Vizerektors für Studium und Lehre der Medizinischen Universität Graz vom 28. Mai 2004, Zl. 233, und 2. den Bescheid des Senats der Medizinischen Universität Graz vom 11. Oktober 2004, Zl. 233, betreffend Zulassung zum Diplomstudium der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Graz, den Beschluss gefasst:

Normen

11997E012 EG Art12;
11997E149 EG Art149;
11997E150 EG Art150;
62003CJ0147 Kommission / Österreich;
EURallg;
UniStG 1997 §36 Abs1;
UniversitätsG 2002 §124a idF 2005/I/077;
UniversitätsG 2002 §124b idF 2006/I/074;
UniversitätsG 2002 §65 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
11997E012 EG Art12;
11997E149 EG Art149;
11997E150 EG Art150;
62003CJ0147 Kommission / Österreich;
EURallg;
UniStG 1997 §36 Abs1;
UniversitätsG 2002 §124a idF 2005/I/077;
UniversitätsG 2002 §124b idF 2006/I/074;
UniversitätsG 2002 §65 Abs1;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Aufwandersatz wird nicht zugesprochen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 11. Oktober 2004 wies der mit Berufung gegen den (ebenfalls abweisenden) Bescheid des Vizerektors vom 28. Mai 2004 angerufene Senat der Medizinischen Universität Graz den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung zum Diplomstudium der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Graz unter Hinweis auf § 65 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 96/2004, ab. Begründend legte die Behörde dar, gemäß § 65 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 sei zusätzlich zur allgemeinen Universitätsreife die Erfüllung der studienspezifischen Zulassungsvoraussetzungen einschließlich des Rechts zur unmittelbaren Zulassung zum Studium nachzuweisen, die im Ausstellungsstaat der Urkunde, mit der die allgemeine Universitätsreife nachgewiesen wird, bestehen. Der Nachweis eines Studienplatzes sei jedoch nicht zu fordern. Die besondere Universitätsreife sei gegeben, wenn alle besonderen Voraussetzungen für die Zulassung zum Studium vorlägen, die in Verbindung mit der allgemeinen Universitätsreife im Ausstellungsstaat der Urkunde vorgeschrieben würden. Soweit österreichische Reifezeugnisse betroffen seien, handle es sich um die Zusatzprüfungen zur Reifeprüfung, die gemäß der Universitätsberechtigungsverordnung vor der Zulassung zum Studium abzulegen seien. Hinsichtlich der ausländischen Reifezeugnisse sei die Erfüllung der besonderen Universitätsreife durch die Vorlage des Nachweises, dass die Zulassung zum in Österreich beantragten Studium auch im Ausstellungsstaat des Reifezeugnisses tatsächlich und unmittelbar erfolgen könnte, zu belegen. Diese Regelung habe sich schon in der Vorgängerbestimmung des § 36 Universitäts-Studiengesetz gefunden. Mit der Neuregelung sei der konkrete Nachweis eines Studienplatzes als Voraussetzung für die Zulassung entfallen. Das Recht auf die Zulassung (im Ausstellungsstaat des Reifezeugnisses) sei jedoch nach wie vor nachzuweisen. Die Beschwerdeführerin habe die Hürde des in Deutschland herrschenden Numerus-clausus-Systems nicht überwunden. Der Nachweis der tatsächlichen und unmittelbaren Zulassung durch Vorlage eines Zulassungsbescheides der deutschen Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen sei nicht erbracht worden.

Mit der vorliegenden Beschwerde wird beantragt, die Bescheide des Vizerektors für Studium und Lehre der Medizinischen Universität Graz vom 28. Mai 2004 sowie den Bescheid des Senats der Medizinischen Universität Graz vom 11. Oktober 2004 aufzuheben und die Beschwerdeführerin zum Studium der Studienrichtung Humanmedizin zuzulassen. Als Beschwerdepunkt wird u.a. die Verletzung des Rechts auf Zulassung zum ordentlichen Studium geltend gemacht.

Einen mit der Beschwerde verbundenen und in der Folge modifizierten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. September 2005, Zl. AW 2005/10/0029, ab; auf die Begründung dieses Beschlusses wird verwiesen.

