VwGH 2003/21/0193

VwGH2003/21/019319.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 3/6/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 27. August 2003, Zl. FR 756/2000, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen armenischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 und 2 iVm Abs. 2 Z 1 und 7 sowie §§ 37 bis 39 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung verwies sie zunächst auf den erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 18. Juli 2000, in dem das Aufenthaltsverbot (v.a.) auf die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das LG für Strafsachen Graz vom 10. August 1998 wegen §§ 127, 130 erster Fall StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten und seine Mittellosigkeit gestützt wurde, mit der Bemerkung, dass sie sich den Ausführungen in diesem Bescheid vollinhaltlich anschließe.

Der Beschwerdeführer sei - so die belangte Behörde weiter - ledig, habe im Bundesgebiet keine familiären Bindungen und gehe keiner Berufsausübung nach, weshalb sich eine Erörterung erübrige, ob das Aufenthaltsverbot nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten und nach § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Aber selbst bei Vorliegen eines solchen Eingriffs sei "zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, sowie zum Schutz der Gesundheit (Art. 8 Abs. 2 EMRK) die Verhinderung des Aufenthaltes (seit 16.6.2000) mittelloser, illegal ins Bundesgebiet gelangter und sich hier nicht rechtmäßig aufhaltender und straffällig gewordener Fremder dringend geboten". Die Art und Weise der von ihm begangenen gerichtlichen Straftat lasse ein Charakterbild erkennen, das zweifelsohne den Schluss rechtfertige, dass der Beschwerdeführer gegenüber den zum Schutz fremden Eigentums erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung negativ eingestellt sei. Daraus folge eine negative Zukunftsprognose für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und es wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation.

Auch unter dem Ermessensgesichtspunkt könne von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht Abstand genommen werden. Im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultierende Gefahr strafbarer Handlungen und einer finanziellen Belastung der öffentlichen Hand sei es "auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die im § 36 Abs. 1 FrG 1997 umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat". Zudem habe sich der Beschwerdeführer bei der Einreise der Hilfe eines Schleppers bedient.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der angefochtene Bescheid erweist sich in mehrfacher Hinsicht als rechtswidrig.

Zum einen weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, es sei den Verwaltungsakten zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 4. August 2003, also noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, einen Asylerstreckungsantrag eingebracht hat.

Gemäß § 1 Z 3 Asylgesetz 1997 (in der maßgeblichen Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) ist ein Fremder ab Einbringung eines Asylantrages oder eines Asylerstreckungsantrages bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung Asylwerber.

Gemäß § 21 Abs. 1 leg. cit. findet auf Asylwerber der - von der belangten Behörde zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch herangezogene - Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG (Mittellosigkeit) nicht Anwendung, wenn sie eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung besitzen und eine der in den Z 1 oder 2 genannten weiteren Voraussetzungen erfüllen. Die belangte Behörde hätte sich somit mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot - trotz seiner Eigenschaft als Asylwerber - im Sinn des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG auf seine Mittellosigkeit hätte gestützt werden dürfen.

Eine weitere Rechtswidrigkeit liegt darin, dass die belangte Behörde zwar auf die Begründung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Graz vom 18. Juli 2000 verwiesen hat, auch dieser Bescheid jedoch lediglich die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wiedergibt, nicht jedoch die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten darstellt. Nicht nachvollziehbar ist somit der im Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose zu Lasten des Beschwerdeführers erstattete Hinweis auf die Art und Weise der von ihm begangenen gerichtlichen Straftat. Die belangte Behörde hat somit dem Erfordernis nicht entsprochen, die konkret begangenen Straftaten darzustellen und davon ausgehend die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme abzuleiten (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 23. November 2004, Zl. 2004/21/0112). Wie in dem dem genannten Erkenntnis zu Grunde liegenden Bescheid ändert die Aufzählung abstrakter Rechtssätze verbunden mit der Zitierung einer Vielzahl von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes (teilweise in Fettdruck) nichts an diesem, der Rechtmäßigkeit des insoweit auf § 36 Abs. 2 Z 1 FrG gestützten Aufenthaltsverbotes entgegen stehenden Begründungsmangel.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Dezember 2006

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