Normen
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Oktober 2004 wurden der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 StbG (Spruchpunkt I.) sowie die Anträge auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf die Zweitbeschwerdeführerin und ihre beiden minderjährigen Kinder gemäß § 18 StbG abgewiesen (Spruchpunkt II.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Erstbeschwerdeführer halte sich nachweislich seit 28. März 1990 ununterbrochen im Bundesgebiet auf und sei mit seiner Familie seit 18. Jänner 1999 in Österreich mit Hauptwohnsitz aufrecht gemeldet. Der Erstbeschwerdeführer sei in strafrechtlicher und verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht wegen folgender Vergehen bzw. Übertretungen vorgemerkt:
1. Mit Urteil vom 31. Juli 1997 sei der Erstbeschwerdeführer wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 80 Tagessätzen zu je S 30,-- verurteilt worden; diese Geldstrafe sei gemäß § 43 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden. Der Erstbeschwerdeführer habe in Begleitung türkischer "Landsmänner" am 23. Juni 1997 am Areal des Vergnügungsparkes in I. an einer Rauferei teilgenommen. Im Zuge dieser tätlichen Auseinandersetzung seien zwei Personen verletzt worden.
2. Mit Urteil vom 9. Dezember 1999 sei der Erstbeschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB mit einer Geldstrafe in der Höhe von 90 Tagessätzen zu je S 280,-- bestraft worden. Gemäß § 494a StPO sei vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum erstgenannten Urteil abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden. Am 5. Mai 2000 sei der Tagessatz mit je S 30,-- neu bemessen worden. Der Erstbeschwerdeführer habe einen türkischen "Landsmann" am 10. Oktober 1999 auf einer öffentlichen Straße in Innsbruck im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung leicht verletzt.
3. Mit Straferkenntnis vom 12. Februar 2003 sei der Erstbeschwerdeführer wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nach § 5 Abs. 1 StVO mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 990,-- bestraft worden. Der Erstbeschwerdeführer habe im Stadtgebiet von I. am 26. Jänner 2003 um 22.45 Uhr einen Personenkraftwagen gelenkt und sei von einem Sicherheitswachebeamten zum Zwecke einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle angehalten worden. Nachdem beim Erstbeschwerdeführer eindeutige Alkoholsymptome (deutlicher Geruch der Atemluft nach Alkohol und deutliche Rötung der Bindehäute) festgestellt worden seien, sei ein Alkoholgehalt der Atemluft von mehr als 0,60 mg pro Liter (0,69 mg/l bzw. 0,62 mg/l) gemessen und dem Erstbeschwerdeführer mit Bescheid vom 29. Jänner 2003 die Lenkerberechtigung für die Dauer von sechs Monaten entzogen worden. Weiters sei dem Erstbeschwerdeführer aufgetragen worden, beim Kuratorium für Verkehrssicherheit einen "Einstellungs- und Verhaltenstrainingskurs" zu absolvieren. Diesen habe er im Zeitraum vom 2. Juni 2003 bis 26. Juni 2003 besucht und erfolgreich abgeschlossen. Nach Ablauf der Probezeit und nach erfolgreichem Besuch des "Einstellungs- und Verhaltenstrainingskurses" sei ihm am 14. August 2003 auf Antrag der Führerschein wieder ausgefolgt worden.
Nach Wiedergabe der Stellungnahme des Erstbeschwerdeführers im Verwaltungsverfahren führte die belangte Behörde weiters aus, "bei beiden strafgerichtlichen Verurteilungen" handle es sich durchwegs um solche Verhaltensweisen, die sich auf die Gesundheit und das Leben anderer Menschen negativ auswirkten, wobei Angriffe gegen die körperliche Integrität grundsätzlich zu den gravierenden Rechtsverletzungen bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes zählten. Beide Delikte zeugten von einem Aggressionspotenzial des Erstbeschwerdeführers. Diese Aggressionen hätten sich nach vorausgegangenen verbalen Auseinandersetzungen einerseits in der Teilnahme an einem Raufhandel und andererseits in einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Bekannten geäußert. Beide Vorfälle zeigten, dass der Erstbeschwerdeführer durchaus bereit sei, Konfliktsituationen unter Anwendung von Gewalt zu lösen, wobei entgegen dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers ein spezifisches provokantes Verhalten, das den Erstbeschwerdeführer nachvollziehbar zu seinem Handeln verleiten hätte können, aus den Akten nicht feststellbar sei. Der Umstand, dass die beiden strafgerichtlichen Verurteilungen sieben bzw. fünf Jahre zurücklägen, sei beim Vorliegen zweier gleichartiger Straftaten, bei denen jeweils die körperliche Unversehrtheit anderer angegriffen und verletzt worden sei und die daher als gravierende Rechtsverletzungen anzusehen seien, nicht von Bedeutung, da an sich schon ein längerer Zeitraum verstrichen sein müsse, um ein positives Charakterbild zeichnen zu können. Hinzu komme, dass der Erstbeschwerdeführer seit den letzten strafgerichtlichen Verurteilungen auch durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand eine schwere Verwaltungsübertretung begangen habe. Diese Verhaltensweise sei nicht nur sehr unverantwortlich, sondern stelle auch eine unmittelbare große Gefahr für die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer dar. Der Antragsteller habe dabei eine so hohe Alkoholisierung aufgewiesen, dass ihm der Führerschein entzogen und ein Nachtraining angeordnet worden sei. Dass der Antragsteller - wie vorgebracht - auf Grund der Geburt seines Sohnes ausgiebig gefeiert habe und es deshalb zum Lenken des Fahrzeuges in einem alkoholisierten Zustand gekommen sei, mag zwar eine Erklärung, aber sicherlich kein Grund sein, sein gefährdendes Verhalten und die dabei zum Ausdruck kommende nachlässige Haltung und das mangelnde Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Umwelt entschuldbar zu machen. Der Erstbeschwerdeführer sei erst seit ca. einem Jahr wieder im Besitz des Führerscheines; dieser Zeitraum sei jedenfalls zu kurz, um eine günstige Prognose abgeben zu können. Da die geschilderten Verhaltensweisen die nachlässige und aggressive Einstellung des Erstbeschwerdeführers in außerordentlichen Situationen, insbesondere auch sein mangelndes Verantwortungsbewusstsein gegenüber seinen Mitmenschen, zeigten, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Erstbeschwerdeführer künftig wohl verhalten und wesentliche, zur Abwehr von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen, für die allgemeine Sicherheit sowie für die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Rechtsvorschriften nicht weiter missachten werde, weshalb sein Antrag abzuweisen gewesen sei.