Mit der am 27. Oktober 2006 zugestellten Anordnung lud der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeführerin unter Vorhalt der Begründung des Beschlusses vom 16. Oktober 2006, Zl. 2003/10/0140, ein, binnen vier Wochen zur Frage Stellung zu nehmen, ob bzw. inwiefern der (zweit-) angefochtene Bescheid eine noch andauernde Verletzung ihrer Rechte bedeute. Die Beschwerdeführerin nahm nicht Stellung.

Zum erstangefochtenen Bescheid:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges. "Nach Erschöpfung des Instanzenzuges" bedeutet, dass nur letztinstanzliche Bescheide (hier: der zweitangefochtene Bescheid) mit Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden können. Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid ist daher unzulässig; sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Kosten der belangten Behörde betreffend im Beschwerdeverfahren betreffend den erstangefochtenen Bescheid sind nicht entstanden, weil insoweit kein Vorverfahren eingeleitet wurde.

Zum zweitangefochtenen Bescheid:

Der zweitangefochtene Bescheid ist auf § 65 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 96/2004, gestützt, wonach zusätzlich zur allgemeinen Universitätsreife der Nachweis der Erfüllung der im Ausstellungsstaat der Urkunde, mit der die allgemeine Universitätsreife nachgewiesen wird, bestehenden studienrichtungsspezifischen Zulassungsvoraussetzungen einschließlich des Rechtes der unmittelbaren Zulassung zum Studium verlangt wurden. Der Nachweis eines Studienplatzes ist nicht zu fordern.

Mit Urteil vom 7. Juli 2005 (Rs C-147/03 , Kommission/Österreich) stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) unter Bedachtnahme auf die dem § 65 Universitätsgesetz 2002 im wesentlichen gleichlautende (Vorgänger - ) Vorschrift des § 36 Abs. 1 UniStG fest, dass Österreich gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht (resultierend aus den Art. 12, 149 und 150 EGV) verstoßen habe, weil nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen worden seien, um sicherzustellen, "dass die Inhaberinnen und Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Sekundarschulabschlüssen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Inhaberinnen und Inhaber von in Österreich erworbenen Sekundarabschlüssen Zugang zum Hochschul- und Universitätsstudium in Österreich haben." § 36 Abs. 1 UniStG, so der EuGH, sei zwar unterschiedslos auf alle Studierenden anwendbar, aber geeignet, sich stärker auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten auszuwirken als auf österreichische Staatsangehörige, sodass die damit verbundene unterschiedliche Behandlung zu einer mittelbaren Diskriminierung führe. Eine solche sei nur gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhe und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck stehe, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werde. Allerdings sei nicht dargetan worden, "dass ohne § 36 UniStG der Bestand des österreichischen Bildungssystems im Allgemeinen und die Wahrung der Einheitlichkeit der Hochschulbildung im Besonderen gefährdet wären". Die fraglichen Rechtsvorschriften seien daher "mit den Zielen des EG-Vertrages nicht vereinbar".

Der Nationalrat beschloss am 8. Juli 2005 eine Novelle zum Universitätsgesetz 2002 (BGBl. I Nr. 77/2005), die am 29. Juli 2005 in Kraft getreten ist: Gemäß § 124a Universitätsgesetz 2002 ist die Universitätsberechtigungsverordnung (BGBl. II Nr. 44/1998) sinngemäß auch für Reifezeugnisse anzuwenden, die nicht in Österreich ausgestellt wurden, und es wurden die Universitäten gemäß § 124b Universitätsgesetz 2002 ermächtigt, für einen Übergangszeitraum von drei Jahren den Zugang zu den acht vom deutschen Numerus clausus betroffenen Studien durch ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder durch die Auswahl der Studierenden bis längstens zwei Semester nach der Zulassung zu beschränken.

Durch eine weitere Novelle (BGBl. I Nr. 74/2006) wurde § 124b Universitätsgesetz 2002 ergänzt: In § 124b Abs. 5 Universitätsgesetz 2002 wurde die Ermächtigung der Bundesministerin oder des Bundesministers normiert, durch Verordnung jene Studien (innerhalb der Gruppe der von Zugangsbeschränkungen in Deutschland betroffenen Studien) festzulegen, bei denen ein erhöhter Zustrom von Inhaberinnen und Inhabern nicht in Österreich ausgestellter Reifezeugnisse zu einer schwer wiegenden Störung der Homogenität des Bildungssystems führt. Zum Schutz der Homogenität des Bildungssystems in den in der Verordnung genannten Studien sind - unbeschadet des Auswahlverfahrens - 95 v.H. der jeweiligen Gesamtstudienplätze für Studienanfängerinnen und Studienanfänger den EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern (und ihnen im Hinblick auf den Studienzugang gleich gestellte Personen) vorbehalten. 75 v.H. der jeweiligen Gesamtstudienplätze für Studienanfängerinnen und Studienanfänger stehen den Inhaberinnen und Inhabern in Österreich ausgestellter Reifezeugnisse zur Verfügung.

"Die besondere Universitätsreife gemäß § 65 UG 2002" - so die Gesetzesmaterialien (AB, 1308 Blg. NR, 22. GP, Seite 3) - "findet auf Inhaberinnen und Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Reifezeugnissen keine Anwendung mehr, soweit diese kraft unmittelbare Wirkung entfaltendem Gemeinschaftsrecht das Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang zur allgemeinen und beruflichen Bildung haben. In diesen Fällen wird § 65 UG 2002 nämlich von den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes verdrängt." Entsprechend der vom EuGH in seinem Urteil vom 7. Juli 2005 vorgenommenen Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechtes seien daher "Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Sekundarschulabschlüssen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Inhaberinnen und Inhaber von in Österreich erworbenen Sekundarschulabschlüssen zu Hochschul- und Universitätsstudium in Österreich zuzulassen."

Mit Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, BGBl. II Nr. 238/2006 idF BGBl. II Nr. 345/2006, wurde festgelegt, dass u.a. im Diplomstudium Humanmedizin an der Medizinischen Universität Graz eine schwer wiegende Störung der Homogenität des Bildungssystems vorliege (§ 1 der VO).

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss für gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist § 33 Abs. 1 VwGG allerdings nicht auf Fälle formeller Klaglosstellung beschränkt. Vielmehr kann eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. den hg. Beschluss vom 29. Juni 2006, Zl. 2004/10/0083 und die dort zitierte Vorjudikatur). Ein solcher Fall liegt hier vor. Wie dargestellt haben nämlich die Regelungen der §§ 124a und 124b Universitätsgesetz die Zulassung von Studierenden mit einem in Deutschland ausgestellten Reifezeugnis zum Studium in Österreich auf eine neue Grundlage gestellt. Eine Zulassung der Beschwerdeführerin zum Studium der Humanmedizin in Österreich ist nunmehr (bloß) von der Erfüllung der hier normierten Voraussetzungen abhängig. Von der Notwendigkeit, diese Voraussetzungen zu erfüllen, wäre die Beschwerdeführerin aber auch im Falle einer Behebung des angefochtenen Bescheides nicht entbunden. Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin insbesondere nicht "in den Stand des Jahres 2004" versetzen (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 26. September 2005, Zl. AW 2005/10/0029). Andererseits entfaltet die der Beschwerdeführerin - unter der Geltung der früheren Rechtslage - für das Sommersemester 2004 verweigerte Zulassung zum Studium der Humanmedizin keine bindende Wirkung für die Entscheidung über einen allfälligen nunmehrigen Zulassungsantrag. Insoweit macht es für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin daher keinen Unterschied, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder nicht (vgl. zum Ganzen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2006, Zl. 2003/10/0140).

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde räumen einer Partei keinen Anspruch auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden an sich ein, sondern nur einen Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 4. November 2002, Zl. 2000/10/0191, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Zufolge des Wegfalls eines rechtlichen Interesses des Beschwerdeführers an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes war die vorliegende Beschwerde daher im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren hierüber einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegen die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall ist (angesichts der Darlegungen im hg. Beschluss vom 26. September 2005, Zl. AW 2005/10/0029) keineswegs ohne weiteres und daher nicht ohne unverhältnismäßigen Prüfungsaufwand zu ersehen, welchen Ausgang das verwaltungsgerichtliche Verfahren genommen hätte, wäre die Beschwerde nicht gegenstandslos geworden. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt daher nach freier Überzeugung, dass ein Kostenzuspruch weder an die Beschwerdeführerin noch an die belangte Behörde stattfindet.

Wien, am 15. Dezember 2006

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