Aus diesem Grund seien auch die Erstreckungsanträge der Zweitbeschwerdeführerin sowie der beiden minderjährigen Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 18 StbG abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
2. Die Beschwerde wendet gegen die Annahme der belangten Behörde, es läge das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vor, im Wesentlichen ein, die belangte Behörde habe im Rahmen der Prüfung der Persönlichkeit des Erstbeschwerdeführers nicht dessen gesamtes Verhalten einbezogen. So habe die belangte Behörde nicht beachtet, dass sich der Erstbeschwerdeführer seit seiner letzten strafgerichtlichen Verurteilung, welche über fünf Jahre zurückliege, bis auf die Verwaltungsübertretung im Jahr 2003 wohl verhalten habe, was eine positive Persönlichkeitsentwicklung des Erstbeschwerdeführers seit der Tatbegehung indiziere. Auch habe die belangte Behörde die näheren Umstände der beiden den Verurteilungen zugrundeliegenden Delikten nicht näher berücksichtigt. So habe der Erstbeschwerdeführer - betreffend seine erste gerichtliche Verurteilung - keineswegs aktiv einen Raufhandel gesucht, sondern lediglich versucht, zwei Streitkontrahenten (einen seiner Freunde und einen unbekannten Mann, der mit der Faust auf seinen Freund eingeschlagen habe) auseinander zu bringen und sei in deren Streit involviert worden. Hinsichtlich der zweiten strafgerichtlichen Verurteilung habe sich der Erstbeschwerdeführer erst nach provokantem Verhalten seines Gegenübers zu der Tat hinreißen lassen. Ebenso habe die Behörde außer Acht gelassen, dass der seinerzeitigen Verwaltungsübertretung wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand die Geburt des Sohnes des Erstbeschwerdeführers vorangegangen sei, was dazu geführt habe, dass der Erstbeschwerdeführer gefeiert und sodann sein Fahrzeug gelenkt habe. Der Erstbeschwerdeführer sei in Österreich voll integriert und es sei ihm mehr als bewusst, dass er seiner Verantwortung gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin und seinen drei minderjährigen Kindern nur entsprechen könne, wenn er sich auch in Zukunft wohl verhalte.
3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ist maßgebend, ob das Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, insbesondere von ihm begangene strafrechtliche Delikte, den Schluss rechtfertigt, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. August 2005, Zl. 2004/01/0444, mwN).
Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit fallen bei der gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zu treffenden Prognose besonders ins Gewicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/01/0570, mwN). Im Allgemeinen ist nach derartigen Straftaten ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens erforderlich, um eine positive Prognose im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gerechtfertigt erscheinen zu lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2005, Zl. 2004/01/0171, mwN).
Wenn die Beschwerde darauf verweist, dass die letzte gerichtliche Verurteilung des Erstbeschwerdeführers schon fünf Jahre zurückliege, so ist darauf hinzuweisen, dass der Erstbeschwerdeführer in diesem Zeitraum (im Jahr 2003) wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verwaltungsstrafrechtlich belangt worden ist. Diese Verwaltungsübertretung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als "gravierender Gesetzesbruch" zu werten (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2002/01/0270, mwN). Daran vermag auch der von der Beschwerde angeführte Umstand, der Erstbeschwerdeführer habe die Geburt seines Sohnes gefeiert, was dazu führte, dass er sein Fahrzeug lenkte, nichts zu ändern.
Auf Grund dieser Verwaltungsübertretung und dem Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer wiederholt Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit begangen hat, kann auch das Vorbringen, der Erstbeschwerdeführer habe lediglich versucht, einen Streit zu schlichten bzw. sei zu der Tat provoziert worden, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen.
Nach dem Gesagten ist es dem Erstbeschwerdeführer nicht gelungen, gegen die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, es sei das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gegeben, Bedenken zu erwecken.
Da gemäß § 18 StbG die Erstreckung der Verleihung gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit dem selben Erwerbszeitpunkt verfügt werden darf, erfolgte auch die Abweisung der Erstreckungsanträge der Zweitbeschwerdeführerin (im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) zu Recht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. Nr. 333.
Wien, am 23. Februar 2006
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